Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Wenn
Arbeitgeber wegen langer oder häufiger kurzer Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers kündigen, spricht man von krankheitsbedingter Kündigung. Es handelt sich hierbei um eine Form der
personenbedingten Kündigung.
Eine Kündigung kann der Arbeitgeber aber grundsätzlich erst dann aussprechen, wenn alle dem Arbeitgeber zumutbaren Möglichkeiten zu einer Vermeidung der Kündigung ausgeschöpft worden sind. Für eine Kündigung wegen Krankheit sind die Hürden für den Arbeitgeber daher relativ hoch.
Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig?
Eine Kündigung wegen Krankheit ist rechtlich besonders anspruchsvoll und stellt für Arbeitgeber nur das letzte Mittel dar. Grundsätzlich gilt: Vor dem Ausspruch einer solchen personenbedingten Kündigung müssen alle anderen zumutbaren Möglichkeiten zur Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses ausgeschöpft worden sein.
Dazu gehört insbesondere die Prüfung, ob der Arbeitnehmer auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Es sind vom Arbeitgeber auch alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der Betroffene unter Wahrnehmung des
Direktionsrechtes einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und diese gegebenenfalls sogar freizumachen (BAG, 10.12.2009 - Az:
2 AZR 198/09).
Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wurde von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt.
Eine krankheitsbedingte Kündigung kann sowohl bei häufigen Kurzerkrankungen als auch bei Langzeiterkrankungen ausgesprochen werden. Dabei ist stets eine umfassende Abwägung der individuellen und betrieblichen Umstände erforderlich.
Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung
Die Rechtsprechung verlangt für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung eine sogenannte Drei-Stufen-Prüfung:
1. Negative Gesundheitsprognose
Es muss zu erwarten sein, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft krankheitsbedingt für längere Zeit ausfällt. Diese Prognose stützt sich in der Regel auf die Krankheitsverläufe der letzten drei Jahre und wird oft durch ärztliche Atteste oder betriebsärztliche Gutachten unterstützt.
Bereits eine durchschnittliche jährliche Fehlzeit von etwa 14 % (circa 30–35 Arbeitstage) kann als erheblich gewertet werden. Zukünftige Fehlzeiten müssen zu erwarten sein. Dies kann meist nur nach einem ärztlichen Gutachten beurteilt werden.
Die Beweislast für eine günstigere Prognose liegt beim Arbeitnehmer.
2. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Die Fehlzeiten müssen den Betriebsablauf oder die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigen.
Typische Beispiele sind hohe Entgeltfortzahlungskosten, erhebliche Probleme bei der Personalplanung, Engpässe bei der Auftragsabwicklung oder eine unzumutbare Belastung der Kollegen. Auch die Notwendigkeit häufiger kurzfristiger Vertretungsregelungen kann als erhebliche Beeinträchtigung gewertet werden.
3. Interessenabwägung
Im Rahmen einer Abwägung müssen die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander gestellt werden. Zugunsten des Arbeitnehmers können etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, vorhandene Umsetzungsmöglichkeit (s.o.), wirtschaftliche Belastbarkeit des Arbeitgebers und Kenntnis von der Erkrankung bei Einstellung berücksichtigt werden. Auf Arbeitgeberseite können z. B. mangelnde Planungsmöglichkeit, Auswirkungen auf den Arbeitsablauf, Überlastung anderer Arbeitnehmer, hohe Nebenkosten angeführt werden. Besonders berücksichtigt werden muss auch, ob dem Arbeitgeber mildere Mittel zur Verfügung standen, etwa die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz.
Wenn kein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden ist
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Notfalls muss er freie Stellen für den erkrankten Mitarbeiter freimachen oder organisatorische Veränderungen vornehmen. Diese Prüfungspflicht umfasst auch die Umgestaltung von Arbeitsabläufen oder technische Anpassungen des Arbeitsplatzes.
Kann ein solcher Arbeitsplatz nicht gefunden werden, muss der Arbeitgeber dies im Prozess konkret darlegen können. Die bloße Behauptung, es gebe keine geeigneten Stellen, reicht nicht aus.
Es bedarf vielmehr einer umfassenden, konkreten Darlegung des Arbeitgebers, dass und warum der Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist und warum auch eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)
Liegt eine krankheitsbedingte
Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX durchzuführen. Dabei sollen gemeinsam mit dem Arbeitnehmer, dem
Betriebsrat und ggf. dem Werksarzt oder Integrationsamt Möglichkeiten zur Erhaltung des Arbeitsplatzes erarbeitet werden. Das bEM dient dazu, Arbeitsunfähigkeiten zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.
Der Betroffene Arbeitnehmer ist dagegen nicht verpflichtet, an einen solchen bEM-Gespräch teilzunehmen und darf das Angebot ohne Begründung ablehnen.
Wird kein bEM durchgeführt, kann dies im
Kündigungsschutzprozess zu Lasten des Arbeitgebers gewertet werden, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch ein bEM mildere Maßnahmen als eine Kündigung gefunden worden wären. Dabei ist nicht nur der formale Ablauf entscheidend, sondern vor allem die ernsthafte Bemühung des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz zu erhalten.
Besondere Anforderungen bei langer Betriebszugehörigkeit
Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit genießen einen erweiterten Schutz vor krankheitsbedingter Kündigung. Je länger ein Arbeitsverhältnis besteht, desto sorgfältiger müssen Arbeitgeber Alternativen zur Kündigung prüfen. Auch das Maß an Rücksichtnahme im Rahmen der Interessenabwägung steigt mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Wer beispielsweise 20 Jahre ohne Fehlverhalten im Betrieb tätig war, kann nicht ohne Weiteres wegen einer einjährigen Erkrankung gekündigt werden.
Kündigung wegen häufigen Kurzerkrankungen
Ein häufiger Fall in der Praxis ist die Kündigung wegen vieler Kurzerkrankungen. Hier gilt: Wenn sich die einzelnen Krankheitszeiträume auf mehr als sechs Wochen im Jahr summieren, und dies über Jahre hinweg, kann dies eine krankheitsbedingte Kündigung begründen.
Entscheidend ist, dass diese Ausfallzeiten für den Arbeitgeber eine erhebliche wirtschaftliche Belastung oder betriebliche Störung darstellen. Kommt es regelmäßig zu Ausfällen in kritischen Phasen (z. B. Saisonzeiten), erhöht dies die Relevanz betrieblicher Beeinträchtigungen.
Es muss jedoch zusätzlich klar sein, dass sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers voraussichtlich nicht verbessern wird und ein Arzt dies durch eine Negativprognose bestätigt.
Kündigung wegen Langzeiterkrankung: Ab welcher Krankheitsdauer droht eine Kündigung?
Liegt eine Langzeiterkrankung vor (z. B. mehrere Monate oder Jahre durchgehende Arbeitsunfähigkeit), ist ebenfalls eine negative Prognose erforderlich. Ist nicht absehbar, wann der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig sein wird, kann dies eine Kündigung rechtfertigen. Auch hier müssen die betrieblichen Auswirkungen und die individuelle Interessenlage sorgfältig geprüft werden.
Es gibt in dieser Hinsicht also keine feste Regel dafür, ab welcher Krankheitsdauer eine Kündigung möglich ist. Die Gerichte orientieren sich oft an der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmenden. Bei einer mehrjährigen Betriebszugehörigkeit sind meist Negativprognosen von über 18 Monate erforderlich. Bei einer kurzen Betriebszugehörigkeit können schon Prognosen von vier bis sechs Monaten eine Kündigung rechtfertigen. Bei einer zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit von über zwei Jahren ist eine Kündigung des Arbeitnehmers in den meisten Fällen rechtens.
Kann der Arbeitnehmer aufgrund einer chronischen Erkrankung dauerhaft keine arbeitsvertragsgerechte Leistung mehr erbringen, besteht ein anerkanntes personenbedingtes Kündigungsrecht.
Kündigung während einer Erkrankung ist zulässig!
Eine Krankschreibung schützt den Arbeitnehmer nicht vor einer Kündigung. Der Arbeitgeber ist nicht daran gehindert, während der Arbeitsunfähigkeit eine Kündigung auszusprechen und muss mit der Kündigung auch nicht warten, bis der Arbeitnehmer wieder gesund ist. Eine Krankschreibung vom Arzt kann also nicht vor einer Kündigung schützen.
Lediglich dann, wenn ein spezieller Kündigungsschutz besteht, gilt ein anderes. Dies betrifft z. B. Schwangere, Eltern in der Elternzeit oder Schwerbehinderte.
Krankheitsbedingte Kündigung in der Probezeit
Während der
Probezeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Kündigungsgrund entlassen. Dies gilt zwar auch bei Krankheit, da jedoch grundsätzlich kein Grund notwendig ist, wird in aller Regel auch kein Kündigungsgrund bei einer Probezeitkündigung genannt.
Erfordern krankheitsbedingte Kündigungen eine vorherige Abmahnung?
Zweck einer
Abmahnung ist es, dem Arbeitnehmer zur Änderung eines Verhaltens anzuhalten. Da eine Abmahnung nicht dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer nicht mehr krank ist ist oder künftig weniger krank wird, muss bei einer krankheitsbedingten Kündigung keine vorherige Abmahnung vom Arbeitgeber ausgesprochen werden.
Kann der Arbeitgeber wegen Krankheit fristlos kündigen?
Nur in Ausnahmefällen dürfte eine
fristlose Kündigung vor Gericht Bestand haben. Im Normalfall, bei dem die Kündigung allein auf eine Erkrankung des Arbeitnehmers gestützt ist, kann keine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
Eine fristlose Kündigung wäre beispielsweise dann denkbar, wenn die Krankheit lediglich vorgetäuscht wird oder Atteste gefälscht wurden.
Liegen alle Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung vor und ist der Arbeitnehmer unkündbar, so ist eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist, die in der Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht, möglich wenn die negative Krankheitsprognose durch einen sehr hohen Krankenstand (mindestens 1/3 Krankheitstage in 3 Jahren) belegt ist, die betriebliche Beeinträchtigung besonders schwer sein und bei der Interessensabwägung die resultierende Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber ganz erheblich ist.
Erhält man bei einer krankheitsbedingten Kündigung eine Abfindung?
Es besteht keine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers, einem betroffenen Arbeitnehmer eine
Abfindung zu zahlen. Wird eine solche dennoch angeboten, knüpfen Arbeitgeber diese in der Regel an die Bedingung, dass der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptieren muss. Es soll hier also ein ggf. langwieriger Kündigungsschutzprozess vermieden werden.
Als Faustformel wird oftmals ein halbes Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr angesetzt.
Welche Formvorschriften gelten für eine krankheitsbedingte Kündigung?
Für eine krankheitsbedingte Kündigung gelten die regulären Formvorschriften für eine Kündigung. Die Kündigung muss unter Einhaltung der Kündigungsfrist schriftlich erfolgen und der Betriebsrat (sofern vorhanden) vorher angehört worden sein.
Drohen Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld?
Eine krankheitsbedingte Kündigung hat keine Sperrzeit zur Folge.
Kündigt der Arbeitnehmer selbst oder unterschreibt er einen
Auflösungsvertrag, führt dies dagegen in der Regel zu Sperrzeiten von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld. Es kann jedoch vorab Rücksprache mit der Agentur für Arbeit gehalten werden. Bestätigt diese schriftlich, dass keine Sperrzeit verhängt wird, spricht auch nichts gegen eine Eigenkündigung oder einen Auflösungsvertrag.