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Fortbildung im Arbeitsrecht: Pflichten, Kosten und die Tücken von Rückzahlungsklauseln

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

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Die Arbeitswelt ist von einem stetigen Wandel geprägt. Neue Technologien, veränderte Marktbedingungen und gesetzliche Anforderungen führen dazu, dass einmal erworbenes Wissen schnell veraltet. Für Arbeitnehmer entsteht daraus der Druck, sich durch Fort- und Weiterbildungen fachlich auf dem Laufenden zu halten. Dies liegt selbstverständlich auch im ureigenen Interesse des Arbeitgebers, der auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen ist. Doch welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für Fortbildungen? Besteht eine Pflicht zur Teilnahme, wer trägt die Kosten und unter welchen Umständen darf der Arbeitgeber investiertes Geld zurückfordern?

Gibt es eine Pflicht zur Fortbildung?

Grundsätzlich ist die Teilnahme an Fortbildungen für den Arbeitnehmer freiwillig. Eine allgemeine, aus dem Arbeitsvertrag abgeleitete Pflicht, sich permanent fortzubilden, existiert nicht. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Fortbildung zwingend notwendig ist, damit der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung überhaupt erbringen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich gesetzliche Vorschriften ändern, die für die Tätigkeit relevant sind, oder wenn der Arbeitgeber neue Software oder Maschinen einführt, deren Bedienung erlernt werden muss.

In solchen Fällen kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts (auch Weisungsrecht genannt, § 106 Gewerbeordnung) die Teilnahme an einer entsprechenden Schulung anordnen. Der Arbeitnehmer ist dann zur Teilnahme verpflichtet. Diese Weisungsbefugnis ist jedoch nicht unbegrenzt. Der Arbeitgeber muss bei der Anordnung auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Das betrifft insbesondere die Wahl von Ort und Zeitpunkt der Maßnahme, die für den Arbeitnehmer zumutbar sein müssen. Sofern ein Betriebsrat besteht, hat dieser bei der Einführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen ein Mitbestimmungsrecht (§ 97, § 98 Betriebsverfassungsgesetz).

Auch wenn eine Teilnahmepflicht besteht, schuldet der Arbeitnehmer nicht den Erfolg der Fortbildung. Es genügt, wenn er sich nach seinem individuellen Leistungsvermögen bemüht, die vermittelten Kenntnisse zu erwerben. Ein bestimmtes Prüfungsergebnis oder ein Zertifikat kann nicht eingefordert werden, solange der Arbeitnehmer die Maßnahme ernsthaft betreibt (vgl. ArbG Cottbus, 24.01.2008 - Az: 6 Ca 1614/07).

Handelt es sich hingegen um freiwillige Weiterbildungen, die der allgemeinen Karriereförderung dienen, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei über die Teilnahme entscheiden. Wird dann eine Vereinbarung über eine solche Maßnahme getroffen, sind beide Seiten jedoch daran gebunden. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur Teilnahme, und der Arbeitgeber muss die Maßnahme wie vereinbart ermöglichen, also beispielsweise die Kosten tragen und den Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen.

Wer zahlt für die Qualifizierung?

Die Frage der Kostenübernahme ist klar geregelt: Ordnet der Arbeitgeber die Fortbildung an, weil sie für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist, handelt es sich um Arbeitszeit. Folglich muss der Arbeitgeber nicht nur die Lehrgangsgebühren, sondern auch alle damit verbundenen Nebenkosten wie Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten übernehmen. Ebenso ist die für die Fortbildung aufgewendete Zeit wie normale Arbeitszeit zu vergüten.

Bei freiwilligen Maßnahmen können die Parteien die Kostentragung individuell regeln. Oftmals beteiligt sich der Arbeitgeber an den Kosten, da er ebenfalls von der höheren Qualifikation des Mitarbeiters profitiert. Es ist dringend anzuraten, solche Vereinbarungen schriftlich in einem Fortbildungsvertrag festzuhalten, um spätere Unklarheiten über den Umfang der Kostenübernahme oder die Fortzahlung des Entgelts während der Freistellung zu vermeiden.

Rückzahlungsklauseln: Wann der Arbeitgeber sein Geld zurückfordern darf

Investiert ein Arbeitgeber in eine kostspielige und längerfristige Weiterbildung eines Mitarbeiters, hat er ein nachvollziehbares Interesse daran, dass sich diese Investition amortisiert. Er möchte den qualifizierten Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen halten. Aus diesem Grund enthalten viele Fortbildungsverträge sogenannte Rückzahlungsklauseln. Diese verpflichten den Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten ganz oder anteilig zurückzuzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist nach Ende der Maßnahme von sich aus beendet.

Solche Klauseln sind grundsätzlich zulässig, unterliegen aber einer strengen Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB) und schränken dessen durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit ein. Die Rechtsprechung hat daher klare Kriterien für die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen entwickelt.

Grundlegende Wirksamkeitsvoraussetzungen

Eine Rückzahlungsklausel ist nur dann wirksam, wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil verschafft. Das bedeutet, die erworbenen Qualifikationen müssen seine Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern. Eine rein betriebsspezifische Schulung, deren Inhalte bei keinem anderen Arbeitgeber von Nutzen sind, rechtfertigt keine Bindung.

Weiterhin muss die Dauer der Bindung an das Unternehmen in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer und zu den Kosten der Fortbildung stehen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu Richtwerte entwickelt (vgl. BAG, 14.01.2009 - Az: 3 AZR 900/07):

Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ist eine Bindung von bis zu sechs Monaten zulässig.
Bei einer Dauer von bis zu zwei Monaten ist eine Bindung von bis zu einem Jahr zulässig.
Bei einer Dauer von drei bis vier Monaten ist eine Bindung von bis zu zwei Jahren zulässig.
Bei einer Dauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr ist eine Bindung von bis zu drei Jahren zulässig.
Bei einer Fortbildungsdauer von über zwei Jahren kann eine Bindung von bis zu fünf Jahren gerechtfertigt sein.
Dies sind jedoch nur Regelfälle. Eine längere Bindung bei kürzerer Ausbildung kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber außergewöhnlich hohe Kosten übernimmt oder der Vorteil für den Arbeitnehmer überdurchschnittlich groß ist. Wichtig ist zudem, dass der Arbeitgeber auch tatsächlich einen Bedarf für die neu erworbene Qualifikation hat. Kann er dem Arbeitnehmer nach der Fortbildung keine adäquate, höherwertige Tätigkeit anbieten, widerlegt dies sein Interesse an der Bindung und kann eine Rückzahlungspflicht entfallen lassen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, 08.05.2018 - Az: 2 Sa 215/17).

Gründe für die Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel in der Praxis

Trotz dieser scheinbar klaren Vorgaben sind viele in der Praxis verwendete Rückzahlungsklauseln unwirksam. Ein zentraler Fehler ist die fehlende Differenzierung nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Klausel, die den Arbeitnehmer pauschal zur Rückzahlung verpflichtet, wenn er selbst kündigt, ist unwirksam. Es muss danach unterschieden werden, wer die Kündigung „zu vertreten“ hat bzw. wessen Sphäre sie zuzuordnen ist. Der Arbeitnehmer muss es selbst in der Hand haben, durch Betriebstreue der Zahlungspflicht zu entgehen. Kündigt der Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber sich vertragswidrig verhält (z.B. durch ausbleibende Lohnzahlungen), darf keine Rückzahlungspflicht ausgelöst werden. Eine Klausel, die diesen Fall nicht explizit ausnimmt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist insgesamt nichtig (vgl. BAG, 28.05.2013 - Az: 3 AZR 103/12; LAG Hamm, 11.10.2019 - Az: 1 Sa 503/19).

In einer neueren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht diesen Schutz des Arbeitnehmers noch erweitert (vgl. BAG, 01.03.2022 - Az: 9 AZR 260/21). Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer zur Zahlung verpflichtet, obwohl dieser aus unverschuldeten, in seiner Person liegenden Gründen kündigen muss, weil er die Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbringen kann (z.B. aufgrund einer Krankheit). Das Gericht argumentierte, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Qualifikation des Arbeitnehmers ohnehin nicht mehr nutzen kann. Die Investition wäre also so oder so verloren. Den Arbeitnehmer in dieser Situation durch eine Rückzahlungspflicht an ein „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis zu binden, sei unangemessen.

Ebenfalls zur Unwirksamkeit führt eine Regelung, die den Arbeitnehmer finanziell übermäßig belastet. So wurde eine Klausel für nichtig erklärt, bei der die Rückzahlungssumme ein Vielfaches des monatlichen Bruttoeinkommens betrug und die Reduzierung der Summe nur in groben jährlichen Schritten über drei Jahre vorgesehen war (vgl. LAG Köln, 11.08.2021 - Az: 11 Sa 63/21). Die Rückzahlungssumme muss sich für jeden Monat der Betriebstreue anteilig verringern (pro rata temporis).

Die Folge einer unwirksamen Klausel ist weitreichend: Sie entfällt ersatzlos. Eine „geltungserhaltende Reduktion“, also eine Anpassung auf das gerade noch zulässige Maß, findet nicht statt. Der Arbeitgeber hat dann keinerlei Anspruch auf Rückzahlung der Kosten.

Was gilt bei Abbruch der Fortbildung durch den Arbeitnehmer?

Ein anderer Fall liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nicht das Arbeitsverhältnis nach der Fortbildung beendet, sondern die Fortbildungsmaßnahme selbst vorzeitig abbricht. Hierfür kann wirksam eine vollständige Rückzahlung der bis dahin angefallenen Kosten vereinbart werden. Entscheidet sich der Arbeitnehmer aus eigenem Wunsch oder Verschulden, die Maßnahme nicht zu beenden, ist es ihm zuzumuten, dem Arbeitgeber den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit, die Kosten durch nachfolgende Betriebstreue „abzuarbeiten“ (vgl. LAG Niedersachsen, 12.10.2022 - Az: 8 Sa 123/22; BAG, 19.01.2011 - Az: 3 AZR 621/08).

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Wie bereits erwähnt, hat der Betriebsrat bei der Planung und Durchführung von betrieblichen Fortbildungsmaßnahmen weitreichende Mitbestimmungsrechte. Dies gilt auch für die Schulung von Betriebsratsmitgliedern selbst. Benötigt ein Betriebsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Schulung, hat es einen Anspruch auf Freistellung und Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Dabei steht dem Betriebsratsmitglied ein eigener Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Auswahl der konkreten Schulung zu. Der Arbeitgeber kann die Teilnahme nicht einfach mit dem Verweis auf ein günstigeres Alternativangebot verweigern, es sei denn, die Kosten des gewählten Seminars sind erkennbar unverhältnismäßig (vgl. ArbG Aachen, 25.02.2019 - Az: 8 BVGa 3/19).

Anspruch auf Bildungsurlaub

Unabhängig von den betrieblichen Erfordernissen haben Arbeitnehmer in den meisten Bundesländern einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. Dabei handelt es sich um bezahlte Freistellung von der Arbeit für die Teilnahme an staatlich anerkannten Weiterbildungsveranstaltungen. Diese müssen nicht zwingend einen direkten Bezug zur beruflichen Tätigkeit haben; auch politische oder allgemeine Weiterbildungen sind möglich. Die genauen Regelungen (Dauer, Antragsfristen) sind in den jeweiligen Landesgesetzen festgelegt.

Mustervorlage: Antrag auf Bildungsurlaub
Stand: 09.09.2025
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Sehr weitergeholfen und auch im Nachgang noch mal geantwortet und weiter geholfen.
Vielen Dank.

Verifizierter Mandant

Wow, innerhalb eines Tages eine Antwort bekommen. Ich habe nicht viel erwartet und dann kam eine richtig ausführliche Antwort. Damit kann ich erstmal ...

Erik, Oranienburg