Für eine Gefährdungshaftung gemäß
Art. 17 Abs. 1 nach dem Montrealer Übereinkommen ist es erforderlich, dass ein bei der Fluggastbetreuung eingesetzter Gegenstand oder eine Handlung bzw. ein pflichtwidriges Unterlassen des Bordpersonals ursächlich für die Gesundheitsstörung oder Körperverletzung gewesen sein muss. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob ein Verschlucken des Passagiers auf einen Fremdkörper im Bordessen zurückzuführen ist.
Ein Beweisantrag, welcher sich auf die Einvernahme von nicht namentlich benannten Zeugen bezieht, ist unzulässig. Nur ausnahmsweise ist ein Angebot auf Vernehmung eines mit „N.N.“ benannten Zeugen zu berücksichtigen, wenn dieser, z.B. durch Hinweis auf seine konkrete betriebliche Funktion, hinreichend individualisierbar ist.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger machen reisevertragliche Ansprüche gegen die Beklagte geltend.
Der Kläger zu 1) buchte für sich, seine Ehefrau und ihre Tochter - die seinerzeit rund 1 1/2 Jahre alte Klägerin zu 2) - eine
Kreuzfahrt „Karibische Inseln 2“. Der Reisevertrag beschrieb folgende Eckpunkte (
Buchungsbestätigung vom 25.09.2019):
1. Reiseroute: Bridgetown/Barbados - Kingston - Castries - Rouseau - Pointe A Pitrè - St. Johns - La Romana/Dominikanische Republik - Oranjestad - Willemstad - Kralendijk - St. George's/Grenada - Bridgetown/Barbados
2. Reisezeit: 16.01.2019 bis 30.01.2020
3.
Reisepreis (inkl. An- und Abreisepaket; München - Bridgetown/Barbados und Bridgetown/ Barbados- München jeweils Business Class): 12.720,00 €
Die frühere Beklagte zu 2) war im Auftrag der Beklagten zu 1) für den Hin- und Rückflug verantwortlich.
Der Klägerin zu 2) wurde während des Hinflugs ein Essen serviert. Das Geschirr war aus Porzellan. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Essensausgabe kollabierte die Klägerin zu 2). Die Ursache ist streitig.
Am 28.10.2020 kam es infolge eines Rohrbruchs zu einem Wassereinbruch in die Kabine der Kläger.
Die Kläger begründen ihre Klage wie folgt:
Die Klägerin zu 2) habe die Mahlzeit eigenhändig zu sich genommen. Dabei habe sie einen abgesprungenen Porzellansplitter verschluckt und sich dabei erhebliche Verletzungen im Rachenraum zugezogen. Das verwendete Porzellan sei nicht mehr „verkehrssicher“ gewesen, was hätte erkannt werden müssen. Die Absplitterung sei durch Abnutzung, falsche Aufbewahrung oder Überhitzung im Rahmen der Zubereitung der Speisen erfolgt oder das Porzellan sei ungeeignet gewesen. Das hätte dem Bordpersonal auffallen müssen. Anderen Fluggästen sei Ähnliches passiert. Auch diese hätten Porzellansplitter im Essen gehabt, nachdem dieses serviert worden sei. Dies habe auch die Flugbegleiterin wahrgenommen und erfasst. Der an Bord des Flugzeugs befindliche Arzt habe bei der Klägerin zu 2) eine Blutung im Hals-Rachen-Raum festgestellt. Die Beklagte zu 2) müsse ihn mit ladungsfähiger Anschrift benennen, sodass er als Zeuge zu dem Vorfall vernommen werden könne.Der Schiffsarzt - der Zeuge Dr. H…. M…… - habe diese Diagnose später an Bord bestätigt. Der Kläger zu 1) und seine Ehefrau - die Mutter der Klägerin zu 2) Regina Gruber - hätten besorgt, dass sich der verletzungsursächliche Splitter noch im Körper der Klägerin zu 2) befinde. Der Kläger zu 1) und seine Ehefrau hätten die Klägerin zu 2) auf ärztlichen Rat 3 - 5 Tage durchgehend beobachtet.
Eine Untersuchung bei der Klägerin zu 2) im Hals-Rachen-Raum sowie Zähneputzen, Zahnarztbesuche etc. seien nach dem Vorfall kaum mehr möglich gewesen. Über einen längeren Zeitraum hinweg habe sie erhebliche Schmerzen im Hals-Rachen-Raum gehabt. Negative Auswirkung auf die Sprachentwicklung hätten sich gezeigt. Zahnärztliche Untersuchungen der Klägerin zu 2) seien zunächst wegen ihrer starken Abwehrhaltung nicht möglich gewesen. Wegen der Verletzungsfolgen im Einzelnen wird auf die Klageschrift verwiesen. Noch im Zeitpunkt der Klageerhebung habe sie an Schmerzen gelitten. Den Beklagten sei die Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen.
Der Klägerin zu 2) stehe ein Schmerzensgeldanspruch zu und dem Kläger zu 1) und seiner Ehefrau ein Entschädigungsanspruch in Höhe des anteiligen Reisepreises für 3 - 5 Reisetage in Höhe von 4.240,00 €. Die Ehefrau des Klägers zu 1) habe ihren diesbezüglichen Anspruch an den Kläger zu 1) abgetreten. Die Beklagte müsse auch die Untersuchungskosten in Höhe von 80,00 EUR tragen.
Weiterhin stehe dem Kläger zu 1) entsprechend der Klageschrift ein
Minderungsanspruch in Höhe von 800,00 € für den Wasserschaden in der gebuchten Kabine zu. Am 28.01.2020 um 18:49 Uhr habe der Kläger zu 1) bei den Mitarbeitern der Beklagten zu 1) einen Wasserschaden in ihrer Kabine angezeigt. Es könne dahinstehen, welcher Teil des Teppichs der gebuchten Juniorsuite nass gewesen sei. Das ursächliche Leck sei zwar beseitigt worden, es habe aber ein Trocknungsgerät in der Kabine aufgestellt werden müssen. Dessen Betrieb von 09:00 Uhr bis 20:00 Uhr habe erheblichen Lärm verursacht. Es sei erforderlich gewesen, dieses Trocknungsgerät über Nacht laufen zu lassen.
Die Kläger beantragen:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, ein angemessenes Schmerzensgeld an die Klägerin zu 2) zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 EUR, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 4.240,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 zu bezahlen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 880,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 zu bezahlen.
4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Kläger von den außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.317,57 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 freizustellen.
Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt sich gegen die Klage mit Sach- und Rechtsausführungen. Auf die Klageerwiderung vom 07.10.2020 wird Bezug genommen. Die Beklagte zu 1) treffe kein Verschulden. Der Nässeschaden sei um 18:49 Uhr gemeldet worden. Nur ein Teil des Teppichs im Eingangsbereich sei nass gewesen. Um 20:59 Uhr sei die Leckage beseitigt worden. Am Folgetag sei dann ein Trocknungsgerät in der Kabine aufgestellt worden. Die Kläger hätten dieses Trocknungsgerät über Nacht abschalten können. Es habe sich bei der kurzfristigen Beeinträchtigung um eine bloße Unannehmlichkeit gehandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien und die vorgelegten Urkunden verwiesen. Das zunächst angerufene Landgericht Landshut hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgetrennt und den Rechtsstreit antragsgemäß an das Landgericht Rostock verwiesen. Die Kammer hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 18.06.2021 und 08.10.2021 verwiesen.
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