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Ausgleichsleistung, wenn der Reiseveranstalter den Fluggast falsch informiert hat?

Reiserecht | Lesezeit: ca. 30 Minuten

Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Fluggast, der im Rahmen einer Pauschalreise eine bestätigte Buchung für einen Flug hatte, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen die Ausgleichsleistung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung verlangen kann, wenn der Reiseveranstalter dem Fluggast – ohne zuvor das Luftfahrtunternehmen hierüber zu informieren – mitgeteilt hat, dass der ursprünglich vorgesehene Flug nicht durchgeführt werde, obwohl dieser wie vorgesehen stattfand.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Rechtssache C-650/23

Einem Fluggast, DW, wurde die Buchung seines (Rück-)Fluges von Heraklion (Griechenland) nach Linz (Österreich) von dem Reiseunternehmen, bei dem er eine Pauschalreise gebucht hatte, bestätigt. Dieser von E durchzuführende Rückflug war für den 29. September 2019 vorgesehen und hätte um 18 Uhr in Heraklion starten und um 20 Uhr in Linz ankommen sollen (im Folgenden: ursprünglich geplanter Rückflug).

Am 28. September 2019 teilte der Reiseveranstalter diesem Fluggast mit, dass sich die Flugzeiten und der Zielflughafen seines Rückflugs geändert hätten. Gemäß dieser Mitteilung war Endziel dieses Fluges nun Wien-Schwechat (Österreich) und der Abflug sollte am 29. September 2019 um 23.30 Uhr erfolgen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Mitteilung durch irgendein Verhalten von E veranlasst wurde.

E, ein Mitglied der International Air Transport Association (IATA), ist ein Charterunternehmen und führt als solches selbst keine Flugbuchungen durch. Rund 24 Stunden vor Abflug erhielt E eine Passagierliste mit den Vor- und den Nachnamen aller zu befördernden Passagiere; weitere Kontaktdaten wurden ihr vom Reiseveranstalter nicht zur Verfügung gestellt. Auf dieser Liste war der Name von DW nicht enthalten.

Aufgrund der Mitteilung vom 28. September 2019 fand sich DW nicht zur Abfertigung des ursprünglich geplanten Rückflugs ein.

DW verlangte von E Schadensersatz in Höhe von 400 Euro zuzüglich Zinsen und stützte sich dabei auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Da der Reiseveranstalter im Namen des Luftfahrtunternehmens einen Flugschein ausstellen dürfe, gelte zwangsläufig dasselbe für alle späteren Änderungen seiner Buchung. Insoweit könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht zur Abfertigung des ursprünglich geplanten Rückflugs eingefunden habe, da ihm seine Umbuchung auf einen anderen Flug mitgeteilt worden sei. Ihm sei daher gegen seinen Willen der Einstieg ab dem Zeitpunkt der Umbuchung verweigert worden, so dass er einen Anspruch auf Ausgleichsleistung habe.

E macht dagegen geltend, der ursprünglich geplante Rückflug sei weitgehend wie geplant durchgeführt worden und der Reiseveranstalter habe DW ohne Absprache mit ihr umgebucht. Diese Umbuchung könne keine dem Luftfahrtunternehmen zurechenbare Nichtbeförderung begründen. DW könne auch keinen Ausgleichsanspruch geltend machen, da er sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden habe. Da er über eine bestätigte Buchung für den ursprünglich geplanten Flug verfügt habe, wäre er bei rechtzeitigem Erscheinen am Flugsteig trotz der Umbuchung befördert worden.

Mit Urteil vom 27. März 2023 verurteilte das Bezirksgericht Schwechat (Österreich) E zur Zahlung von 400 Euro zuzüglich Zinsen an DW sowie zum Ersatz seiner Prozesskosten. Die Umbuchung sei E zuzurechnen, ohne dass es darauf ankomme, ob das Luftfahrtunternehmen oder der Reiseveranstalter die Umbuchung vorgenommen habe. Die Tatsache, dass DW, der vom Reiseveranstalter über die Umbuchung auf einen anderen Flug informiert worden sei, sich nicht rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden habe, sei unschädlich für seinen auf Nichtbeförderung gestützten Anspruch auf Ausgleichsleistung. Insoweit sei es nicht relevant, ob E mit DW in einer direkten Vertragsbeziehung stehe oder ob sie selbständig Passagiere umbuchen oder Flugtickets ausstellen könne, weil sie nach Art. 13 der Verordnung Nr. 261/2004 u. a. beim Reiseveranstalter Regress nehmen könne. Schließlich wies das Bezirksgericht darauf hin, dass das Luftfahrtunternehmen nicht behauptet habe, dass „vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. j dieser Verordnung gegeben gewesen seien.

E legte gegen dieses Urteil Berufung beim Landesgericht Korneuburg (Österreich), dem vorlegenden Gericht, ein. Sie begründete diese Berufung im Wesentlichen damit, dass eine Nichtbeförderung schon tatbestandsmäßig nicht vorliege und ihr die Umbuchung durch den Reiseveranstalter nicht zurechenbar sei.

Nach Auffassung des Landesgerichts ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 dieser Verordnung zu leisten hat. Nach ständiger Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts sei ein Fluggast bei einer antizipierten Nichtbeförderung, also wenn ihm bereits zuvor – wahrheitsgemäß oder auch nicht – mitgeteilt worden sei, dass er auf dem gebuchten Flug nicht befördert werde oder dieser gar nicht stattfinde, von der Verpflichtung befreit, sich rechtzeitig am Flugsteig einzufinden, sofern er über eine bestätigte Buchung verfüge und keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung vorlägen. Von einem Fluggast könne nicht verlangt werden, dass er zu einem Flug erscheine, auf dem er nicht befördert werde.

Aus dem Urteil vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a. (Az: C-146/20, C-188/20, C-196/20 und C-270/20), ergebe sich, dass ein Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 verfüge, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung stehe, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g dieser Verordnung erhalten habe, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen werde; dies gelte auch dann, wenn das Reiseunternehmen vom betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten habe. Das Risiko, dass Reiseunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeiten den Fluggästen ungenaue Auskünfte erteilen, sei nämlich vom Luftfahrtunternehmen zu tragen. Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob dieser Ansatz, dem Luftfahrtunternehmen die Verantwortung für Handlungen des Reiseveranstalters aufzuerlegen, auch Anwendung findet, wenn – wie im vorliegenden Fall – der keinen Weisungen des Luftfahrtunternehmens unterliegende Reiseveranstalter eine von ihm selbst vorgenommene Buchung ändert.

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