Anerkannt ist, dass auch Naturkatastrophen und Krankheitsausbrüche als
unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände gelten können. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die
Corona-Pandemie, die im Frühjahr 2020 zu einer nahezu weltweiten Abschottung und zur Annullierung sämtlicher internationaler Flüge geführt hat, einen solchen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand darstellt.
Ob dadurch die Durchführung der
Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt worden ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Als stärkste Form der Beeinträchtigung kommt die komplette Absage bzw. Nichtdurchführbarkeit der
Reise in Betracht, etwa dann, wenn die Leistungsträger ihre Leistungen nicht erbringen, z.B. die Fluggesellschaft die Flüge
annulliert oder der Hotelier sein Hotel schließt, oder wenn aufgrund einer behördlichen Anordnung die Einreise in bzw. die Ausreise aus einem bestimmten Land untersagt wird.
Gleiches muss gelten, wenn die Reise zwar durchgeführt werden kann, aber infolge des unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes erheblich beeinträchtigt wird, etwa, wenn bestimmte, wesentliche Reiseleistungen nicht mehr erbracht werden können, oder nur unter einschneidenden Beeinträchtigungen, z.B. Sicherheits- oder Quarantänemaßnahmen oder Ausgangsbeschränkungen.
Schließlich kann je nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits die Gefahr einer Infektion mit dem sog. Corona-Virus eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise rechtfertigen. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, etwa vom jeweiligen Infektionsgeschehen, den aktuellen Infektionszahlen im Zielgebiet, der Gefährlichkeit der aktuell vorherrschenden Virusvariante, oder der ärztlichen Versorgung und Krankenhausauslastung im Zielgebiet. In jedem Fall muss das Zielgebiet von einer gesundheitsgefährdenden Ausbreitung des Virus betroffen sein. Bei der Beurteilung des von einer möglichen Infektion ausgehenden Grades der Gefahr für Leib und Leben wird dabei von dem Kenntnistand im Zeitpunkt des Rücktritts bzw. der Reise auszugehen sein (ex-tunc), nicht rückblickend von einem späteren Kenntnistand (ex nunc). Dagegen reichen rein subjektive Unwohl- oder Angstgefühle des Reisenden vor einer Infektion nicht aus, solange die erforderliche Beeinträchtigung der Reise nicht durch zureichenden, auf Tatsachen beruhenden Sachvortrag dargelegt werden kann.
Anerkannt ist, dass das Vorliegen einer offiziellen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das jeweilige Zielgebiet ein starkes Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S.d.
§ 651 h Abs. 3 BGB darstellt.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Rückerstattung einer Anzahlung für eine Reise zum Nordkap.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden nur Klägerin) buchte bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden nur Beklagte) im August 2019 für sich und ihren Ehemann eine 12-tägige Busreise „Nordkap und Lofoten 2020“ im Zeitraum 23.08.2020 - 03.09.2020 zum Gesamtpreis von 1.798,00 Euro. Mit der Buchungsbestätigung wurden der Klägerin die Reisebedingungen der Beklagten übersandt. In den Reisebedingungen (im Folgenden nur AGB) ist unter Ziffer 9.2. und 9.3. vereinbart, dass die Beklagte bei Stornierungen von Busreisen seitens des Vertragspartners bis zum 31. Tag vor Reisebeginn 20 % des Reisepreises als Entschädigung verlangen kann. Die Klägerin zahlte 2019 325,00 Euro an. Sie stornierte die Reise mit E-Mail vom 22.05.2020 wegen „unklarer Corona-Beschränkungen in den Zielländern“ und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der Anzahlung auf. um Zeitpunkt des Rücktritts bestand die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes fort, erstreckte sich aber nicht auf den Reisezeitraum. Am 27.07.2020 bestätigte die Beklagte die Stornierung und rechnete der Klägerin gegenüber unter Einbehalt des angezahlten Betrages weitere 34,60 Euro ab. Auch auf eine weitere Aufforderung der Klägerin zahlte die Beklagte die Anzahlung nicht zurück. Die Reise konnte nicht wie geplant durchgeführt werden.
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