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Kündigung eines Mietvertrages mit einem Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung

Mietrecht | Lesezeit: ca. 4 Minuten

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Die Vermieterin nahm den behinderten Mieter auf Räumung eines Appartements in Anspruch. Sie betreibt im Anwesen "..." in "..." ein neu errichtetes Appartementhaus mit insgesamt 10 Wohneinheiten, in dem sie seit 2014 Appartements an Menschen mit Behinderung vermietet.

Der beklagte Mieter, der am sog. Down-Syndrom leidet und durch seine Eltern als gesetzliche Betreuer vertreten wird, bezog das Appartement im August 2014, weitere Bewohner folgten in den nächsten Monaten.

Die Vermieterin wollte das Vertragsverhältnis kündigen, weil es zu aggressivem Verhalten gegenüber Mitbewohnern und Betreuern gekommen sei. Dies wurde von der Gegenseite bestritten.

Die Vermieterin scheiterte jedoch mit ihrem Begehren.

Es konnte dahingestellt bleiben, ob der Beklagte sein Verhalten, auf das die Klägerin die Abmahnung vom 19.12. und die anschließende Kündigung vom 30.12.2014 gestützt hat, jeweils uneingeschränkt steuern konnte. Denn die Kündigung eines Mietverhältnisses ist auch bei schuldlosem Verhalten möglich.

Die Qualität der Vorfälle, wie sie sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darstellten, erreichte jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Mietverhältnisses nicht eine solche Schwere, dass der Kündigungsausspruch gerechtfertigt gewesen wäre.

Hierbei hat das Gericht nicht verkannt, dass die Grenze der Zumutbarkeit regelmäßig dann überschritten wird, wenn höchstpersönliche Rechtsgüter anderer Mieter oder des Personals nachhaltig verletzt werden, namentlich deren körperliche Integrität.

Hinzu kommt, dass das Mietverhältnis auch auf Seiten der Klägerin Besonderheiten aufweist: Die Klägerin sieht sich den übrigen Bewohnern gegenüber Schutzpflichten ausgesetzt, die über die bloße Vermieterpflicht "Gebrauchsüberlassung von Wohnraum" hinausgehen. Daraus resultiert, dass sie andauernde schwere Störungen des Hausfriedens oder gar Verletzungen der übrigen Bewohner nicht hinnehmen muss und aufgrund ihrer Verpflichtungen den übrigen Bewohnern gegenüber auch nicht hinnehmen darf.

Vorliegend war jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin bei Abschluss des Mietverhältnisses der Behinderung des Beklagten bewusst war; diese Behinderung war ja gerade Grundlage der Aufnahme des Beklagten in die von der Klägerin betriebene Einrichtung.

Die Klägerin muss daher solche Verhaltensweisen ihrer Bewohner hinnehmen, die dieser Besonderheit in deren Persönlichkeit sind. Hierzu können bei Menschen mit geistiger Behinderung auch Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle gehören. Erwartbar sind im Allgemeinen und somit auch im Falle des Beklagten zum Beispiel situationsbedingt lautstarke Unmutsäußerungen, aber auch (niedrigschwellige) Körperlichkeiten, sofern sie nur gelegentlich vorkommen und keine ernsthaften Verletzungen Dritter zur Folge haben. Die Klägerin ist gehalten, sich auf solche Verhaltensweisen ihrer Bewohner personell einzustellen und den Schutz anderer hiervor zu gewährleisten.


AG Gießen, 03.11.2015 - Az: 42 C 24/15

ECLI:DE:AGGIESS:2015:1103.42C24.15.0A

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