Wozu der Mietvertrag Sie wirklich verpflichtet: ➠ Lassen Sie Ihren Vertrag prüfenViele Mieter wiegen sich in Sicherheit, wenn im
Mietvertrag eine Pauschale für die Heizkosten vereinbart ist. Die Annahme liegt nahe, dass mit dem monatlich gleichbleibenden Betrag sämtliche Kosten für Wärme und Warmwasser abgegolten sind und keine unerwarteten Nachzahlungen drohen. Doch die Realität sieht oft anders aus. Insbesondere bei steigenden Energiepreisen sehen sich Vermieter veranlasst, die gestiegenen Kosten an ihre Mieter weiterzugeben. Schnell flattert dann eine Nachzahlungsaufforderung ins Haus, die für erhebliche Verwirrung und Verunsicherung sorgt. Doch ist eine solche Nachforderung rechtens, obwohl eine Pauschale vereinbart wurde?
Unterschied zwischen Pauschale und Vorauszahlung
Um die Problematik zu verstehen, muss zunächst zwischen zwei grundlegenden Arten der Betriebskostenumlage unterschieden werden: der Vorauszahlung und der Pauschale. Bei einer Vorauszahlung leistet der Mieter monatliche Abschlagszahlungen auf die voraussichtlich anfallenden
Betriebskosten. Nach dem Ende des Abrechnungszeitraums ist der Vermieter verpflichtet, eine detaillierte Abrechnung zu erstellen. Diese weist die tatsächlich entstandenen Kosten und die geleisteten Vorauszahlungen aus. Das Ergebnis ist entweder ein Guthaben für den Mieter oder eine Nachforderung des Vermieters.
Anders verhält es sich bei einer echten Betriebskostenpauschale. Hier wird ein fester Betrag vereinbart, mit dem die betreffenden Kosten endgültig abgegolten sind. Eine Abrechnung findet nicht statt. Übersteigen die tatsächlichen Kosten die Pauschale, trägt der Vermieter das Risiko. Liegen die Kosten darunter, profitiert er davon. Diese Regelung findet sich in
§ 556 Abs. 2 S. 1 BGB, der die Vereinbarung einer Pauschale oder einer Vorauszahlung ausdrücklich als gleichberechtigte Optionen vorsieht. Für den Bereich der Heiz- und Warmwasserkosten wird diese Vertragsfreiheit jedoch eingeschränkt.
Vorrang der Heizkostenverordnung vor dem Mietvertrag
Die Vereinbarung einer Pauschale wird durch die Heizkostenverordnung (HeizkostenV) eingeschränkt. Ihr Ziel ist es, durch eine verbrauchsabhängige Abrechnung das Verhalten der Nutzer im Umgang mit Heizung und Warmwasser zu beeinflussen und so zur Energieeinsparung beizutragen. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, bestimmt
§ 2 der Heizkostenverordnung, dass ihre Vorschriften den Vereinbarungen im Mietvertrag vorgehen. Diese Regelung schränkt also die Gestaltungsfreiheit der Mietvertragsparteien kraft Gesetzes ein.
Das bedeutet konkret: Eine mietvertragliche Vereinbarung, die eine Pauschale für Heiz- und Warmwasserkosten vorsieht (oft als „
Bruttowarmmiete“ oder „Teilinklusivmiete“ bezeichnet), ist in der Regel unzulässig, weil sie dem Grundsatz der verbrauchsabhängigen Abrechnung widerspricht. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass solche Vertragsgestaltungen mit den Bestimmungen der Heizkostenverordnung nicht vereinbar sind (vgl. BGH, 19.07.2006 - Az:
VIII ZR 212/05). Der Vermieter ist grundsätzlich gesetzlich dazu verpflichtet, den Verbrauch der Nutzer zu erfassen und die Kosten entsprechend auf die einzelnen Parteien zu verteilen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind eng begrenzt, beispielsweise auf Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen eine der Vermieter selbst bewohnt.
Umdeutung der Pauschale in eine Vorauszahlung
Ist die Vereinbarung einer Heizkostenpauschale unwirksam, führt dies jedoch nicht zur Nichtigkeit des gesamten Mietvertrags oder der Klausel. Stattdessen wird die Regelung rechtlich umgedeutet. Die Rechtsprechung behandelt die unwirksame Bruttowarmmiete als eine Bruttokaltmiete, also eine Miete, in der alle kalten Betriebskosten, nicht aber die Heizkosten, enthalten sind (vgl. BGH, 19.07.2006 - Az:
VIII ZR 212/05). Der in der Gesamtmiete kalkulatorisch enthaltene Anteil für Heizung und Warmwasser wird aus der Miete herausgerechnet und als Vorauszahlung auf die nunmehr zwingend verbrauchsabhängig abzurechnenden Heizkosten behandelt.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Vermieter trotz der anderslautenden Vereinbarung im Mietvertrag über die Heizkosten abrechnen muss und auch kann. Ergibt diese Abrechnung, dass die tatsächlichen Kosten den als Vorauszahlung behandelten Pauschalbetrag übersteigen, kann der Vermieter eine Nachzahlung fordern (vgl. LG Heidelberg, 25.02.2011 - Az:
5 S 77/10). Der Mieter kann sich in diesem Fall nicht erfolgreich darauf berufen, es sei doch eine endgültig abgeltende Pauschale vereinbart worden.
Keine rückwirkende Abrechnung für vergangene Jahre
Ein Vermieter, der jahrelang untätig war und keine verbrauchsabhängige Abrechnung vorgenommen hat, kann diesen Fehler jedoch nicht beliebig korrigieren. Die Umstellung von einer gelebten Pauschalaberechnung auf eine verbrauchsabhängige Abrechnung ist nicht rückwirkend für bereits abgeschlossene Abrechnungsperioden zulässig. Dies hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden (OLG Hamburg, 24.05.2017 - Az:
8 U 41/16).
Das Gericht argumentierte, dass der Zweck der Heizkostenverordnung – die Beeinflussung des Nutzerverhaltens zur Energieeinsparung – für die Vergangenheit nicht mehr erreicht werden kann. Ein Mieter, der von einer Pauschale ausging, hatte keinen Anreiz, seinen Verbrauch zu senken. Ihn nachträglich mit den vollen Kosten zu belasten, würde dem Sinn der Verordnung widersprechen. Eine Umstellung der Abrechnungsmethode ist daher nur für die Zukunft möglich und muss vom Vermieter angekündigt werden. Diese Vorgehensweise schützt das Vertrauen des Mieters in die bestehende Regelung und orientiert sich an allgemeinen Rechtsgedanken, wie sie auch in
§ 556a Abs. 2 S. 2 BGB oder
§ 6 Abs. 4 S. 3 HeizkostenV zum Ausdruck kommen, die Änderungen des Abrechnungsmaßstabs nur für künftige Zeiträume gestatten. Eine rückwirkende Abrechnung für Jahre, in denen die Pauschale von beiden Seiten gelebt wurde, ist somit unzulässig.
Unklare Klauseln im Mietvertrag gehen zulasten des Vermieters
In der Praxis sind Mietverträge nicht immer eindeutig formuliert. Manchmal lassen die Klauseln offen, ob nun eine Pauschale oder eine Vorauszahlung gewollt war. Handelt es sich bei dem Mietvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), was bei den meisten Formularmietverträgen der Fall ist, greift die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Zweifel bei der Auslegung gehen zulasten des Verwenders, also des Vermieters.
In einem solchen Fall ist von den verschiedenen denkbaren Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die für den Mieter am günstigsten ist. Steht eine Nachforderung des Vermieters im Raum, ist die für den Mieter günstigste Auslegung die Annahme einer Pauschale, da diese eine Nachzahlung ausschließt. So entschied das Amtsgericht Düsseldorf in einem Fall, in dem die vertragliche Formulierung sprachlich widersprüchlich und unklar war (AG Düsseldorf, 06.05.2024 - Az:
37 C 285/23). Das Gericht stellte fest, dass die erheblichen sprachlichen Mängel zulasten des Vermieters gehen müssen. Auch wenn der Vermieter oder der für ihn handelnde Makler subjektiv von einer Vorauszahlung ausgingen, kommt es für die Auslegung auf den verständlichen Inhalt aus Sicht des Mieters an.
Besonderheiten bei Vermieterwechsel und fehlerhafter Abrechnung
Die Rechtslage kann sich durch weitere Umstände verkomplizieren. Tritt ein neuer Eigentümer in ein bestehendes Mietverhältnis ein, so ist er an die Rechte und Pflichten des vorherigen Vermieters
gebunden. Hatte der Vormieter mit dem Mieter über Jahre hinweg eine Pauschale praktiziert und bestand Einigkeit darüber, nicht abzurechnen, muss sich der neue Vermieter dieses Verhalten zurechnen lassen (vgl. AG Erfurt, 17.01.2007 - Az:
5 C 523/06). Er kann dann nicht ohne Weiteres für die Vergangenheit Heizkosten nachfordern.
Selbst wenn der Vermieter abrechnet, muss diese Abrechnung den Vorgaben der Heizkostenverordnung entsprechen. Verteilt er die Kosten beispielsweise pauschal nach einem unzulässigen Schlüssel (z.B. zu gleichen Teilen auf alle Wohnungen) anstatt nach Verbrauch, verstößt die Abrechnung gegen die Verordnung. Der Mieter kann sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften berufen, selbst wenn er in den Vorjahren eine solche fehlerhafte Abrechnung vorbehaltlos akzeptiert hat (vgl. AG Gütersloh, 08.10.2021 - Az:
10 C 798/19). Eine jahrelange falsche Abrechnungspraxis führt nicht automatisch zu einer stillschweigenden Vertragsänderung. Aufgrund des Verstoßes gegen die Verordnung hat der Mieter gemäß
§ 12 HeizkostenV sogar das Recht, den auf ihn entfallenden Heizkostenanteil um 15 Prozent zu kürzen. Dies gilt auch für einzelne Kostenbestandteile, wie etwa die Stromkosten für den Betrieb der Heizanlage, die ebenfalls verbrauchsabhängig und nicht pauschal verteilt werden dürfen (vgl. AG Besigheim, 13.05.2016 - Az:
7 C 752/14).