Wozu der Mietvertrag Sie wirklich verpflichtet: ➠ Lassen Sie Ihren Vertrag prüfenWohngemeinschaften (WG) sind eine beliebte und oftmals kostengünstige Wohnform, insbesondere für junge Menschen in der Ausbildung oder am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn. Das Teilen von Gemeinschaftsräumen wie Küche und Bad senkt nicht nur die Mietkosten, sondern kann auch das soziale Miteinander fördern. Doch so harmonisch das Zusammenleben beginnen mag, so kompliziert kann es enden, wenn die Chemie zwischen den Mitbewohnern nicht mehr stimmt oder sich Lebenspläne ändern. Die Auflösung einer Wohngemeinschaft wirft dann eine Reihe von juristischen Fragen auf, deren Beantwortung maßgeblich von der vertraglichen Gestaltung des Mietverhältnisses abhängt.
Die rechtliche Einordnung der Wohngemeinschaft
Bevor die Möglichkeiten einer Beendigung des Mietverhältnisses erörtert werden können, muss die rechtliche Natur der Wohngemeinschaft geklärt werden. Wenn mehrere Personen gemeinsam einen
Mietvertrag unterzeichnen, um eine Wohnung zu nutzen, bilden sie in der Regel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), oft auch als „Innen-GbR“ bezeichnet. Zweck dieser Gesellschaft ist die gemeinsame Nutzung und Unterhaltung der Wohnung. Diese Einordnung wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt (vgl. BGH, 10.09.1997 - Az: VIII ARZ 1/97) und von Instanzgerichten wie dem Landgericht Berlin (vgl. LG Berlin, 16.10.1998 - Az: 64 S 81/98) weiter gefestigt. Es handelt sich hierbei nicht um eine bloße Bruchteilsgemeinschaft nach den §§ 741 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), da deren Regelungen dem komplexen Innenverhältnis zwischen den Mitbewohnern nicht gerecht würden. Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Verbindung ergeben sich besondere Rechte und Pflichten, insbesondere eine gegenseitige Treuepflicht, die bei der Auflösung der WG eine zentrale Rolle spielt.
Der Regelfall: Alle Mitbewohner sind Hauptmieter
Die häufigste Konstellation in der Praxis ist, dass alle Mitglieder der Wohngemeinschaft als Hauptmieter im Mietvertrag aufgeführt sind. Diese vertragliche Gestaltung hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf die Kündigung und die Haftung.
Eine grundlegende Folge dieser Vertragsform ist, dass der Mietvertrag nur von allen Mietern gemeinsam gekündigt werden kann. Die Kündigungserklärung eines einzelnen Mieters ist unwirksam und beendet das Mietverhältnis nicht. Zudem haften alle im Vertrag genannten Personen als Gesamtschuldner für die Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis, wie beispielsweise die Zahlung der Miete oder die Beseitigung von Schäden. Die gesamtschuldnerische Haftung (§ 421 BGB) bedeutet, dass der Vermieter nach seiner Wahl die gesamte Miete von nur einem einzigen Mieter verlangen kann, unabhängig davon, ob dieser die Wohnung noch bewohnt oder bereits ausgezogen ist. Dieser haftet dann im Außenverhältnis voll und muss sich im Innenverhältnis um einen Ausgleich von seinen Mitmietern bemühen.
Möchte ein Mieter aus der Wohnung und dem Vertrag ausscheiden, während die anderen bleiben wollen, ist eine einvernehmliche Regelung mit allen Beteiligten erforderlich. Dies bedeutet, es bedarf einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem ausziehenden Mieter, den verbleibenden Mietern und dem Vermieter. Der Vermieter ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, einem solchen Ausscheiden zuzustimmen oder den Mietvertrag nur mit den verbleibenden Mietern fortzusetzen. Er könnte durch das Entlassen eines Mieters eine wichtige Sicherheit verlieren, da ihm ein Haftungsschuldner abhandenkommt. Oftmals wird die Zustimmung des Vermieters auch von einer Mieterhöhung abhängig gemacht. Eine solche Vertragsänderung sollte zwingend schriftlich festgehalten und von allen ursprünglichen Mietern, den verbleibenden Mietern, dem neuen Mieter (falls einer eintritt) und dem Vermieter unterschrieben werden, um Rechtssicherheit zu schaffen.
Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung im Innenverhältnis
Kompliziert wird die Lage, wenn sich die Mitbewohner uneinig sind. Weigern sich die verbleibenden Mieter, an einer gemeinsamen Kündigung des gesamten Mietvertrages mitzuwirken, ist der auszugswillige Mieter nicht schutzlos gestellt. Aufgrund der erwähnten gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die zwischen den Mitgliedern der WG-GbR besteht, kann der Wunsch eines Mitbewohners, am Vertrag festzuhalten, dem Auszugswunsch des anderen nicht uneingeschränkt entgegengehalten werden.
Ein Mieter kann nicht gezwungen werden, auf unbestimmte Zeit gegen seinen Willen an einem Mietvertrag festgehalten zu werden. Verweigert ein Mitbewohner dauerhaft und ohne triftigen Grund seine Zustimmung zur gemeinsamen Kündigung, kann dies als treuwidriges Verhalten gewertet werden. In einem solchen Fall hat der kündigungswillige Mieter einen Anspruch gegen seine Mitmieter auf Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrages. Dieser Anspruch kann notfalls gerichtlich durchgesetzt werden, beispielsweise durch eine Klage auf Auseinandersetzung der Gesellschaft. Das Landgericht Frankfurt am Main hat hierzu entschieden, dass ein solcher Anspruch insbesondere dann besteht, wenn sich ein Mitbewohner einer einvernehmlichen Lösung dauerhaft verweigert (LG Frankfurt/Main, 07.12.2020 - Az:
2-11 T 117/20).
Die Alternative: Untervermietung statt Vertragsänderung
Angesichts der Tatsache, dass ein Vermieter nicht verpflichtet ist, einer Auswechslung von Mietern zuzustimmen, hat die Rechtsprechung einen alternativen Weg aufgezeigt. Das Landgericht Berlin entschied, dass Mieter einer WG in einem solchen Fall auf das Recht zur anteiligen
Untervermietung nach
§ 553 BGB beschränkt sind (LG Berlin, 18.08.2021 - Az:
64 S 261/20).
Dies bedeutet in der Praxis: Der ausziehende Hauptmieter bleibt rechtlich gesehen weiterhin Mieter mit allen Rechten und Pflichten gegenüber dem Vermieter. Er kann jedoch sein Zimmer mit Erlaubnis des Vermieters an eine dritte Person untervermieten. Der Kontakt zum ausgeschiedenen Mitglied muss aufrechterhalten werden, da es im Außenverhältnis weiterhin haftet. Diese Lösung wahrt die Interessen der WG, die Wohnung weiter zu nutzen, ohne dass der Vermieter einer Vertragsänderung zustimmen muss. Diese Möglichkeit stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn der letzte verbliebene ursprüngliche Hauptmieter ausziehen und sein Zimmer untervermieten möchte, da dies einer vollständigen Gebrauchsüberlassung der Wohnung an Dritte gleichkäme, der der Vermieter nicht zustimmen muss.
Sonderfall Studenten-WG: Anspruch auf Mieteraustausch?
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Vermieter einem Mieterwechsel nicht zustimmen muss, kann bei studentischen Wohngemeinschaften bestehen. Das Amtsgericht Berlin-Tempelhof/Kreuzberg vertrat die Auffassung, dass bei einer studentischen WG ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung zur Auswechslung von Mietern bestehen kann (AG Berlin-Tempelhof/Kreuzberg, 25.02.2019 - Az:
7 C 285/18). Die Argumentation lautet, dass es für den Vermieter bei Vertragsschluss offensichtlich ist, dass die Mieter nur für eine begrenzte Zeit in der Wohnung leben werden und eine hohe Fluktuation naturgemäß ist. In solchen Fällen müsse der Vermieter mit einem Austausch der Mitglieder rechnen und dürfe seine Zustimmung in der Regel nicht verweigern. Diese Ansicht ist jedoch nicht unumstritten und steht im Gegensatz zur strengeren Linie des Landgerichts Berlin in seiner oben genannten Entscheidung.
Die einfachere Variante: Ein Hauptmieter und Untermieter
Wesentlich unkomplizierter gestaltet sich die Auflösung der WG, wenn nur eine Person als Hauptmieter im Vertrag mit dem Vermieter steht und die Zimmer an die anderen Mitbewohner untervermietet. In diesem Fall besteht das Hauptmietverhältnis zwischen dem Hauptmieter und dem Vermieter unverändert fort. Die anderen Bewohner sind Untermieter, und ihr Vertragspartner ist der Hauptmieter, nicht der Eigentümer der Wohnung.
Ein Untermietverhältnis kann von beiden Seiten unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gekündigt werden. Der Hauptmieter kann dem Untermieter unter Umständen sogar von einem Sonderkündigungsrecht nach
§ 573a BGB Gebrauch machen, da beide Parteien in derselben Wohnung leben. In diesem Fall bedarf es keines berechtigten Interesses für die Kündigung, allerdings verlängert sich die Kündigungsfrist um drei Monate. Zieht ein Untermieter aus, muss der Hauptmieter für die Aufnahme eines neuen Mitbewohners in der Regel erneut die Erlaubnis des Vermieters einholen, es sei denn, im Mietvertrag wurde bereits eine generelle Untervermietungserlaubnis erteilt.
Rückzahlung der Mietkaution bei Auflösung
Ein häufiger Streitpunkt nach dem Ende des Mietverhältnisses ist die
Rückzahlung der Kaution. Haben mehrere Personen als Hauptmieter den Vertrag unterschrieben, steht ihnen der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution auch nur gemeinschaftlich zu. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB. Das bedeutet, dass kein einzelner Mieter die Auszahlung der Kaution nur an sich verlangen kann; der Vermieter darf nur an alle ehemaligen Mieter gemeinsam leisten. Diese Regelung, die das Landgericht Flensburg (LG Flensburg, 09.10.2008 - Az:
1 S 56/08) bestätigt hat, soll verhindern, dass ein Mieter die gesamte Summe erhält und die anderen leer ausgehen. In der Praxis bedeutet dies, dass die ehemaligen WG-Mitglieder eine gemeinsame Kontoverbindung angeben oder eine Person bevollmächtigen müssen, die Kaution für alle in Empfang zu nehmen.