Erbstreitigkeiten vermeiden: Erstellen oder prüfen Sie ein ➠ Testament!Wenn ein naher Angehöriger verstirbt, muss sich auch um die Organisation der Bestattung gekümmert werden. Nicht selten kommt es hierbei zu tiefgreifenden Konflikten innerhalb der Familie. Uneinigkeit über die Art der Beisetzung – ob Erd- oder Feuerbestattung – oder den Ort der letzten Ruhestätte kann die Hinterbliebenen tief entzweien. Doch wer ist befugt, diese Entscheidungen zu treffen? Die Antwort findet sich im gewohnheitsrechtlich anerkannten Institut der Totenfürsorge.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff der Totenfürsorge?
Die Totenfürsorge ist das Recht und zugleich die Pflicht, sich um den Leichnam eines Verstorbenen zu kümmern. Sie ist nicht in einem einzelnen Gesetz umfassend geregelt, sondern wurzelt im Gewohnheitsrecht und wird aus dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen abgeleitet, das durch Artikel 1 des Grundgesetzes geschützt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die Bedeutung dieses Schutzes über den Tod hinaus betont.
Inhaltlich umfasst die Totenfürsorge alle wesentlichen Entscheidungen, die nach dem Tod einer Person anfallen. Dazu gehören insbesondere das Verfügungsrecht über den Leichnam, die Wahl der Bestattungsart und des Bestattungsortes sowie die gesamte Gestaltung der Trauerfeierlichkeiten. Auch spätere Entscheidungen, wie die Auswahl und Beschriftung des Grabmals oder gar eine eventuelle Umbettung der Urne oder des Sarges, fallen in den Bereich der Totenfürsorge.
Der Wille des Verstorbenen als oberster Grundsatz
Der wichtigste Grundsatz des gesamten Totenfürsorgerechts ist der Wille des Verstorbenen. Es ist das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, noch zu Lebzeiten festzulegen, was nach dem eigenen Tod mit den sterblichen Überresten geschehen soll. Dieser Wille hat Vorrang vor den Wünschen und Vorstellungen der Angehörigen.
Der Verstorbene kann nicht nur die Art und den Ort seiner Bestattung bestimmen, sondern auch festlegen, welche Person er mit der Umsetzung dieser Wünsche betraut. Diese benannte Person muss nicht zwangsläufig zum engsten Familienkreis gehören; es kann sich dabei auch um einen Lebensgefährten oder einen guten Freund handeln. Für die Feststellung des maßgeblichen Willens kommt es nicht allein auf ausdrückliche Erklärungen in einem
Testament oder einer separaten Bestattungsverfügung an. Es genügt, wenn der Wille aus den gesamten Lebensumständen mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden kann (vgl. BGH, 26.02.2019 - Az:
VI ZR 272/18). So kann selbst eine handschriftliche Notiz ausreichen, um den Bestattungswunsch verbindlich festzulegen, wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem Fall entschied, in dem ein Verstorbener auf einem Zettel seinen gewünschten Bestattungsort vermerkt hatte (OVG Nordrhein-Westfalen, 12.12.2012 - Az:
19 A 2207/11).
Sofern Meinungsverschiedenheiten nicht einvernehmlich geklärt werden können, besteht die Möglichkeit, das Totenfürsorgerecht gerichtlich geltend zu machen – etwa durch einstweilige Verfügungen, Unterlassungs- oder Verpflichtungsklagen.
Wer entscheidet, wenn kein Wille erkennbar ist?
Hat der Verstorbene zu Lebzeiten keine Anordnungen getroffen oder lässt sich sein Wille nicht ermitteln, greift eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rangfolge der nächsten Angehörigen. Diese sind dann berechtigt und gleichzeitig verpflichtet, die Totenfürsorge auszuüben. Die Reihenfolge ist in der Regel wie folgt:
1. der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner
2. die volljährigen Kinder
3. die Eltern
4. die volljährigen Geschwister
5. die Großeltern
6. die volljährigen Enkelkinder
Wichtig ist hierbei die Feststellung, dass das Totenfürsorgerecht völlig unabhängig vom
Erbrecht besteht. Auch wer das Erbe ausschlägt, kann weiterhin zur Totenfürsorge berechtigt und verpflichtet sein. Ebenso ist ein naher Angehöriger, der nicht Erbe geworden ist, vorrangig vor einem entfernten Verwandten, der als Erbe eingesetzt wurde. Der Kreis der bestattungspflichtigen Angehörigen ist jedoch begrenzt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg stellte klar, dass Nichten und Neffen nicht mehr zu den nahen Angehörigen zählen, die kraft Gewohnheitsrechts zur Bestattung verpflichtet sind (OVG Lüneburg, 27.09.2004 - Az:
8 ME 227/04).
Wird eine Person vom Verstorbenen durch eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht mit der Bestattung beauftragt, so erlangt diese im Zweifel ein umfassendes Totenfürsorgerecht. Dies schließt dann andere Angehörige, auch Geschwister, von der Entscheidungsfindung aus (vgl. LG Frankenthal, 26.05.2023 - Az:
8 O 282/22).
Das deutsche Bestattungsrecht ist nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Die genaue Ausgestaltung der Bestattungspflichten sowie die Definition naher Angehöriger kann daher in einzelnen Bundesländern unterschiedlich sein.
Umfang der Totenfürsorge: Von der Grabgestaltung bis zur Umbettung
Das Totenfürsorgerecht endet nicht mit der Beisetzung. Es umfasst auch die Befugnis, über die Gestaltung des Grabes zu entscheiden und dieses Erscheinungsbild zu pflegen und zu erhalten. Die Grabstätte ist ein Ort des Gedenkens, dessen Bedeutung in die Zukunft gerichtet ist. Entsprechend kann der Totenfürsorgeberechtigte auch gegen Störungen durch andere vorgehen. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte eine Enkelin entgegen der durch die Wahl eines Baumgrabes zum Ausdruck gebrachten schlichten Gestaltungswünsche Blumenschmuck abgelegt. Die totenfürsorgeberechtigte Tochter durfte diesen entfernen, um den Willen des Verstorbenen durchzusetzen (BGH, 26.02.2019 - Az:
VI ZR 272/18).
Eine besonders heikle Frage ist die der Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche. Eine solche Maßnahme stellt eine schwerwiegende Störung der Totenruhe dar, die durch das Grundgesetz besonders geschützt ist. Eine Umbettung ist daher nur aus einem wichtigen Grund zulässig. Ein solcher kann vorliegen, wenn die Umbettung dem Willen des Verstorbenen besser Rechnung trägt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die ursprüngliche Bestattung unter Missachtung des Willens des Verstorbenen stattfand. So wurde in einem Fall die Umbettung genehmigt, weil die Eltern des Verstorbenen dessen ausdrücklichen schriftlichen Wunsch nach einem bestimmten Bestattungsort ignoriert und die Beisetzung an einem anderen Ort vorgenommen hatten (OVG Nordrhein-Westfalen, 12.12.2012 - Az:
19 A 2207/11). Lässt sich der Wille des Verstorbenen hingegen nicht eindeutig aufklären, steht die Totenruhe einer Umbettung in aller Regel entgegen (VGH Bayern, 08.06.2011 - Az:
4 ZB 11.566).
Kosten der Bestattung und Abgrenzung zum Erbrecht
Eine klare Trennungslinie besteht zwischen dem Recht der Totenfürsorge und der
Pflicht zur Kostentragung. Während der Totenfürsorgeberechtigte die Bestattung veranlasst, ist zur Tragung der Kosten der Erbe verpflichtet. Gemäß § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Fallen der Totenfürsorgeberechtigte und der Erbe nicht in einer Person zusammen, kann derjenige, der die Bestattung beauftragt hat, die Kosten vom Erben zurückfordern.
Zu den Beerdigungskosten zählen allerdings nur die unmittelbaren Aufwendungen für den Bestattungsakt selbst bis hin zur Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die Kosten für die anschließende, langfristige Grabpflege sind hiervon nicht erfasst. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Kosten der Grabpflege keine Nachlassverbindlichkeiten sind, die bei der Berechnung eines
Pflichtteilsanspruchs abgezogen werden könnten (BGH, 26.05.2021 - Az:
IV ZR 174/20). Auch eine testamentarische Anordnung des Erblassers, das Vermögen für die Grabpflege zu verwenden, begründet keine rechtliche Verpflichtung des Erben, die über eine sittliche Pflicht hinausgeht.
Konflikte vermeiden durch eine klare Bestattungsverfügung
Um Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen von vornherein zu vermeiden, ist es dringend anzuraten, die eigenen Wünsche für die Bestattung zu Lebzeiten klar und eindeutig zu regeln. Das wirksamste Instrument hierfür ist eine schriftliche Bestattungsverfügung. In einem solchen Dokument kann detailliert festgelegt werden, welche Bestattungsart gewünscht wird, wo die letzte Ruhestätte sein soll und wie die Trauerfeier gestaltet werden soll. Darüber hinaus sollte eine Person des Vertrauens als Totenfürsorgeberechtigter benannt werden. Diese Person ist dann ermächtigt und legitimiert, die niedergelegten Wünsche umzusetzen und sie notfalls auch gegen den Willen anderer Angehöriger durchzusetzen.
Die Verfügung sollte möglichst schriftlich erfolgen, mit Datum und Unterschrift versehen sein und an einem für die Angehörigen leicht zugänglichen Ort aufbewahrt werden. Empfehlenswert ist es auch, schon zu Lebzeiten das Gespräch mit potenziellen Totenfürsorgeberechtigten zu suchen, damit die Wünsche eindeutig umgesetzt werden können.