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Geschäftsunfähiger und nicht autorisierte Barabhebungen

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 53 Minuten

Informationspflichten gemäß § 676b Abs. 2 Satz 2 BGB kann die Bank Geschäftsunfähigen gegenüber nur dadurch erfüllen, dass sie die entsprechende Information im Sinne von § 131 Abs. 1 BGB an den gesetzlichen Vertreter richtet. Die damit einhergehende fehlende Rechtssicherheit bei Rechtsgeschäften mit unerkannt Geschäftsunfähigen entspricht der grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Interessen der aufgrund persönlicher Eigenschaften typischerweise schwächeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer am rechtsgeschäftlichen Verkehr.

Dem Einwand der Entreicherung einer Geschäftsunfähigen steht nicht entgegen, dass ein Erstattungsanspruch gegen die kontoführende Bank wegen einer verschuldeten Versäumung der Frist des § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Geldbetrags, der als Darlehen dem Konto der Beklagten gutgeschrieben wurde.

Die Beklagte, die eine monatliche Rente von etwa 1.000,00 € bezieht, ist Inhaberin des Kontos Nr. XXX bei der Raiffeisenbank eG (BLZ ….). Am 20. Oktober 2012 unterzeichnete sie einen easyCredit-Vertrag mit der Klägerin über einen Nominalbetrag von 10.000,00 €, der mit 11,84% p.a. verzinst und in 83 monatlichen Raten zu je 176,00 € sowie einer Schlussrate von 130,96 € ab dem 1. Dezember 2012 zurückgezahlt werden sollte. Die Beklagte lebte zu dieser Zeit im Haushalt ihrer Tochter, der Zeugin S. Die Darlehensvaluta wurde dem oben genannten Konto der Beklagten gutgeschrieben, das zu diesem Zeitpunkt im Plus geführt wurde. Die Zeugin S. hob am 25. Oktober 2012 einen Betrag von 1.000,00 € und am 1. November 2012 einen Betrag von 6.000,00 € vom Konto der Beklagten ab. Wie über die restlichen 4.000,00 € verfügt wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Zahlungen auf den Darlehensvertrag erfolgten in Höhe von 741,96 €. Die Klägerin kündigte den Darlehensvertrag am 27. November 2013 nach vorheriger Mahnung; zu diesem Zeitpunkt waren Raten in Höhe von 1.420,00 € offen.

Am 5. Januar 2013 wurde die Beklagte aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten in einer Klinik für Alterspsychiatrie aufgenommen. Das dort im Rahmen eines Betreuungsverfahrens von Dr. med. R. erstellte Gutachten vom 17. Januar 2013 nannte als Diagnose eine wahrscheinlich präsenile Demenz vom Alzheimer-Typ und sah die Beklagte als nicht geschäftsfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB an. Mit Beschluss des Amtsgerichts Parchim vom 18. April 2013 (Geschäfts-Nr. ….) wurde die Zeugin S. zur Betreuerin bestellt; mit Beschluss vom 5. Februar 2014 wurde die Zeugin S. wegen Unzuverlässigkeit als Betreuerin entlassen und der jetzige Betreuer als Berufsbetreuer zum neuen Betreuer bestellt.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte aufgrund ihrer Erkrankung bereits geschäftsunfähig war, als sie im Oktober 2012 den Darlehensvertrag unterzeichnete.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Darlehensvaluta durch Auszahlung auf ihr Konto ohne Rechtsgrund erhalten. Die Abhebungen der Zeugin müsse sie sich zurechnen lassen. Auf Entreicherung könne sie sich nicht berufen.

Die Beklagte hat sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Das Geld sei bei ihr nicht mehr vorhanden. Die Zeugin S. habe das Geld, wie ihre Rentenbezüge auch, für eigene Zwecke verwendet. Die Zeugin sei nicht solvent.

Im Beweisaufnahmetermin vor dem Landgericht hat sich die Zeugin S. auf das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 384 Nr. 2 ZPO berufen. In diesem Zusammenhang hat sie mitgeteilt, sie habe seit langer Zeit Vollmacht für das Konto der Beklagten gehabt.

Das Landgericht hat der Klage mit seinem dem Beklagtenvertreter am 5. Februar 2015 zugestellten Urteil stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 4. März 2015, die sie mit Schriftsatz vom 13. März 2015 begründet hat.

Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt: Der Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung sei begründet. Der Darlehensvertrag sei nichtig, weil die Beklagte bereits geschäftsunfähig gewesen sei, als sie den Vertrag unterzeichnet habe. Die Klägerin habe die Darlehensvaluta in Unkenntnis der Nichtigkeit und mithin ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB an die Beklagte geleistet. Diese sei dem Grunde nach zur Herausgabe des erlangten Geldes verpflichtet. Ein Wegfall der Bereicherung sei nicht bewiesen. Es sei schon bei Empfang des Geldes klar gewesen, dass dieses in Raten zurückgezahlt werden solle, was angesichts der Rentenbezüge der Beklagten auch grundsätzlich möglich gewesen sei. Die Beklagte müsse sich deshalb so behandeln lassen, als hafte sie nach § 819 BGB verschärft. Ein anderes Ergebnis lasse sich nicht darauf stützen, dass im Raume stehe, die Zeugin S. habe die Krankheit der Beklagten ausgenutzt, um sich selbst auf deren Kosten zu bereichern. Einen entsprechenden Beweis habe die Beklagte nicht führen können, weil sich die Zeugin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe und weitere Beweisantritte nicht erfolgt seien.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt: Es sei nachgewiesen, dass zwei Barabhebungen in Höhe von insgesamt 7.000 € nicht von der Beklagten, sondern von der Zeugin vorgenommen worden seien. Damit sei bewiesen, dass die Beklagte entreichert sei. Ihr stehe zwar ein Ersatzanspruch gegen die Zeugin zu, dieser sei jedoch wertlos, weil die Zeugin vermögenslos sei. Die Beklagte sei bei Empfang der Darlehensvaluta geschäftsunfähig gewesen, habe deshalb also gar nicht bösgläubig im Sinne von § 819 BGB sein können. Davon zu unterscheiden sei die Frage, ob sie sich die Bösgläubigkeit eines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen müsse. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Zeugin bei Abschluss des Darlehensvertrags und Auszahlung der Darlehensvaluta noch nicht Betreuerin der Beklagten gewesen sei. Die Zeugin sei auch nicht wirksam bevollmächtigt gewesen. Es habe sich herausgestellt, dass die Aussage der Zeugin, sie habe seit langer Zeit Vollmacht für das Konto der Beklagten gehabt, falsch sei. Die Beklagte habe der Zeugin S. am 13. Oktober 2011 zwar eine Vollmacht erteilt, diese jedoch am 28. November 2011 widerrufen. Bei der erneuten Vollmachtserteilung am 4. September 2012 sei die Beklagte bereits geschäftsunfähig gewesen. Mangels wirksamer Vollmachtserteilung müsse sich die Beklagte die Kontoabhebungen ihrer Tochter nicht zurechnen lassen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die von der Zeugin getätigten Abhebungen müsse die Beklagte sich zurechnen lassen. Die Zeugin habe angegeben, seit langer Zeit Kontovollmacht zu haben. Der erst in zweiter Instanz erfolgte Vortrag zum Widerruf der Kontovollmacht sei nicht zu berücksichtigen und werde vorsorglich bestritten. Bestritten werde, dass die Zeugin die Beträge für sich ausgegeben habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K. sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. med. R. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisbeschluss vom 26. Oktober 2015 sowie das psychiatrische Gutachten vom 30. Dezember 2015 Bezug genommen. Die Betreuungsakte des Amtsgerichts Ratzeburg zum Geschäftszeichen …. lag dem Senat vor.

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