Erbstreitigkeiten vermeiden: Erstellen oder prüfen Sie ein ➠ Testament!Die Kenntnis des Erben im Sinne von § 1944 Abs. 2 BGB muss nicht durch das Nachlassgericht vermittelt werden (hier: Schreiben eines Miterben an den
Betreuer).
Ist der Erbe gesetzlich vertreten, ist bei der Kenntniserlangung zu unterscheiden: Im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit kommt es allein auf die Kenntnis des Vertreters an. Ist der Erbe
geschäftsfähig, steht er aber unter rechtlicher Betreuung, ist zu berücksichtigen, dass er neben dem Betreuer steht und in der Lage ist, seine Angelegenheiten auch ohne diesen selbst zu regeln. Nach der überwiegend und auch hier vertretenen Auffassung kommt es in einem solchen Fall auf den früheren Zeitpunkt an, also darauf, ob der
Betreute oder wie hier der Betreuer zuerst Kenntnis erlangt hat.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Im Januar 2024 verstarb die verwitwete und kinderlose Erblasserin. Der Beteiligte zu 1 ist der Bruder, der Beteiligte zu 2 der einzige Sohn der vorverstorbenen Schwester der Erblasserin. Eine
letztwillige Verfügung hatte sie nicht getroffen.
Am 29. Februar 2024 verfasste der Beteiligte zu 1 ein Schreiben an den Betreuer des Beteiligten zu 2, seines Neffen. Darin wies er unter anderem darauf hin, dass seine Schwester verstorben sei, ein Testament oder Vollmachten nicht aufzufinden gewesen seien und er einen Erbschein dringend benötige, sodass er eine Mitteilung zu Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft erbete. Als Anlage überreichte er eine Sterbeurkunde und eine „Nachlass-Vermögensübersicht“. Das Schreiben wurde dem Betreuer am 1. März 2024 persönlich übergeben.
Unter dem 26. April 2024 stellte der Beteiligte zu 1 beim Amtsgericht Uelzen einen Antrag auf Erteilung eines
Erbscheins, der ihn und seinen Neffen zu gleichen Teilen als Erben ausweise.
Der Beteiligte zu 2 und sein Betreuer wurden schriftlich zu dem Antrag angehört.
Am 6. Mai 2024 erschienen der Beteiligte zu 2 und sein Betreuer beim Amtsgericht Uelzen. Der Beteiligte zu 2 erklärte, die Erbschaft auszuschlagen und vorsorglich die erfolgte Annahme der Erbschaft durch Versäumung der Ausschlagungsfrist anzufechten. Erst durch das Schreiben des Gerichts habe er Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erlangt. Er habe zuvor keine Kenntnis davon gehabt, dass die Erbschaft durch das bisherige Verhalten als angenommen gelte. Insbesondere sei ihm nicht bekannt gewesen, dass die Ausschlagung der Erbschaft innerhalb einer Frist gegenüber dem Nachlassgericht zu dessen Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form zu erklären sei. Sein Betreuer mit dem
Aufgabenkreis Vermögenssorge und
Einwilligungsvorbehalt stimmte der Erklärung zu und beantragte die betreuungsgerichtliche Genehmigung, die mit Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 7. August 2024 erteilt wurde.
Mit Beschluss vom 11. September 2024 hat das Amtsgericht die aufgrund des Antrags vom 26. April 2024 zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Ausschlagung des Betreuten bzw. Anfechtung der Annahme seien nicht wirksam; die Ausschlagungsfrist sei zum Zeitpunkt der Erklärung bereits abgelaufen gewesen. Für die Kenntnis komme es darauf an, wer von beiden, Betreuer oder Betreuter, zuerst Kenntnis erhalten hätten. Dies sei vorliegend der Betreuer gewesen, der spätestens mit dem von ihm am 1. März 2024 quittierten Empfang des Schreibens vom 29. Februar 2024 Kenntnis erlangt habe, dass sein Betreuter als Neffe der Erblasserin Miterbe geworden sei und dass der Nachlass überschuldet sei.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Betreuers vom 10. Oktober 2024. Der angefochtene Beschluss leide an einer grundsätzlichen Verkennung der Funktion der rechtlichen Betreuung und der weiterhin bestehenden Eigenständigkeit des Betroffenen. Es komme allein darauf an, ob und wann der Betroffene Kenntnis erlangt habe. Für die Zurechnung einer etwaigen früheren Kenntnis des Betreuers durch das Quittieren des Erhalts des Schreibens des Beteiligten zu 1 vom 29. Februar 2024 sei kein Raum, wobei zweifelhaft sei, ob mit diesem Schreiben überhaupt positive Kenntnis habe eintreten können.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 4. November 2024 der Beschwerde nicht abgeholfen.
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