Tarifvertraglich vorgesehene Umkleidezeiten im Rettungsdienst gelten als vergütungspflichtige
Arbeitszeit. Sie sind auch dann zu berücksichtigen, wenn Beschäftigte infolge von Krankheit oder
Urlaub an der tatsächlichen Arbeitsleistung verhindert sind. Maßgeblich ist, dass die Umkleidezeiten eine Form von
Arbeitsvergütung darstellen, die den Umfang der Sollarbeitszeit verringert und deshalb dem Entgeltausfallprinzip unterliegt.
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (
§ 3 Abs. 1,
§ 4 Abs. 1 EFZG) verpflichtet den
Arbeitgeber, im Krankheitsfall das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das der
Arbeitnehmer ohne
Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte. Da die tarifliche Zeitgutschrift für Umkleidezeiten eine andere Form der Vergütung ist, ist sie Teil des fortzuzahlenden Entgelts. Der Arbeitnehmer darf während krankheitsbedingter Abwesenheit keine wirtschaftliche Einbuße dadurch erfahren, dass ihm diese Gutschrift nicht gewährt wird. Die Umkleidezeit ist damit ein stetiger Vergütungsbestandteil im Sinne des
Tarifvertrags (§ 16 Abs. 2 Satz 1 MTV).
Eine abweichende Regelung im Manteltarifvertrag lag vorliegend nicht vor. Weder § 11 MTV über die Arbeitszeitflexibilisierung noch § 23 MTV zur Vergütung des An- und Ablegens der Schutzkleidung enthalten eine Bestimmung, die die Umkleidezeit von der Entgeltfortzahlung ausschließt. Auch § 16 MTV zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthält keine abweichende Bemessungsgrundlage, die den Anspruch auf Zeitgutschriften für Umkleidezeiten entfallen ließe.
Gleiches gilt für den Urlaubszeitraum. Nach
§ 1 BUrlG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 und 2 MTV ist das Urlaubsentgelt so zu bemessen, dass es dem gewöhnlichen Arbeitsentgelt entspricht. Das unionsrechtliche Prinzip der Wertgleichheit verlangt, dass Arbeitnehmer während des Urlaubs ein Entgelt erhalten, das dem in Arbeitszeiten üblichen entspricht. Das Urlaubsentgelt darf daher nicht geringer sein, nur weil die tariflich vorgesehene Zeitgutschrift für Umkleidezeiten entfällt. Das Ergebnis entspricht auch der unionsrechtlichen Vorgabe, wonach Urlaubsvergütung und Arbeitsvergütung inhaltlich identisch sein müssen (EuGH, 13.01.2022 - Az:
C-514/20; EuGH, 13.12.2018 - Az:
C-385/17).