Rechtsfrage klären? Wir beraten per   E-Mail  -   Video  -   Telefon  -   WhatsAppBewertung: - bereits 396.462 Anfragen

Betriebsrat: Rechte und Pflichten und die Mitbestimmung im Betrieb

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 16 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Die Aufgabe des Betriebsrates ist es, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren und zu vertreten. Dabei handelt der Betriebsrat als gleichberechtigter Partner in vielen betrieblichen Belangen. Der Gesetzgeber hat dem Betriebsrat im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vielfältige Beteiligungsrechte bei Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers eingeräumt. Doch wie weit reichen diese Befugnisse im Detail, wo endet die Mitbestimmung bei modernen Arbeitsmitteln wie KI oder Smartphones und wie schützt das Gesetz die Amtsträger?

Stufen der Beteiligung: Von Information bis Mitbestimmung

Die Rechte des Betriebsrats sind im Gesetz abgestuft geregelt. Die schwächste Form ist das Unterrichtungs- und Informationsrecht. Hierbei muss der Arbeitgeber das Gremium rechtzeitig und umfassend informieren, beispielsweise über Fragen des Arbeitsschutzes, der Unfallverhütung oder der Personalplanung. Eine Stufe weiter geht das Beratungsrecht. Hier muss der Arbeitgeber Maßnahmen nicht nur mitteilen, sondern diese mit den Arbeitnehmervertretern erörtern. Dies greift etwa bei Bauplanungen, der Einführung neuer technischer Anlagen, Änderungen der Arbeitsverfahren oder Maßnahmen zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung gemäß den §§ 9092 und 92a BetrVG.

Das schärfste Schwert der Arbeitnehmervertretung ist jedoch das echte Mitbestimmungsrecht, insbesondere geregelt in § 87 BetrVG. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber ohne die Zustimmung des Betriebsrats keine wirksamen Anordnungen treffen. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Einigungsstelle, deren Spruch die Einigung der Parteien ersetzt. Zu den klassischen mitbestimmungspflichtigen Themen gehören die Verteilung der täglichen Arbeitszeit, Urlaubsgrundsätze, Zeit und Ort der Gehaltszahlung sowie die Ausgestaltung von Sozialeinrichtungen wie Werkswohnungen. Die Rechte des Betriebsrates dürfen dabei nicht eingeschränkt werden und ein Verzicht auf diese Beteiligungsrechte darf nicht im Voraus erfolgen.

Wahl des Betriebsrats und seine Zusammensetzung

Ein Betriebsrat kann in Betrieben mit mindestens fünf ständigen aktiv wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei auch passiv wahlberechtigt sind, gewählt werden. Aktives Wahlrecht haben Arbeitnehmer über 18 Jahren, das passive Wahlrecht setzt eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten voraus. Die Größe und Zusammensetzung des Betriebsrats hängt von der Betriebsgröße ab. Bei 5-20 wahlberechtigten Arbeitnehmern gibt es nur einen Betriebsrat.

Das Wahlverfahren beginnt mit der Bildung eines Wahlvorstandes, der die Wahl durchführt. Die regelmäßige Amtszeit der Betriebsräte beträgt vier Jahre. Die Tätigkeit der Betriebsräte ist ehrenamtlich. Mitglieder haben Anspruch auf Befreiung von Berufstätigkeit soweit erforderlich. Vollkommen freigestellte Betriebsräte gibt es erst bei Betrieben ab 200 Arbeitnehmern.

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des fraglichen Betriebes, sofern diese das 18. Lebensjahr vollendet haben sowie Leiharbeiter, die mindestens drei Monate im Betrieb beschäftigt sind. Alle Arbeitnehmer, die dem Betrieb sechs Monate angehören, oder über diesen Zeitraum in Heimarbeit hauptsächlich für den Betrieb tätig waren, sind wählbar.

Grenzen der Mitbestimmung

In der Praxis entzündet sich Streit häufig an der Frage, ob eine Weisung des Arbeitgebers das sogenannte Ordnungsverhalten oder das Arbeitsverhalten betrifft. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Ordnungsverhalten berührt das kollektive Miteinander und das Zusammenleben der Belegschaft. Demgegenüber sind Weisungen, die das Arbeitsverhalten betreffen – also die Art und Weise, wie die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen ist – grundsätzlich mitbestimmungsfrei, da sie das Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisieren.

Die Rechtsprechung hat diese Abgrenzung in jüngster Zeit bei Themen wie Rauchverboten und Smartphone-Nutzung präzisiert. So entschied das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, dass die Anordnung eines Arbeitgebers, Rauchen sei nur in den festgelegten Pausen gestattet, nicht der Mitbestimmung unterliegt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 29.03.2022 - Az: 5 TaBV 12/21). Eine solche Regelung dient der Einhaltung der Arbeitszeit und betrifft somit ausschließlich das Arbeitsverhalten, da während des Rauchens keine Arbeitsleistung erbracht wird. Solange der Arbeitgeber lediglich die Einhaltung der Arbeitspflicht einfordert und keine darüber hinausgehenden Verhaltensregeln für die Pausen aufstellt, bleibt das Direktionsrecht maßgeblich.

Ähnliches gilt für die private Nutzung von Smartphones. Untersagt der Arbeitgeber die private Handynutzung während der Arbeitszeit, um ein konzentriertes Arbeiten sicherzustellen, so ist dies ebenfalls dem Arbeitsverhalten zuzurechnen und damit mitbestimmungsfrei (vgl. BAG, 17.10.2023 - Az: 1 ABR 24/22). Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass die Ablenkung durch Messengerdienste, soziale Medien oder Spiele die Arbeitsleistung unmittelbar beeinträchtigt. Selbst wenn ein solches Verbot Auswirkungen auf das soziale Miteinander haben kann, überwiegt der Regelungszweck der Sicherstellung der Arbeitsleistung, weshalb der Betriebsrat hier kein Vetorecht hat.

Moderne Arbeitskonzepte: Desk Sharing und Mobile Arbeit

Auch die Einführung neuer Arbeitskonzepte beschäftigt die Gerichte. Beim Thema „Mobile Arbeit“ ist strikt zu differenzieren: Die Entscheidung, „ob“ mobile Arbeit überhaupt eingeführt wird, liegt weitgehend beim Arbeitgeber. Sobald jedoch mobile Arbeit gestattet wird, unterliegt die Ausgestaltung – das „Wie“ – der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG (vgl. LAG München, 10.08.2023 - Az: 8 TaBVGa 6/23). Dies umfasst beispielsweise Regelungen darüber, an wie vielen Tagen Anwesenheitspflicht im Büro besteht oder wie flexibel die Tage gewählt werden können. Der Betriebsrat hat hier einen einklagbaren Unterlassungsanspruch, wenn der Arbeitgeber das „Wie“ einseitig diktiert.

Beim sogenannten Desk Sharing, also dem Teilen von Arbeitsplätzen, und einer damit oft einhergehenden „Clean Desk Policy“ (Arbeitsplatz muss leer hinterlassen werden), kommt es auf den Einzelfall an. Die Einführung von Desk Sharing als solches ist nicht zwingend als Ganzes mitbestimmungspflichtig (vgl. LAG Baden-Württemberg, 06.08.2024 - Az: 21 TaBV 7/24). Allerdings können konkrete Vorgaben, etwa zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände oder zur Nutzung von Flächen, die Ordnung des Betriebs betreffen und damit das Mitbestimmungsrecht auslösen.

Auch bei Dienstwagenregelungen muss genau hingesehen werden. Räumt der Arbeitgeber die Privatnutzung von Dienstwagen ein, sind Einzelheiten hierfür mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn die Kosten nicht vollständig an den Arbeitnehmer weitergegeben werden. Will der Arbeitgeber dies jedoch konzernweit einheitlich regeln, steht das Mitbestimmungsrecht dem Konzernbetriebsrat und nicht dem lokalen Betriebsrat zu (vgl. LAG Nürnberg, 06.09.2022 - Az: 1 TaBV 4/22).

Überwachung von Arbeitnehmern

Ein besonders sensibles Feld ist die Einführung technischer Einrichtungen, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer geeignet sind (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Hier ist die Rechtsprechung strikt. So entschied das Bundesarbeitsgericht, dass ein Headset-System, welches Vorgesetzten das Mithören von Gesprächen ermöglicht, mitbestimmungspflichtig ist (BAG, 16.07.2024 - Az: 1 ABR 16/23). Entscheidend ist dabei nicht, ob Gespräche tatsächlich aufgezeichnet oder gespeichert werden, sondern der durch die technische Möglichkeit erzeugte Überwachungsdruck. Bereits die Eignung zur Überwachung genügt. Interessant ist hierbei auch die Zuständigkeit: Wenn ein solches System unternehmenseinheitlich über eine zentrale IT gesteuert wird (z.B. ein zentrales Portal), liegt die Zuständigkeit für die Mitbestimmung oft beim Gesamtbetriebsrat.

Anders wurde hingegen der Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT bewertet. Richtlinien zur Nutzung solcher Tools durch Arbeitnehmer gelten primär als Arbeitsanweisung (Arbeitsverhalten) und unterliegen oft nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (vgl. ArbG Hamburg, 16.01.2024 - Az: 24 BVGa 1/24). Auch eine Überwachung nach Nr. 6 liegt nicht vor, wenn die Nutzung über private Accounts der Mitarbeiter erfolgt und der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die Daten beim Anbieter der KI hat. Zwar speichert der Webbrowser Verläufe, was theoretisch eine Überwachung ermöglicht, doch ist dies meist bereits durch bestehende Betriebsvereinbarungen zur IT-Nutzung abgedeckt.

Kontrollrechte und Informationszugang

Der Betriebsrat hat ferner ein weitreichendes Überwachungs- und Antragsrecht. Er wacht darüber, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Dies gilt auch für Gehaltslisten. Der Betriebsausschuss hat nach § 80 Abs. 2 BetrVG das Recht, Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter zu nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass diese Listen nicht anonymisiert sein dürfen (BAG, 07.05.2019 - Az: 1 ABR 53/17). Nur durch die Kenntnis der Klarnamen und der effektiv gezahlten Vergütungen kann der Betriebsrat prüfen, ob innerbetriebliche Lohngerechtigkeit herrscht und der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird.

Etwas differenzierter ist die Lage beim Entgelttransparenzgesetz. Zwar ist der Betriebsrat grundsätzlich in die Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit eingebunden, doch wenn der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung gegenüber den Beschäftigten generell selbst übernimmt, entfällt das Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrats in die spezifischen Listen für diesen Zweck (vgl. BAG, 28.07.2020 - Az: 1 ABR 6/19).

Ein weiteres wichtiges Feld ist die Arbeitszeiterfassung. Auch bei Vertrauensarbeitszeit im Außendienst kann der örtliche Betriebsrat Auskunft über Arbeitszeiten, Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen (vgl. LAG München, 11.07.2022 - Az: 4 TaBV 9/22). Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, er würde die Zeiten nicht erfassen wollen oder können. Zumindest die Aufzeichnungen über Arbeitszeiten, die über acht Stunden hinausgehen (gemäß § 16 ArbZG), müssen dem Betriebsrat zugänglich gemacht werden, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu überwachen.

Schutz der Mandatsträger und die Kosten der Amtsführung

Damit der Betriebsrat seine Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann, genießen seine Mitglieder einen besonderen Schutz. Die Tätigkeit ist ehrenamtlich und die Mitglieder sind von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, soweit dies für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. In größeren Betrieben ab 200 Arbeitnehmern sind Mitglieder sogar vollständig freizustellen. Während der Amtszeit und bis zu einem Jahr danach genießen Betriebsratsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 KSchG.

Der Arbeitgeber darf die Betriebsratsarbeit nicht behindern. Eine Behinderung liegt bereits vor, wenn der Arbeitgeber Betriebsratsmitgliedern oder Ersatzmitgliedern mit Gehaltskürzungen droht, sollten diese an Sitzungen teilnehmen, deren Erforderlichkeit der Arbeitgeber anzweifelt. Das Landesarbeitsgericht München stellte klar, dass dem Betriebsrat in solchen Fällen ein Unterlassungsanspruch zusteht (LAG München, 01.08.2023 - Az: 7 TaBV 17/23). Die Androhung von Sanktionen gefährdet die Funktionsfähigkeit des Gremiums massiv und stellt eine unzulässige Beeinflussung dar.

Die Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen, trägt der Arbeitgeber. Dies umfasst auch erforderliche Sachmittel. Interessant ist hierbei, dass auch einzelne Betriebsratsmitglieder unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Ausstattung geltend machen können. So wurde entschieden, dass einzelne Mitglieder Anspruch auf eine eigene E-Mail-Adresse haben können, die auch externe Kommunikation ermöglicht (vgl. LAG Niedersachsen, 25.04.2025 - Az: 17 TaBV 62/24). Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Kommunikation sonst nicht vertraulich oder effektiv möglich wäre und das Gremium als Ganzes untätig bleibt.
Stand: 27.11.2025
Feedback zu diesem Tipp

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von Radio PSR

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.242 Bewertungen) - Bereits 396.462 Beratungsanfragen

Man wird sehr gut beraten. Und man bekommt schnell eine Antwort.Danke☺️

Verifizierter Mandant

Sehr gut und ausführlich, per E-Mail beraten.

Kraus , Suhl