Verkehrsunfall? Mit einer ➠ Unfallregulierung Ansprüche unkompliziert geltend machen!Nach einem
Verkehrsunfall erwarten Geschädigte in der Regel, dass der entstandene Schaden vollständig ersetzt wird. Doch wenn es am Fahrzeug Vorschäden gibt, kommt es schnell zum Streit hinsichtlich der Schadensregulierung - insbesondere dann, wenn diese im gleichen Fahrzeugbereich liegen. Manchmal führt dies am Ende sogar dazu, dass der Geschädigte gar keinen Schadensersatz bekommt.
Was ist ein Vorschaden?
Ein Vorschaden ist eine frühere Beschädigung an einem Fahrzeug, die noch vor dem aktuellen Unfallereignis eingetreten ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der frühere Schaden vollständig, teilweise oder gar nicht repariert wurde - entscheidend ist, dass er für die Beurteilung des geltend gemachten Unfallschadens von Bedeutung sein kann.
Je nach Lage und Umfang des Vorschadens ist es möglich, dass ein Teil des geltend gemachten Schadens gar nicht auf das aktuelle Unfallereignis zurückzuführen ist. Deshalb müssen Vorschäden im Rahmen der Schadensregulierung berücksichtigt werden. Der Geschädigte kann nur die Kosten ersetzt verlangen, die zur Beseitigung des dem Unfallereignis zuzuordnenden Schadenumfangs erforderlich sind.
Offenlegungspflicht des Geschädigten
Grundsätzlich trifft den Geschädigten eine Offenlegungspflicht hinsichtlich bestehender Vorschäden. Die Offenlegung dient der Klärung, ob der Schaden tatsächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist oder ob (ggf. teilweise) ein früherer Schaden geltend gemacht wird.
Wird die Frage nach Vorschäden wahrheitswidrig verneint oder unvollständig beantwortet, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass der gesamte Schadenersatzanspruch entfällt – selbst wenn der aktuelle Unfall unstreitig war. Ein Unfallgeschädigter hat nämlich keinen Anspruch auf Ersatz von Unfallschäden, wenn nicht alle Schäden am Fahrzeug auf das (behauptete) Unfallereignis zurückzuführen sind und keine Angaben zu eventuellen Vorschäden gemacht oder ein Vorschaden bestritten wird (LG Köln, 23.10.2015 - Az:
7 O 53/13).
Ein Verschweigen kann sich auch auf die Einstandspflicht einer
Vollkaskoversicherung auswirken. Verschweigt ein Versicherungsnehmer in seiner Schadensanzeige einen Vorschaden, so muss die Vollkaskoversicherung regelmäßig nicht zahlen. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Schadensfall von der Versicherung selbst reguliert wurde. Für die Leistungsbefreiung ist ausschließlich erheblich, dass seitens des Versicherungsnehmers die Aufklärungspflichten vorsätzlich verletzt wurden (LG Coburg, 19.02.2003 - Az:
12 O 884/02).
Darlegungs- und Beweislast im Schadensersatzprozess
Kommt es zum Streit über die Schadenshöhe, landet der Fall nicht selten vor Gericht. Dann wird entscheidend, wer was beweisen kann. Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden.
Wird bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Beschädigung eines Fahrzeugs seitens des Schädigers oder seiner Versicherung das Bestehen von überlagerten Vorschäden eingewandt, so obliegt dem Geschädigten die Last der Darlegung und des Nachweises nach dem Maßstab des § 287 ZPO, dass die Beschädigung seines Pkw unfallbedingt ist und nicht als Vorschaden bereits vor dem Unfall vorhanden war (OLG Bremen, 30.06.2021 - Az:
1 U 90/19).
Bei vorhandenen Vorschäden muss der Geschädigte also die Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und den danach vorliegenden neuen Schäden darlegen und gegebenenfalls auch beweisen. Hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher entstanden sind. Behauptet er in diesem Zusammenhang, dass der vorhandene Vorschaden durch eine fachgerechte Reparatur beseitigt worden ist, so muss er hinreichend konkret darlegen und beweisen, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkrete Reparaturmaßnahme fachgerecht behoben worden sein soll. Kann er dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten - und zwar auch dann, wenn er das Fahrzeug bereits mit dem Vorschaden erworben haben sollte (LG Essen, 01.07.2014 - Az:
8 O 243/13).
Der Geschädigte kann kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn jedenfalls nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des § 287 ZPO auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen des Vorschadens entstanden sind (AG Neuss, 03.08.2016 - Az:
80 C 2068/15).
Der Geschädigte, der Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes begehrt, muss bei Vorschäden im erneut beschädigten Bereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs noch vorhanden waren, wofür er im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss (KG, 27.08.2015 - Az:
22 U 152/14).
Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls ist bezüglich des Kfz-Schadens verpflichtet, die Vorschäden im Einzelnen, d.h. die konkret beschädigten Fahrzeugteile und die Art ihrer Beschädigung sowie die für die Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte und die tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeiten schlüssig darzulegen (OLG Köln, 17.01.2017 - Az:
11 W 1/17).
Die bloße Einreichung von Sachverständigengutachten und Reparaturbescheinigungen ohne Schilderung des Schadensbildes und des Reparaturweges gereicht der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kausalität des geltend gemachten Schadens nicht. Selbst kompatible Schäden sind darin nicht ersatzfähig, wenn, wie hier, die Möglichkeit besteht, dass sie auch aus einem anderen Schadensereignis herrühren können (AG Essen, 16.03.2012 - Az:
29 C 356/10).
Was gilt bei Unkenntnis eines Vorschadens?
Soweit der Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und die beschädigte Sache in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann es ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Er ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (BGH, 15.10.2019 - Az:
VI ZR 377/18; OLG Celle, 03.11.2021 - Az:
14 U 86/21).
Bedeutung für das Sachverständigengutachten
Auch im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung ist die Kenntnis über Vorschäden von zentraler Bedeutung - insbesondere für den beauftragten Kfz-Sachverständigen. Denn nur wenn diesem alle relevanten Informationen vorliegen, kann er eine präzise Schadensschätzung vornehmen.
Ein professionelles Schadensgutachten berücksichtigt vorhandene Vorschäden, grenzt sie vom aktuellen Schaden ab und schätzt ggf. die durch den neuen Unfall entstandenen Mehrkosten. Wird ein Vorschaden nicht angegeben, kann dies die Aussagekraft des Gutachtens mindern oder zu einer Rückforderung durch den Versicherer führen, falls sich später ein nicht deklarierter Vorschaden herausstellt.
Die praktische Schwierigkeit liegt häufig in der technischen Abgrenzung. Ist ein Bauteil bereits durch einen Vorschaden in Mitleidenschaft gezogen worden, kann es sein, dass ein neuer Schaden schwer isolierbar ist. Hier bedarf es einer präzisen Begutachtung durch Sachverständige, die sowohl alte als auch neue Schadensbilder dokumentieren und gegeneinander abgrenzen.
Wurde ein Vorschaden vollständig und fachgerecht repariert, ist dies zu dokumentieren (z. B. durch Rechnung oder Lichtbilder). Dann steht der Geltendmachung eines neuen Schadens grundsätzlich nichts im Wege - vorausgesetzt, der neue Schaden lässt sich klar und nachvollziehbar abgrenzen.
Es ist arglistig und verletzt die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers, wenn er einem von der Versicherung beauftragten Gutachter verschweigt, das Vorschäden bestanden, weil der Versicherungsnehmer annimmt, diese seien irrelevant. Die fehlerhafte Beantwortung der Frage des Sachverständigen begründet eine eigenständige Obliegenheitsverletzung, diese wird auch durch die abweichende Angabe in der Schadensanzeige nicht ausgeräumt (LG Saarbrücken, 06.09.2011 - Az:
14 S 2/11).
Hat ein Unfallgeschädigter die Ungeeignetheit des Gutachtens zu vertreten, weil er erhebliche Vorschäden verschwiegen hat und der Sachverständige deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt, so führt dies dazu, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens nicht vom Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung zu ersetzen sind.