Die Parteien streiten über Ansprüche nach der
Insolvenz von A und deren Tochtergesellschaften.
Der Kläger hat über den
Reiseveranstalter B zwei
Pauschalreisen vom 14.12.20219 bis 26.12.2019 in zwei separaten Buchungen gebucht und den
Reisepreis in Höhe von insgesamt 2.693,00 EUR bezahlt. Aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters wurde die Reise storniert. Gemäß dem
Sicherungsschein für Pauschalreisen hat der Kläger seine Ansprüche auf Rückzahlung des Reisepreises gegenüber der Abwicklungsgesellschaft C AG, die für die Beklagte tätig ist, geltend gemacht.
Die Beklagte leistete lediglich eine Teilzahlung in Höhe von 710,42 EUR. Diese Teilzahlung beruht auf einer Begrenzung der Haftungssumme auf 110 Millionen Euro und einen Vorab-Abzug für Repatriierungskosten in Höhe von 59,6 Millionen Euro.
Der Kläger forderte mit anwaltlichen Schreiben vom 25.04.2021 die Beklagte vorgerichtlich zur Zahlung des klageweise geltend gemachten Restbetrages von 1.982.58 EUR auf. Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht.
Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Begrenzung der Versicherungssumme auf 110 Millionen EUR nicht rechtmäßig ist.
§ 651 r III Satz 3 BGB müsse richtlinienkonform im Sinne der
Pauschalreiserichtlinie ausgelegt werden mit der Folge, dass die summenmäßige Begrenzung der Erstattungspflicht gegenüber dem Kunden entfallen müsse.
Zudem sei selbst bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Begrenzung jedenfalls die Versicherungssumme aus zwei Geschäftsjahren maßgebend da die Insolvenz beziehungsweise die Absage der Reisen nicht nur das Geschäftsjahr der Beklagten vom 01.11.2018 – 31.10.2019, sondern auch das Geschäftsjahr vom 01.11.2019 – 31.10.2020 betroffen habe.
Daher müsse die Beklagte bei der Berechnung der Quote jedenfalls eine Versicherungssumme von insgesamt 220 Millionen EUR zugrunde legen.
Der Kläger ist ferner der Ansicht, die Repatriierungskosten seien nicht bei der Versicherungssumme zu berücksichtigen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Versicherungssumme entsprechend des klaren Wortlauts des § 651 r BGB auf 110 Millionen EUR begrenzen zu können. Auch hafte sie nur für ein Geschäftsjahr, da die Erstattungsansprüche allesamt im Geschäftsjahr 2018 / 2019, dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit, entstanden sind. Ferner habe sie in zulässiger Weise die für die Repatriierung gestrandeter Reisen erforderlichen Kosten in Abzug gebracht.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 1.982,58 EUR aufgrund des bestehenden Versicherungsverhältnisses in Verbindung mit § 651r III Satz 2 BGB a.F.
Nach § 651r Abs. 1 BGB a.F. ist der Reiseveranstalter verpflichtet, im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit die Erstattung des Reisepreises sicherzustellen, was gemäß § 651r Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. durch eine Versicherung erfüllt werden kann. Gemäß § 651r Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. hat der Versicherer den Erstattungsanspruch des Reisenden unverzüglich nach Geltendmachung zu erfüllen.
Zwar kann gemäß dem Wortlaut des § 651 r Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. der Versicherer die Haftung für die in einem Geschäftsjahr insgesamt nach diesem Gesetz zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift – wie vielfach diskutiert – richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass sie gegenüber dem Reisenden keine Wirkung entfaltet. Denn jedenfalls sind die Repatriierungskosten nicht zu den „zu erstattenden Beträgen“ in diesem Sinne zu fassen. Es ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, dass sich diese Limitierungsmöglichkeit lediglich auf die Fälle des § 651 r I Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB, also die Erstattung des Reisepreises bezieht.
Zwar ist der Versicherer gemäß § 651 r Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. auch verpflichtet, die vereinbarte Rückbeförderung und die Beherbergung bis zur Rückbeförderung sicherzustellen. Diese Pflicht ist jedoch keine Erstattungs-, sondern originäre Einstandspflicht. Dieses Verständnis des § 651 r BGB a.F. stimmt auch mit dem Sinn und Zweck des der Vorschrift zugrundeliegenden Artikel 17 der Pauschalreiserichtlinie (EU 2015/2302) überein, der ebenfalls zwischen Erstattungsansprüchen und der Sicherstellung der Rückbeförderung sowie Finanzierung von Unterkünften vor dem Rücktransport unterscheidet.
Zudem statuiert Art. 17 der Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302, dass die Rückbeförderung für die Passagiere kostenlos erfolgen muss. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn die Rückbeförderung die Reduzierung des Rückzahlungsanspruchs zur Folge hätte.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein dahingehender Wille des Gesetzgebers nicht zu erkennen. Es ist auch kein systematischer Grund erkennbar, warum ein Auseinanderfallen des Anspruchs auf Erstattung des Reisepreises einerseits und des Anspruchs auf Rückholung andererseits nicht möglich sein sollte oder eine gemeinsame Quotierung erfolgen müsste.
Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass der Anspruch auf Rückforderung besonders dringlicher Natur und vorrangig zu befriedigen ist. Dies führt jedoch nicht im Rückschluss dazu, dass die entsprechenden Kosten im Rahmen der Haftungsbegrenzung auf die Reisenden abgewälzt werden.
Auch das Argument der Beklagten, der Gesetzgeber hätte explizit darauf hinweisen müssen, falls eine unbegrenzte Haftung für die Repatriierungskosten begründet werden sollte, überzeugt nicht. Die Beklagte führt an anderer Stelle zutreffend aus, dass eine Vorschrift auch dann anzuwenden ist, auch wenn der Gesetzgeber möglicherweise einige Aspekte – wie z.B. entgegenstehendes Gemeinschaftsrecht – bei der Verabschiedung übersehen hat.
Die geltend gemachten Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger zu unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280, 286, 288, 249 BGB.