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Pferdepensionsvertrag: Verwahrung oder Miete – was gilt bei Haftung und Kündigung?

Pferderecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Nicht jeder Pferdebesitzer verfügt über die Möglichkeit, sein Pferd in Eigenregie unterzubringen und zu versorgen. Daher werden Pferde häufig auf der Grundlage eines Pferdepensionsvertrages in einem Reitstall eingestellt. Die rechtliche Einordnung eines solchen Vertrages ist jedoch komplexer, als es zunächst erscheinen mag, und hat weitreichende Folgen für die Rechte und Pflichten von Stallbetreibern und Pferdebesitzern - insbesondere bei Haftungsfragen im Falle einer Verletzung des Tieres und bei der Kündigung des Vertrages.

Rechtliche Einordnung des Pferdepensionsvertrags

Ein Pferdepensionsvertrag ist in der Regel ein sogenannter typengemischter Vertrag. Er vereint Elemente aus verschiedenen gesetzlichen Vertragstypen. Die Überlassung der Pferdebox weist mietvertragliche Züge auf, während Leistungen wie Fütterung, Ausmisten und Versorgung dienstvertragliche oder verwahrungsrechtliche Elemente enthalten.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein solcher gemischter Vertrag jedoch als einheitliches Ganzes zu betrachten und kann nicht in seine Einzelteile zerlegt werden, auf die dann das jeweilige spezielle Vertragsrecht Anwendung fände. Stattdessen ist der Vertrag dem Rechtsgebiet zuzuordnen, in dessen Bereich der Schwerpunkt der vereinbarten Leistungen liegt.

Bei einem typischen Pferdepensionsvertrag, der neben der Bereitstellung einer Box auch die Fütterung, das Entmisten und die allgemeine Versorgung des Pferdes umfasst, liegt der vertragliche Schwerpunkt regelmäßig im Verwahrungsrecht. Im Vordergrund steht nicht die Miete einer bestimmten, festgelegten Fläche, sondern die Übernahme der Obhut und Fürsorge für das Tier. Diese Obhuts- und Fürsorgepflichten sind vertragswesentlich und prägen den Charakter des Vertrages (vgl. OLG Brandenburg, 28.06.2006 - Az: 13 U 138/05). Das mietrechtliche Element tritt dahinter zurück, zumal die Gewährung von Raum bereits eine typische Leistung eines Verwahrungsvertrages ist. Ein Indiz, das gegen den Schwerpunkt im Mietrecht spricht, ist häufig die vertragliche Regelung, dass der Stallbetreiber dem Einsteller auch eine andere als die ursprünglich zugewiesene Box zuteilen kann (vgl. BGH, 02.10.2019 - Az: XII ZR 8/19).

Ein Schwerpunkt im Dienstvertragsrecht kann dann anzunehmen sein, wenn besondere ausbilderische Leistungen wie der Beritt, die Ausbildung für Turniere oder die Turniervorstellung im Vordergrund stehen und die reine Unterbringung und Fütterung daneben nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGH, 02.10.2019 - Az: XII ZR 8/19). Bei einem Standard-Pensionsvertrag ohne solche Zusatzleistungen ist jedoch von einem Verwahrungsvertrag gemäß § 688 BGB auszugehen.

Die genaue rechtliche Einordnung hängt stets vom konkreten Inhalt des jeweiligen Vertrages ab. Es ist stets auf die im Einzelfall überwiegenden Leistungen. Daher kann es sowohl zu einer Einstufung als Verwahrungs-, als auch als Miet- oder Dienstvertrag kommen, je nach Vereinbarung der Parteien und tatsächlicher Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses.

Haftung des Stallbetreibers bei Verletzung des Pferdes

Die Einordnung als Verwahrungsvertrag hat erhebliche Konsequenzen für die Haftung des Stallbetreibers. Die Hauptpflicht des Verwahrers besteht darin, das ihm anvertraute Tier sorgfältig zu beaufsichtigen und unversehrt zurückzugeben. Verletzt sich das Pferd, während es sich in der Obhut des Stallbetreibers befindet, greift eine für den Pferdebesitzer vorteilhafte Beweislastumkehr.

Diese Umkehr der Beweislast bedeutet, dass nicht der Pferdebesitzer beweisen muss, dass der Stallbetreiber eine Pflichtverletzung begangen hat. Vielmehr wird eine Pflichtverletzung zunächst vermutet. Der Stallbetreiber muss sich entlasten, indem er darlegt und beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Er muss also aufklären, wie es zu der Verletzung kam, und nachweisen, dass die Ursache nicht in seinem Verantwortungsbereich lag oder er alle erforderlichen Sorgfaltspflichten beachtet hat (vgl. OLG Frankfurt, 14.09.2017 - Az: 15 U 21/16). Der Umfang der geschuldeten Sorgfalt richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Tieres und den vertraglichen Absprachen. Die Rechtsprechung verlangt insbesondere, dass auf besondere Anfälligkeiten, Krankheiten oder Eigenarten des Tieres Rücksicht genommen wird, soweit diese dem Stallbetreiber bekannt sind oder bekannt sein mussten. Kann die genaue Ursache nicht geklärt werden, muss der Verwahrer beweisen, dass er die ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat und keine ernsthafte Möglichkeit eines Vertretenmüssens auf seiner Seite verbleibt.

Es bleibt zu beachten, dass eine Haftungsbegrenzung oder Haftungsausschluss im Vertrag grundsätzlich zulässig, jedoch nach den Maßstäben des § 309 und § 307 BGB einer Inhaltskontrolle unterliegt. Für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten kann die Haftung jedoch nicht wirksam ausgeschlossen werden.

Die Beweislastumkehr hat jedoch Grenzen. Sie bezieht sich auf das Verschulden für eine Pflichtverletzung, entbindet den Pferdebesitzer aber nicht davon, den Ursachenzusammenhang zwischen einer konkreten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden darzulegen und zu beweisen. So entschied das Landgericht Ravensburg, dass der Eigentümer eines Pferdes, das an einer Kolik verstarb, beweisen müsse, dass das Tier bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Stallbetreibers – etwa einer früheren Hinzuziehung des Tierarztes – nicht gestorben wäre. Eine Beweislastumkehr hinsichtlich dieses Kausalzusammenhangs findet nicht statt (LG Ravensburg, 01.12.2023 - Az: 5 O 293/22).

Vertragliche Pflichten und Kündigung aus wichtigem Grund

Neben der allgemeinen Obhutspflicht ergeben sich die konkreten Leistungspflichten aus dem geschlossenen Vertrag. Werden diese Pflichten verletzt, kann dies unter Umständen eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 314 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die Anforderungen hierfür sind hoch. Das Landgericht Wuppertal hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Pferdebesitzerin fristlos kündigte, weil die Qualität des Heus nachgelassen hatte und der Stallbetreiber für die Zukunft keine Heulagefütterung mehr zusagen wollte, obwohl das Pferd allergisch war. Das Gericht wies die Kündigung als unwirksam zurück. Es argumentierte, dass zum Zeitpunkt der Kündigung noch Weidesaison war und die Frage der Heufütterung nicht akut war. Zudem sei eine bestimmte Heuqualität oder die Fütterung von Heulage keine vertragliche Kardinalpflicht gewesen, deren Verletzung eine sofortige Vertragsbeendigung rechtfertigen würde. Auch ein nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis konnte das Gericht nicht erkennen (LG Wuppertal, 23.05.2017 - Az: 16 S 63/16).

In einem anderen Fall stritten die Parteien über den vertraglich zugesicherten Weidegang. Als die Stallbetreiberin den Ponys einer Einstellerin den Zugang zur Weide verwehrte, beantragte diese eine einstweilige Verfügung. Das Gericht wies den Antrag jedoch zurück, da die Dringlichkeit nicht ausreichend glaubhaft gemacht wurde; es sei nicht ersichtlich, warum eine psychische Belastung der Tiere nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache durch anderweitige Bewegung abgewendet werden könne (AG München, 04.06.2021 - Az: 241 C 9143/21).

Ordentliche Kündigung und die vertraglichen Kündigungsfristen

Die wohl bedeutendste und in der Vergangenheit streitigste Frage war die Wirksamkeit von Kündigungsfristen in vorformulierten Pferdepensionsverträgen. Lange Zeit vertraten viele Instanzgerichte die Auffassung, dass solche Klauseln unwirksam seien. Sie begründeten dies mit der Einordnung des Vertrags als Verwahrungsvertrag und dem daraus folgenden § 695 S. 1 BGB. Diese Vorschrift besagt, dass der Hinterleger – also der Pferdebesitzer – die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern kann. Eine formularmäßige Kündigungsfrist, so die Argumentation, weiche von diesem wesentlichen Grundgedanken des Verwahrungsrechts ab und benachteilige den Pferdebesitzer unangemessen nach § 307 BGB (so z.B. noch LG Essen, 25.10.2018 - Az: 10 S 170/17).

Diese Rechtsprechung wurde jedoch durch den Bundesgerichtshof geändert. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 stellte der BGH klar, dass zwischen dem jederzeitigen Recht zur Rückforderung des Pferdes und der Kündigung des entgeltlichen Vertragsverhältnisses zu unterscheiden ist (BGH, 02.10.2019 - Az: XII ZR 8/19). Der Pferdebesitzer sei durch eine Kündigungsfrist nicht gehindert, sein Pferd jederzeit aus dem Stall zu nehmen. Die Klausel regele lediglich, dass die Pflicht zur Zahlung des Entgelts bis zum Ablauf der vereinbarten Frist fortbesteht.

Eine solche Regelung zur Fortzahlung der Vergütung sei im Verwahrungsrecht grundsätzlich zulässig, wie sich aus § 699 Abs. 2 BGB ergebe, der abweichende Vereinbarungen zur Vergütung bei vorzeitiger Beendigung explizit vorsieht. Bei der Prüfung, ob eine solche Kündigungsfrist eine unangemessene Benachteiligung darstellt, sei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei hat der Stallbetreiber ein berechtigtes Interesse an Planungssicherheit bezüglich der Belegung seiner Plätze und des damit verbundenen Personal- und Sachaufwands. Gleichzeitig schützt eine beiderseitige Kündigungsfrist auch den Pferdebesitzer. Ohne eine solche Frist könnte der Stallbetreiber bei einem unbefristeten Vertrag jederzeit die Rücknahme des Pferdes verlangen (§ 696 BGB), was den Einsteller vor erhebliche Probleme bei der Suche nach einem neuen Platz stellen könnte.

Der Bundesgerichtshof befand eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegte Kündigungsfrist von acht Wochen (knapp zwei Monate) zum Monatsende als wirksam. In einer Folgeentscheidung hat der BGH diese Linie bestätigt und sogar eine beiderseitige Kündigungsfrist von drei Monaten in einem Formularvertrag für noch zulässig erachtet (BGH, 12.02.2020 - Az: XII ZR 61/19). Dabei orientierte sich das Gericht an den Regelungen des Lagerrechts sowie des Mietrechts über Geschäftsräume. Damit ist die Rechtslage nunmehr geklärt: Formularvertraglich vereinbarte, angemessene Kündigungsfristen in Pferdepensionsverträgen sind grundsätzlich wirksam.
Stand: 07.10.2025
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Wow, innerhalb eines Tages eine Antwort bekommen. Ich habe nicht viel erwartet und dann kam eine richtig ausführliche Antwort. Damit kann ich erstmal ...

Erik, Oranienburg

Sehr gute Beratung danke.
Wirklich Zeit genommen bei der Analyse und nicht nur 2 Sätze was man nicht versteht.
Vielen lieben Dank

Andreas Maier , Bad Säckingen