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Einstellvertrag und Futterqualität: Rechte und Pflichten bei der Pferdefütterung

Pferderecht | Lesezeit: ca. 15 Minuten

Der Einstellvertrag bildet für die meisten Pferdehalter die rechtliche Grundlage für die Unterbringung ihres Tieres in einem Pensionsstall. Er regelt die wesentlichen Rechte und Pflichten zwischen dem Stallbetreiber und dem Einsteller. Während die Bereitstellung einer Box und die Möglichkeit zur Nutzung der Reitanlage klar geregelte Vertragspunkte sind, erweist sich in der Praxis ein anderer Aspekt als besonders konfliktträchtig: die Fütterung. Die Qualität des zur Verfügung gestellten Futters ist nicht nur entscheidend für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Pferdes, sondern auch eine vertragliche Hauptleistungspflicht des Stallbetreibers. Kommt es hier zu Mängeln, stehen dem Pferdebesitzer verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen. Doch welche Qualität darf ein Einsteller konkret erwarten und wie kann er seine Ansprüche durchsetzen, wenn das Futter nicht den Anforderungen entspricht?

Der Einstellvertrag: Welche Pflichten hat der Stallbetreiber?

Aus juristischer Sicht ist der typische Pensionspferdevertrag als ein sogenannter gemischter Vertrag einzuordnen. Er vereint Elemente aus verschiedenen Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), vornehmlich aus dem Mietrecht, dem Dienstvertragsrecht und dem Verwahrungsrecht. Der Stallbetreiber überlässt dem Einsteller eine Box zur Nutzung, was dem Mietvertrag (§ 535 BGB) entspricht. Die regelmäßige Fütterung, das Ausmisten und die tägliche Versorgung des Pferdes sind hingegen dem Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) zuzuordnen, da der Betreiber das Tier in seine Obhut nimmt. Bewegt der Stallbetreiber das Pferd darüber hinaus oder erteilt er Reitunterricht, kommen Elemente des Dienstvertrages (§ 611 BGB) hinzu.

Diese Einordnung ist von erheblicher Bedeutung, denn aus ihr leiten sich die konkreten Leistungspflichten ab. Die Fütterung des Pferdes gehört zum verwahrungsrechtlichen Teil des Vertrages. Werden vertragliche Pflichten verletzt, indem beispielsweise minderwertiges Futter bereitgestellt wird, liegt eine Schlechtleistung vor, die dem Einsteller verschiedene Gewährleistungsrechte eröffnet.

Welche Futterqualität wird geschuldet?

In den seltensten Fällen enthält ein Einstellvertrag detaillierte Regelungen zur Futterqualität. Fehlt eine solche konkrete Vereinbarung, greift die allgemeine gesetzliche Regelung des § 243 Absatz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner, in diesem Fall der Stallbetreiber, eine Sache von „mittlerer Art und Güte“ zu leisten. Diese etwas abstrakt anmutende Formulierung bedeutet, dass der Einsteller keinen Anspruch auf Premium-Heu aus dem ersten Schnitt von einer bestimmten Wiese oder auf ein spezielles Marken-Müsli hat. Er darf aber sehr wohl erwarten, dass das Futter den durchschnittlichen, allgemein anerkannten Qualitätsstandards entspricht.

Übertragen auf Pferdefutter bedeutet dies konkret, dass das Raufutter wie Heu oder Heulage hygienisch einwandfrei sein muss. Es muss frei von Schimmel, übermäßigem Staub, Schmutz und giftigen Pflanzen sein. Auch darf es nicht verdorben oder gärig sein. Das Futter muss einen pferdegerechten Nährwert aufweisen und für die Fütterung von Pferden grundsätzlich geeignet sein. Diese Anforderungen gelten ebenso für Kraftfutter, das vom Stall gestellt wird.

Die Bewertung hat objektiv zu erfolgen. Die subjektive Meinung des Stallbetreibers, das Futter sei noch „in Ordnung“, ist rechtlich unerheblich, wenn es objektiven Kriterien nicht standhält. Im Streitfall wird diese Frage oft durch ein Sachverständigengutachten geklärt, bei dem eine Futterprobe durch ein spezialisiertes Labor untersucht wird.

Mangelhaftes Futter: Rechte des Einstellers bei Schlechtleistung

Stellt ein Einsteller fest, dass die Futterqualität nicht dem geschuldeten Standard entspricht, muss er nicht tatenlos zusehen. Da dies mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist, ist es ratsam, zunächst auf dem Gesprächswege eine Lösung zu suchen und erst dann weitere Maßnahmen in Betracht zu ziehen.

Das Gesetz bietet dem Einsteller einen klaren, stufenweisen Weg, seine Rechte geltend zu machen. Ein vorschnelles Handeln, wie die eigenmächtige Kürzung des Pensionspreises, ist jedoch nicht zu empfehlen und kann zu einer Vertragsverletzung seitens des Einstellers führen. Zunächst muss dem Stallbetreiber die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben werden.

Der erste und wichtigste Schritt ist die sogenannte Mängelrüge. Der Einsteller muss den Stallbetreiber unverzüglich und nachweisbar, am besten schriftlich, über die mangelhafte Futterqualität informieren. Mit dieser Rüge muss er den Betreiber auffordern, den Mangel zu beheben, also für vertragsgemäßes Futter zu sorgen. Diese Aufforderung ist mit einer angemessenen Frist zu versehen. Was als „angemessen“ gilt, hängt vom Einzelfall ab. In der Regel dürfte eine Frist von ein bis zwei Wochen genügen, um dem Stallbetreiber die Umstellung oder den Zukauf von qualitativ einwandfreiem Futter zu ermöglichen.

Verstreicht diese Frist fruchtlos, ohne dass der Stallbetreiber reagiert oder Abhilfe schafft, kann der Einsteller weitere Schritte einleiten. Er hat nun das Recht, den Pensionspreis angemessen zu mindern. Die Höhe der Minderung muss im Verhältnis zum Mangel stehen. Sie berechnet sich in der Regel nach dem Anteil, den die Futterkosten am gesamten Pensionspreis ausmachen. Alternativ zur Minderung kann der Einsteller zur sogenannten Ersatzvornahme greifen. Das bedeutet, er kann selbst für angemessenes Futter sorgen, dieses kaufen und die ihm entstandenen Kosten mit dem fälligen Pensionspreis verrechnen. Auch hier gilt: Dieses Recht entsteht erst nach der erfolglosen Fristsetzung.

Will der Eigentümer eines Pferdes Schadensersatz wegen (angeblich) falscher Fütterung vom Inhaber eines Reitbetriebes geltend machen, so muss der Eigentümer beweisen, dass tatsächlich eine fehlerhafte Fütterung erfolgt ist. Die Beweislast für eine Pflichtverletzung liegt bei dem diejenigen, der mit der entsprechenden Behauptung Schadensersatz begehrt (LG Coburg, 14.01.2013 - Az: 14 O 518/12).

Führt das schlechte Futter nachweislich zu einer Erkrankung des Pferdes, etwa zu einer Kolik durch verdorbenes Futter oder zu chronischem Husten durch staubiges oder schimmliges Heu, haftet der Stallbetreiber für den entstandenen Schaden. Grundlage hierfür ist § 280 Absatz 1 BGB wegen der Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Der Schadensersatzanspruch umfasst sämtliche Kosten, die durch die Erkrankung entstehen, also insbesondere Tierarztkosten, Medikamente oder die Kosten für einen notwendigen Klinikaufenthalt. Voraussetzung für die Haftung ist ein Verschulden des Stallbetreibers. Dieses wird jedoch bereits bei Fahrlässigkeit angenommen, also dann, wenn der Betreiber die Qualitätsmängel bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen können und müssen.

Wurde im Pensionsvertrag vereinbart, dass das Pferd mit Heulage oder mit Heu besonderer Qualität zu füttern ist, so kann der Vertrag wegen verschlechterter oder zukünftig verschlechterter Heuqualität fristlos gekündigt werden, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ansonsten wird die Möglichkeit der fristlosen Kündigung in aller Regel ausscheiden, sofern zumindest eine Futterqualität von mittlerer Art und Güte erreicht wird.

Sonderfall: Produkthaftung bei selbst produziertem Futter

Eine besonders weitreichende Haftung trifft den Stallbetreiber, wenn er das Futter für die eingestellten Pferde selbst herstellt. Macht er beispielsweise sein eigenes Heu oder seine eigene Silage, gilt er im juristischen Sinne als „Hersteller“ eines Produkts. In diesem Fall findet neben der vertraglichen Haftung auch das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) Anwendung.

Der entscheidende Unterschied zur vertraglichen Haftung liegt darin, dass die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz verschuldensunabhängig ist. Der geschädigte Einsteller muss dem Stallbetreiber also kein Verschulden, also keine Fahrlässigkeit oder Vorsatz, nachweisen. Es genügt der Nachweis, dass das Produkt – das Futter – fehlerhaft war und dieser Fehler den Schaden, also die Erkrankung des Pferdes, verursacht hat. Gelingt dieser Nachweis, haftet der Stallbetreiber für die entstandenen Tierarztkosten. Diese verschärfte Haftung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass derjenige, der ein Produkt in den Verkehr bringt, eine besondere Verantwortung für dessen Sicherheit trägt.

Beweissicherung im Streitfall

In jedem Rechtsstreit ist die Beweislast entscheidend. Der Einsteller, der Ansprüche wegen mangelhafter Futterqualität geltend machen möchte, muss die Mängel beweisen können. Eine bloße Behauptung genügt nicht. Eine sorgfältige und frühzeitige Beweissicherung ist daher unerlässlich. Zunächst sollten die Mängel detailliert dokumentiert werden, beispielsweise durch hochauflösende Fotos oder Videos des schimmligen Heus oder des verunreinigten Futters.

Der sicherste Weg ist die Entnahme einer Futterprobe. Dies sollte idealerweise unter Hinzuziehung eines neutralen Zeugen geschehen, der den Vorgang später bestätigen kann. Die Probe sollte repräsentativ sein, versiegelt und an ein anerkanntes landwirtschaftliches Untersuchungsinstitut zur Analyse geschickt werden. Das Ergebnis einer solchen Futtermittelanalyse ist ein objektives und vor Gericht äußerst starkes Beweismittel. Ist das Pferd bereits erkrankt, ist ein ausführliches tierärztliches Attest unabdingbar. Dieses sollte nicht nur die Diagnose und die Behandlung dokumentieren, sondern auch einen klaren kausalen Zusammenhang zwischen dem gefütterten Futter und der Erkrankung herstellen. Je detaillierter der Tierarzt hier argumentiert, desto besser ist die Beweisposition des Einstellers.

Was gilt für Sonderwünsche und Individualvereinbarungen?

Die gesetzliche Regelung der „mittleren Art und Güte“ stellt lediglich einen Mindeststandard dar. Viele Pferdehalter haben jedoch spezielle Wünsche, die darüber hinausgehen. Sei es, dass ein Pferd aufgrund einer Stoffwechselerkrankung nur zuckerarmes Heu erhalten darf, ein Allergikerpferd bedampftes Heu benötigt oder schlicht ein bestimmtes Mineralfutter zugefüttert werden soll. Solche Sonderwünsche sind von der allgemeinen Vertragspflicht des Stallbetreibers nicht umfasst. Ohne eine ausdrückliche Regelung kann der Einsteller diese Leistungen nicht einfordern.

Um Unklarheiten und spätere Streitigkeiten zu vermeiden, ist es dringend anzuraten, sämtliche individuellen Anforderungen an die Fütterung explizit und detailliert im schriftlichen Einstellvertrag festzuhalten. In einer solchen Individualvereinbarung kann genau festgelegt werden, welche Art, welche Marke und welche Menge an Futter täglich zu stellen ist. Wird eine solche vertragliche Zusicherung verletzt, ist die Rechtsdurchsetzung für den Einsteller wesentlich einfacher. Er muss dann nicht mehr den schwer zu definierenden „durchschnittlichen“ Standard beweisen, sondern kann sich auf die klar formulierte und vom Stallbetreiber unterschriebene Vertragsklausel berufen. Dies schafft Rechtssicherheit für beide Seiten und stellt sicher, dass das Pferd die Versorgung erhält, die es benötigt.
Stand: 11.08.2025
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