Rechtsfragen? Lösen unsere Rechtsanwälte für Sie.Bewertung: - bereits 388.324 Anfragen

Aussetzung der Abschiebung aufgrund einer Vater-Kind-Beziehung

Familienrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Zwar kann eine Abschiebung nach Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK aus familiären Gründen rechtlich unmöglich sein, wenn die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, jedoch verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.

Im Falle des Antragstellers besteht eine solche Lebensgemeinschaft jedoch nicht. Auch wenn der Antragsteller die Vaterschaft für das Kind anerkannt hat, hat die Kindesmutter das alleinige elterliche Sorgerecht. Eine tatsächliche Nähebeziehung zwischen Vater und Kind besteht nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seit Oktober 2021 keinen Kontakt mehr mit dem Kind hatte und zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt kein Umgangsrecht mit dem Kind hat und somit der Schutzbereich des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK bereits nicht eröffnet sei. Dem tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Soweit der Antragsteller auf den im familiengerichtlichen Verfahren geäußerten Wunsch des Kindes nach Kontakt zum Vater hinweist, ergibt sich dies jedenfalls aus dem Protokoll über die nicht-öffentliche Sitzung des Familiengerichts nicht. Der bloße, nicht näher konkretisierte Wunsch nach einem Kontakt würde im Übrigen einer tatsächlichen Nähebeziehung nicht gleichstehen.

Zwar kann auch grundsätzlich für die Dauer der Durchsetzung eines Umgangsrechts vor den Familiengerichten und der Kontaktanbahnung dem ausländischen Vater eines deutschen Kindes zur effektiven Wahrung seiner Rechte aus Art. 8 EMRK eine Duldung erteilt werden. Die Schutzwirkungen des Art. 6 GG entfalten sich nicht erst dann, wenn sonst grundsätzlich zu fordernde regelmäßige persönliche Kontakte im Rahmen des Üblichen, die die Übernahme der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen, bereits tatsächlich bestehen. Vielmehr greifen die Schutzwirkungen mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht schon dann, wenn der Umgang des ausländischen Elternteils mit seinem Kind zur Verwirklichung des Umgangsrechts und der Umgangspflicht (§ 1684 Abs. 1 BGB) in der Aufbauphase erst angebahnt wird. Vor diesem Hintergrund kann einem Ausländer auch zur Durchsetzung seines Umgangsrechts bis zum rechtskräftigen Abschluss eines familiengerichtlichen Verfahrens ein Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zustehen.

Ein solcher Duldungsanspruch entsteht jedoch nicht automatisch mit der Einreichung eines Antrags auf Regelung des Umgangs durch den Ausländer bei dem zuständigen Familiengericht. Für die Schutzwürdigkeit einer (neuerlichen) Anbahnung von Umgangskontakten kommt es vielmehr auf die Gesamtumstände des bisherigen Verhältnisses des ausländischen Elternteils zu seinem Kind an. Hierzu hat der Betroffene darzulegen, bis wann eine familiäre Lebensgemeinschaft bestanden habe und wieso sie unterbrochen worden sei bzw. aus welchen Gründen sie bisher nicht bestanden habe, weshalb sie gerade jetzt angesichts einer drohenden Abschiebung (wieder) hergestellt werden solle und woraus sich ein tragfähiger Ansatz für den Aufbau einer gelebten Vater-Kind-Beziehung ergeben solle.

Dazu hat der Antragsteller nichts (substantiiert) vorgetragen. Zwar hatte der Antragsteller nach seinem Vorbringen von September 2019 bis Oktober 2021 16-mal Kontakt mit seinem Sohn, danach jedoch nicht mehr. Ausführungen dazu, wieso er von Oktober 2021 bis zu seinem Antrag beim Familiengericht im November 2023 keinen Kontakt mehr mit dem Kind hatte und aus welchem Grund er erst im November 2023 den Antrag auf Umgangsrecht gestellt hat, finden sich nicht. Die (erste) Verhandlung vor dem Familiengericht fand bereits am 21. Dezember 2023 statt. Insoweit hatte der Antragsteller Gelegenheit, am Verfahren teilzunehmen. Gründe dafür, dass eine weitere Anwesenheit des Antragstellers im familiengerichtlichen Verfahren erforderlich ist, wurden nicht geltend gemacht, und sind auch nicht ersichtlich. Ob tatsächlich vom Familiengericht ein Gutachten eingeholt wird, ist – worauf der dortige Bevollmächtigte des Antragstellers hinweist – noch nicht entschieden. Es ist auch nicht dargelegt, dass die Anwesenheit des Antragstellers insoweit erforderlich wäre. Insoweit wäre es auch entgegen den Ausführungen des Antragstellers denkbar, dem Antragsteller Betretungserlaubnisse zu erteilen bzw. das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu verkürzen, da auch dadurch gewährleistet werden kann, dass der Antragsteller seine Rechte waren kann. Aus den Gesamtumständen des bisherigen Verhältnisses des Antragstellers zu seinem Kind lässt sich zudem nicht erkennen, dass eine Anbahnung von Umgangskontakten im Interesse des Kindeswohles erforderlich wäre.


VGH Bayern, 05.03.2024 - Az: 10 CE 24.384

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von WDR „Mittwochs live“

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.235 Bewertungen) - Bereits 388.324 Beratungsanfragen

Schnelle unkomplizierte Information für ein Testament.

Verifizierter Mandant

Bei einer Bewertungsscala 1 bis 10 wurde ich die Zehn vergeben.
Vielen Dank

Verifizierter Mandant