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Ist Kindergeld pfändbar?: Wann Gläubiger zugreifen dürfen

Familienrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Klarheit über den Unterhalt verschafft eine anwaltliche ➠ Unterhaltsberechnung
Kommt es im Rahmen einer Titelvollstreckung zu einer Pfändung, so wird in aller Regel in das liquide Vermögen (z.B. ein Sparguthaben) oder aber in das Gehalt des Schuldners vollstreckt. Gehalts- oder Lohnpfändungen werden direkt beim Arbeitgeber beziehungsweise der Rentenversicherung vollstreckt, sodass nur noch der unpfändbare Teil des Einkommens auf dem Konto landet. Die Pfändung kann aber unter bestimmten Umständen auch das Kindergeld betreffen. Viele Schuldner unterliegen dem Irrtum, dass staatliche Leistungen automatisch geschützt seien, doch die Realität der Zwangsvollstreckung sieht oft anders aus. Insbesondere bei der Kontopfändung lauert eine Gefahr, die schnelles Handeln erfordert.

Pfändung kann auch das Kindergeld betreffen!

Wird eine Kontenpfändung durchgeführt, so wird grundsätzlich das vollständige Guthaben bis zur Forderungshöhe gepfändet. Kann die Forderung nicht komplett befriedigt werden, so bleibt das Konto bis zum nächsten Geldeingang gepfändet. Hierbei wird also jeglicher Geldeingang gepfändet – auch ein auf das Konto eingezahltes Kindergeld. Denn bereits seit dem Jahr 2010 ist das Kindergeld ebenso wie andere Sozialleistungen auch grundsätzlich pfändbar. Das Kindergeld dient aber der Erziehung und Versorgung des Kindes und kann deswegen vor einer Pfändung geschützt werden, sodass es nur noch durch das Kind selbst gepfändet werden kann. Es bedarf hierfür jedoch der aktiven Mitwirkung des Kontoinhabers, da der automatische Schutzmechanismus im Bankensystem oft nicht greift.

Absicherungsmöglichkeit durch das P-Konto

Damit eine Kontenpfändung nicht unbegrenzt durchgeführt wird, hat der Schuldner die Möglichkeit, ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto (P-Konto) einzurichten. Dieses sichert automatisch einen monatlichen Betrag in Höhe der Pfändungsschutzgrenze vor der Pfändung, um das Existenzminimum des Schuldners zu sichern. Sofern erforderlich, kann auch ein bestehendes Girokonto in ein P-Konto umgewandelt werden. Dies kann bis zu vier Wochen rückwirkend nach erfolgter Kontenpfändung beantragt werden.

In diesem Zusammenhang kann ein Schuldner, der Unterhaltspflichten erfüllen muss, den Freibetrag erhöhen, wenn alle Einzahlungen, die auf dem Konto eingehen, über dem jeweiligen Freibetrag liegen. Hierzu wird eine sogenannte § 850k-Bescheinigung als Bedarfsnachweis benötigt. Auf diesem Weg kann auch das Kindergeld geschützt werden. Benötigt werden hierzu eine Bescheinigung der Familienkasse sowie ein Nachweis über die Unterhaltspflicht, der beispielsweise von einem Rechtsanwalt ausgestellt werden kann. Nach Vorlage des erforderlichen Nachweises erhöht das Kreditinstitut den Freibetrag um das Kindergeld beziehungsweise andere Sozialleistungen und Unterhaltsverpflichtungen.

Nicht gesondert geschützt werden durch ein P-Konto übrigens alle übrigen Sozialleistungen, wie etwa das Arbeitslosengeld I. Diese Leistungen können als Arbeitseinkommen bis zur Pfändungsfreigrenze gepfändet werden.

Warum das Kindergeld geschützt ist

Die Frage, warum das Kindergeld mit einem P-Konto überhaupt geschützt werden kann, lässt sich mit der rechtlichen Natur der Leistung beantworten. Es handelt sich beim Kindergeld um eine zweckgebundene Zahlung, die dem Kind und nicht dem Schuldner zusteht. Daher wurde in § 850k Abs. 2 Nr. 3 ZPO eine explizite Ausnahme aufgenommen. Das Gesetz bestimmt, dass das Kindergeld oder andere Geldleistungen für Kinder nicht von der Pfändung erfasst sind, es sei denn, dass wegen einer Unterhaltsforderung eines Kindes, für das die Leistungen gewährt oder bei dem es berücksichtigt wird, gepfändet wird.

Diese gesetzliche Wertung wird durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt. Das Kindergeld stellt nach gefestigter Rechtsprechung kein Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO dar (vgl. BGH, 19.12.2019 - Az: IX ZB 83/18). Es dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen. Der Gesetzgeber hat dem Umstand, dass für Kinder des Schuldners als zweite und weitere Unterhaltsberechtigte regelmäßig Kindergeld gezahlt wird, bereits bei der Bemessung des pauschalierten pfändungsfreien Betrages in der Tabelle zu § 850c Abs. 1 ZPO Rechnung getragen. Diese Würdigung wird auch durch die Neuregelung des § 1612b BGB nicht in Frage gestellt, da die Zielsetzung des Gesetzes, mit Hilfe des Kindergeldes das Existenzminimum des Kindes zu sichern, beeinträchtigt würde, wenn das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf des Kindes angerechnet würde.

Auch in späteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof bekräftigt, dass das Kindergeld kein Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO ist, selbst wenn das Kind die erste unterhaltsberechtigte Person im Sinne des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO darstellt (BGH, 09.07.2020 - Az: IX ZB 38/19). Für die Höhe der in Betracht kommenden Freibeträge unterscheidet das Gesetz lediglich zwischen der ersten unterhaltsberechtigten Person und den weiteren unterhaltsberechtigten Personen; eine darüberhinausgehende Staffelung der Freibeträge ist nicht vorgesehen. Es verbietet sich daher, das Kindergeld als eigenes Einkommen des Kindes anzusehen.

Die große Ausnahme: Wenn das Kind selbst pfändet

In der Praxis kommt es auch zu dem Fall, dass ein Elternteil das Kindergeld nicht an das Kind weiterleitet. In diesem Fall kommt der Leistungsberechtigte – also der Kindergeldbezieher – nämlich seiner Unterhaltspflicht nicht nach. Das Kind kann in einem solchen Fall eine Vollstreckung erwirken.

Landet das Kindergeld auf einem P-Konto, auf dem das Kindergeld zusätzlich gesichert wurde, so bedeutet dies nicht, dass das Kind keinen Zugriff auf das ihm zustehende Geld erlangen kann. Auch in diesem Fall darf das Kindergeld gepfändet werden, da die Pfändung in diesem Sonderfall im berechtigten Interesse des Kindes erfolgt. Die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld dient dazu sicherzustellen, dass dem Kindergeldberechtigten das Geld auch tatsächlich zufließt, damit er ungehindert hierüber zu Gunsten des Kindes verfügen kann (vgl. BGH, 09.03.2016 - Az: VII ZB 68/13). Mittelbar wird damit auch das Kind geschützt, dem das Kindergeld zu Gute kommen soll.

Diese Unpfändbarkeit würde sich jedoch ihrem Sinn zuwider nachteilig für das begünstigte Kind auswirken, wenn dessen gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht erfüllt werden und im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden sollen. Deshalb ist wegen dieser Ansprüche die Pfändung möglich, wodurch im Ergebnis das Kindergeld direkt dem Kind zufließen kann. Eine Erweiterung dieser Ausnahme von der Unpfändbarkeit des Kindergeldanspruchs zugunsten von Ansprüchen, die lediglich in einem inneren Zusammenhang mit dem Unterhalt des Kindes stehen (etwa Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit Warenkäufen für das Kind), kann mit diesen Erwägungen jedoch nicht begründet werden. Sie ist nicht geboten, um zu verhindern, dass das Kind durch die Unpfändbarkeit Nachteile erleidet.

Wird Kindergeld für mehrere Kinder bezogen, so ist der pfändbare Betrag das arithmetische Mittel des Kindergeldes für alle Kinder, also die Summe des Kindergelds geteilt durch die Anzahl der Kinder.

Besonderheiten bei Unterhaltsvorschuss und Bedarfsberechnung

Die Berechnung des unpfändbaren Einkommens kann komplex werden, wenn Sozialleistungen wie Unterhaltsvorschuss ins Spiel kommen. Dies ist insbesondere relevant, wenn ein Gläubiger wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche gemäß § 850d ZPO vollstreckt. In solchen Fällen der privilegierten Zwangsvollstreckung gelten die pauschalierten pfändungsfreien Beträge der Tabelle zu § 850c ZPO nicht; vielmehr ist der dem Schuldner pfändungsfrei zu belassende Betrag individuell zu bestimmen (BGH, 12.06.2024 - Az: VII ZB 24/23).

Soweit der Barunterhalt eines minderjährigen Kindes bereits durch andere Zahlungen gedeckt ist, bedarf der betreuende Elternteil keines pfändungsfrei zu belassenden Betrags zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten. Das bedeutet konkret: Erhält das Kind Unterhaltsvorschuss und Kindergeld auf ein eigenes Konto, so mindert dies den Bedarf des Schuldners an pfändungsfreiem Einkommen für den Unterhalt dieses Kindes. Das auf das Konto des Kindes gezahlte Kindergeld deckt jedenfalls zur Hälfte dessen Barunterhaltsbedarf. Erfüllt ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes, entlastet das Kindergeld nach der gesetzlichen Regelung des § 1612b Abs. 1 BGB die Eltern des Kindes zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht.

Es ist daher gerechtfertigt, in Höhe des hälftigen Kindergelds eine Deckung des Barunterhaltsbedarfs des Kindes zu bejahen. Der Betreuungsunterhalt leistende Schuldner benötigt insoweit keine eigenen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht. Dies gilt auch dann, wenn das Kindergeld für die Bemessung der pauschalierten pfändungsfreien Beträge nach § 850c ZPO eigentlich nicht als Einkommen berücksichtigt wird, da § 850d ZPO eine andere, strengere Konstellation der Zwangsvollstreckung darstellt.
Stand: 21.12.2025
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