Der Online-Handel, insbesondere über Auktionsplattformen, ist nicht mehr wegzudenken. Millionen von
Kaufverträgen werden täglich per Mausklick geschlossen. Doch während der Vertragsschluss selbst oft reibungslos verläuft, stellt sich in der Praxis immer wieder eine entscheidende Frage: Wer muss den ersten Schritt machen? Ist der Käufer verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen, bevor er die Ware überhaupt gesehen hat? Oder muss der Verkäufer das Risiko eingehen und den Artikel versenden, ohne sicher zu sein, jemals eine Zahlung zu erhalten? Die Antwort darauf hängt von den gesetzlichen Regelungen, vor allem aber von den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ab, die häufig durch die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der jeweiligen Plattform vorgegeben werden.
Grundprinzip des Kaufrechts: Leistungsaustausch nur „Zug um Zug“
Im deutschen Kaufvertragsrecht gilt als gesetzlicher Regelfall das Prinzip der Leistung „Zug um Zug“. Dieser Grundsatz ist in § 320 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert und besagt, dass Verkäufer und Käufer ihre jeweiligen Leistungen grundsätzlich gleichzeitig zu erbringen haben. Der Verkäufer ist nur dann zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache verpflichtet, wenn er im Gegenzug den vereinbarten Kaufpreis erhält. Umgekehrt muss der Käufer den Kaufpreis erst dann entrichten, wenn ihm die Ware übergeben wird.
Dieses Prinzip des zeitgleichen Austauschs von Ware und Geld ist im stationären Handel, etwa im Supermarkt oder beim Autokauf, alltäglich und unproblematisch. Es bietet beiden Vertragsparteien ein Höchstmaß an Sicherheit, da niemand in Vorleistung treten und das Risiko eingehen muss, die eigene Leistung zu erbringen, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Bei Geschäften im Internet, bei denen Käufer und Verkäufer räumlich voneinander getrennt sind und sich nicht persönlich treffen, lässt sich dieser simultane Austausch jedoch nicht ohne Weiteres bewerkstelligen. Eine der beiden Parteien muss zwangsläufig den ersten Schritt machen und damit ein Vorleistungsrisiko eingehen.
Vertragsfreiheit: Käufer und Verkäufer können selbst Vereinbarungen treffen!
Das Gesetz schreibt das Prinzip „Zug um Zug“ nicht zwingend vor. Es handelt sich hierbei um dispositives Recht, was bedeutet, dass die Vertragsparteien davon abweichende Vereinbarungen treffen können. Im Rahmen der Vertragsfreiheit steht es Käufer und Verkäufer frei, eine andere Reihenfolge für die Erbringung ihrer Leistungen festzulegen. Die in der Praxis bei Online-Auktionen und anderen Fernabsatzgeschäften gängigsten Modelle sind die
Vorkasse und die Lieferung auf Rechnung.
Bei der Vorkasse (auch Vorauskasse genannt) verpflichtet sich der Käufer, den Kaufpreis zunächst vollständig zu bezahlen. Erst nach Eingang der Zahlung ist der Verkäufer seinerseits verpflichtet, die Ware zu versenden. Dieses Modell verlagert das Vorleistungsrisiko vollständig auf den Käufer.
Bei der Lieferung auf Rechnung (oder Vorlieferung) versendet der Verkäufer die Ware zuerst. Der Käufer hat dann nach Erhalt der Ware eine bestimmte Frist, um den Kaufpreis zu begleichen. Hier trägt der Verkäufer das volle Risiko, dass der Käufer nach Erhalt der Ware nicht zahlt. Da individuelle Absprachen zwischen den Parteien bei der Masse an Transaktionen auf großen Plattformen unpraktikabel wären, wird die Frage der Vorleistungspflicht in aller Regel durch die AGB der Plattformbetreiber geregelt.
AGB der Plattformen können Vorgaben machen
Wer an einer Online-Auktion teilnimmt oder einen Artikel zum Festpreis auf einer Plattform wie eBay kauft, schließt nicht nur einen Kaufvertrag mit der Gegenseite, sondern akzeptiert auch die Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers. Diese AGB enthalten oft klare Regelungen zur Abwicklung des Geschäfts, einschließlich der Fälligkeit des Kaufpreises und der Reihenfolge der Leistungen.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay sehen hierzu in § 12 Ziffer 9 eine eindeutige Regelung vor: „Der Käufer ist grundsätzlich zur Vorkasse verpflichtet. Sofern Käufer und Verkäufer nichts Abweichendes vereinbaren, ist der Kaufpreis sofort fällig und vom Käufer über die vom Verkäufer angebotenen Zahlungsmethoden zu begleichen.“
Durch diese Klausel wird der gesetzliche Regelfall des § 320 BGB wirksam abbedungen. Für alle auf eBay geschlossenen Kaufverträge gilt damit im Grundsatz, dass der Käufer vorleistungspflichtig ist. Er muss den Kaufpreis zahlen, bevor er einen Anspruch auf die Lieferung der Ware hat. Der Verkäufer kann den Versand der Ware so lange verweigern, bis die Zahlung bei ihm eingegangen ist. Zwar steht es den Parteien frei, etwas anderes zu vereinbaren, etwa eine Barzahlung bei Abholung oder eine Lieferung auf Rechnung. Dies erfordert jedoch eine explizite, individuelle Absprache. Folgt man dem Standardprozess der Plattform, gilt die Vorkasse.
Vorkasse und das Risiko des Käufers
Die Verpflichtung zur Vorkasse birgt für den Käufer erhebliche Risiken. Er überweist den Kaufpreis in der Hoffnung, die versprochene Ware in dem beschriebenen Zustand zu erhalten. Problematisch wird es, wenn der Verkäufer nach Zahlungseingang gar nicht liefert, eine mangelhafte oder eine völlig andere Sache versendet. In solchen Fällen hat der Käufer sein Geld bereits aus der Hand gegeben und muss nun versuchen, seine Ansprüche – also Lieferung der korrekten Ware oder Rückerstattung des Geldes – durchzusetzen. Dies kann mühsam sein, insbesondere wenn der Verkäufer nicht kooperiert oder nicht mehr erreichbar ist.
Zwar stehen dem Käufer gesetzliche Rechte wie das Setzen einer Nachfrist zur Lieferung, der anschließende Rücktritt vom Vertrag (§ 323 BGB) und Schadensersatzansprüche zu. Die praktische Durchsetzung dieser Rechte kann jedoch langwierig und kostspielig sein. Um dieses Risiko zu mindern, haben sich Zahlungssysteme mit integriertem Käuferschutz etabliert. Dienste wie PayPal oder der eBay-eigene Zahlungsabwickler behalten das Geld quasi treuhänderisch ein und zahlen es erst an den Verkäufer aus, wenn der Käufer den ordnungsgemäßen Erhalt der Ware bestätigt oder eine bestimmte Frist ohne Beschwerde verstrichen ist. Die Nutzung solcher abgesicherter Zahlungsmethoden ist für Käufer daher dringend zu empfehlen.
Wer trägt das Versandrisiko?
Eng mit der Frage der Leistungsreihenfolge verknüpft ist die Frage, wer das Risiko für den zufälligen Verlust oder die Beschädigung der Ware auf dem Transportweg trägt. Juristen sprechen hier vom Gefahrübergang. Die Antwort auf diese Frage hängt entscheidend davon ab, ob es sich beim Verkäufer um eine Privatperson oder um einen gewerblichen Händler handelt.
Handelt es sich um einen Verkauf von Privat an Privat (ein sogenannter C2C-Vertrag), geht die Gefahr des Transports auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware an das Transportunternehmen (z. B. Post, Paketdienst) übergeben hat. Dies regelt § 447 BGB für den sogenannten Versendungskauf. Geht das Paket auf dem Postweg verloren oder wird es beschädigt, kann der Käufer vom privaten Verkäufer grundsätzlich weder eine Ersatzlieferung noch die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Sein Anspruch richtet sich dann allenfalls gegen das Transportunternehmen. Für den Verkäufer ist es in diesem Fall jedoch essenziell, die Absendung der Ware beweisen zu können. Er muss nachweisen, dass er seine vertragliche Hauptpflicht, die Übergabe an den Spediteur, erfüllt hat. Aus diesem Grund ist privaten Verkäufern stets zu raten, eine versicherte Versandmethode mit Sendungsverfolgung zu wählen. Der Versandbeleg dient im Streitfall als entscheidender Beweis.
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