Bewertungssysteme sind das Herzstück des modernen Online-Handels. Sie schaffen eine Vertrauensbasis, wo sich die Vertragspartner oft anonym gegenüberstehen. Ein Profil mit zahlreichen positiven Bewertungen ist für gewerbliche wie private Verkäufer von unschätzbarem Wert; es ist das digitale Aushängeschild. Umso gravierender können die Folgen einer einzelnen negativen Bewertung sein. Sie kann potenzielle Käufer abschrecken, den Ruf schädigen und zu erheblichen Umsatzeinbußen führen. Doch nicht jede unliebsame Kritik muss hingenommen werden. Das Recht bietet Verkäufern verschiedene Möglichkeiten, sich gegen ungerechtfertigte Bewertungen zur Wehr zu setzen. Dabei stehen sich jedoch stets zwei grundrechtlich geschützte Positionen gegenüber: das Recht des Bewertenden auf freie Meinungsäußerung und das Interesse des Verkäufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts sowie seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs.
Meinungsfreiheit und Unternehmensschutz
Das Grundgesetz schützt in Artikel 5 die Freiheit der Meinungsäußerung. Grundsätzlich darf jeder seine Meinung frei äußern, auch wenn diese scharf, polemisch oder überzogen ist. Dieses Recht ist ein hohes Gut und eine der Grundlagen einer freiheitlichen Gesellschaft. Demgegenüber stehen die ebenfalls rechtlich geschützten Interessen des bewerteten Unternehmers oder Verkäufers. Hierzu zählen das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, die unter anderem durch § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geschützt werden. Eine negative Bewertung kann einen direkten Eingriff in diese Rechte darstellen.
Daher muss in jedem Einzelfall eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgen. Die Rechtsprechung hat hierfür über Jahre hinweg klare Kriterien entwickelt, anhand derer die Zulässigkeit einer Bewertung beurteilt wird. Die wichtigste Weichenstellung erfolgt dabei bei der Frage, ob es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil handelt.
Tatsachenbehauptung oder Werturteil?
Für die juristische Einordnung einer Bewertung ist die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einem Werturteil von zentraler Bedeutung. Eine Tatsachenbehauptung ist durch eine objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit gekennzeichnet. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass sie einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Ob eine Aussage wahr oder unwahr ist, lässt sich objektiv klären. Beispiele hierfür sind Äußerungen wie „Gefälscht!“ (LG Bonn, 22.11.2009 - Az:
1 O 360/09) , „Keine Originalverpackung“ (AG München, 23.09.2016 - Az:
142 C 12436/16) oder die Behauptung, ein Möbelstück sei beim Transport beschädigt worden (LG Frankenthal, 22.05.2023 - Az:
6 O 18/23).
Im Gegensatz dazu sind Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Sie sind Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens und können daher nicht als wahr oder unwahr bewiesen werden. Typische Werturteile sind Formulierungen wie „Service und Sauberkeit mangelhaft“ (AG Lörrach, 25.09.2023 - Az:
3 C 560/23), „frech & dreist!!!“ (LG Köln, 10.06.2009 - Az:
28 S 4/09) oder die Äußerung „Versandkosten Wucher!!“ (BGH, 28.09.2022 - Az:
VIII ZR 319/20).
Häufig enthalten Bewertungen sowohl Tatsachenelemente als auch Meinungsäußerungen. In solchen Fällen ist für die rechtliche Einordnung entscheidend, welches Element der Äußerung ihren Charakter prägt. Überwiegt die subjektive Stellungnahme, wird die gesamte Äußerung als Werturteil behandelt und genießt den Schutz der Meinungsfreiheit.
Wann ist eine Bewertung unzulässig und muss gelöscht werden?
Ein Anspruch auf Löschung oder Unterlassung einer Bewertung besteht nur dann, wenn diese rechtswidrig ist. Die Grenzen der Zulässigkeit sind dabei je nach Art der Äußerung unterschiedlich.
Unwahre TatsachenbehauptungenEine Bewertung, die nachweislich falsche Tatsachen enthält, muss der Bewertete grundsätzlich nicht dulden. Derartige Äußerungen sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und stellen einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte des Verkäufers dar. Gerichte sprechen in solchen Fällen regelmäßig einen Anspruch auf Löschung der Bewertung bzw. auf Zustimmung zur Löschung zu. Ein entscheidender Punkt in der Praxis ist dabei die Frage der Beweislast. Nach ständiger Rechtsprechung muss derjenige, der eine rufschädigende Tatsachenbehauptung aufstellt, im Streitfall auch deren Wahrheit beweisen. Kann der Bewertende diesen Beweis nicht erbringen, gilt die Behauptung als unwahr und der Bewertete kann ihre Unterlassung und Löschung verlangen (vgl. LG Frankenthal, 22.05.2023 - Az:
6 O 18/23; OLG München, 28.10.2014 - Az:
18 U 1022/14).
SchmähkritikBei Werturteilen liegt die Hürde für einen Löschungsanspruch deutlich höher. Auch scharfe, polemische und überspitzte Kritik muss im Meinungskampf hingenommen werden. Die Grenze ist erst bei der sogenannten Schmähkritik überschritten. Von einer Schmähkritik spricht man nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur dann, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung muss darauf abzielen, den Betroffenen jenseits jeglicher sachlicher Auseinandersetzung an den Pranger zu stellen. Liegt hingegen noch ein Sachbezug zur Transaktion vor, handelt es sich in der Regel nicht um eine unzulässige Schmähkritik. So entschied der Bundesgerichtshof, dass die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ keine Schmähkritik darstellt, da sie sich – wenn auch in scharfer Form – kritisch mit einem Aspekt der Verkäuferleistung, nämlich der Höhe der Versandkosten, auseinandersetzt (vgl. BGH, 28.09.2022 - Az:
VIII ZR 319/20).
Bewertungen ohne KundenkontaktEin Sonderfall liegt vor, wenn eine Bewertung von einer Person stammt, die nachweislich nie Kunde war oder die bewertete Dienstleistung nicht in Anspruch genommen hat. Hier hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Rüge des Bewerteten gegenüber dem Portalbetreiber, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich ausreicht, um Prüfpflichten des Portals auszulösen (vgl. BGH, 09.08.2022 - Az:
VI ZR 1244/20).
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