Ob ausrangierte Kleidung, die geerbte Briefmarkensammlung oder selbst gebastelte Dekoration – das Internet bietet eine einfache Möglichkeit, Gegenstände zu veräußern. Die meisten Anbieter agieren dabei im festen Glauben, als Privatperson zu handeln. Sie schließen die Gewährleistung aus und sehen sich rechtlich auf der sicheren Seite. Doch die Grenze zwischen einem privaten Gelegenheitsverkauf und einer gewerblichen Tätigkeit ist fließend und wird oft unbewusst überschritten. Die Abgrenzung ist von enormer praktischer Bedeutung, da die Einstufung als gewerblicher Händler weitreichende rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich zieht, die von Abmahnungen bis hin zu steuerlichen Verpflichtungen reichen.
Wann ist man schon gewerblicher, wann noch privater Verkäufer?
Eine klare gesetzliche Regelung, die beispielsweise eine maximale Anzahl von Verkäufen pro Monat für Privatpersonen festlegt, existiert nicht. Stattdessen muss im Einzelfall anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien beurteilt werden, ob eine private oder eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt.
Die Rechtsprechung definiert eine gewerbliche Tätigkeit als eine planmäßige und dauerhafte Leistung, die gegen ein Entgelt am Markt angeboten wird. Das Einkommensteuergesetz präzisiert dies: Ein Gewerbebetrieb liegt demnach vor, wenn eine selbstständige, nachhaltige Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, ausgeübt wird und diese sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Entscheidend ist hierbei die „Nachhaltigkeit“, also die Absicht, die Tätigkeit zu wiederholen.
Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass ein Gewerbe erst dann vorliegt, wenn tatsächlich Gewinne erzielt werden. Dem ist nicht so; die reine Gewinnerzielungsabsicht ist ausreichend. Diese Absicht muss nicht einmal der Hauptzweck des Handelns sein; sie kann auch als Nebenzweck neben anderen Interessen bestehen, um die Gewerblichkeit zu begründen. Der Unternehmerbegriff, wie er etwa in § 14 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwendet wird, ist dabei funktional zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb geführt wird.
Indizien-Falle: Wenn die Verkaufsgrenze überschritten wird
Da eine starre Definition fehlt, greifen Gerichte auf eine Reihe von Indizien zurück, um die Tätigkeit eines Verkäufers zu bewerten. Je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, desto wahrscheinlicher ist die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klargestellt, dass eine Person, die eine Reihe von Verkaufsanzeigen auf einer Website veröffentlicht, nicht automatisch als „Gewerbetreibender“ einzustufen ist. Maßgeblich ist, ob die Person „im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit“ handelt. Der EuGH fordert von den nationalen Gerichten eine Einzelfallprüfung, bei der Kriterien wie Planmäßigkeit, Regelmäßigkeit oder das Verfolgen eines Erwerbszwecks zu berücksichtigen sind (EuGH, 04.10.2018 - Az:
C-105/17).
Ein wichtiges Indiz ist der Umfang und die Dauer der Verkaufsaktivitäten. Wer nur wenige Male im Jahr gebrauchte Gegenstände aus dem eigenen Haushalt verkauft, handelt privat. Anders sieht es aus, wenn eine hohe Frequenz von Verkäufen oder eine große Anzahl von Bewertungen vorliegt. Das Oberlandesgericht Hamm sah ein gewerbliches Handeln als gegeben an, als ein Verkäufer binnen sechs Wochen 552 Artikel angeboten hatte und über einen Zeitraum von knapp drei Jahren 855 Verkäuferbewertungen erhielt (OLG Hamm, 15.03.2011 - Az:
I-4 U 204/10). Auch das Landgericht Berlin stufte eine Verkäuferin bereits bei 93 eingestellten Artikeln innerhalb eines Monats als Unternehmerin ein (LG Berlin, 05.09.2006 - Az:
103 O 75/06). Schon früher hatte dasselbe Gericht geurteilt, dass eine gewerbliche Tätigkeit dann anzunehmen ist, wenn die Teilnahme an Internetauktionen einen Umfang erreicht, der dem Anbieten von Waren auf einem Trödelmarkt ähnelt (LG Berlin, 09.11.2001 - Az:
103 O 149/01).
Eng damit verknüpft ist die Art der angebotenen Ware. Der Verkauf von Neuwaren, insbesondere in größeren Mengen oder verschiedenen Ausführungen (z. B. Größen, Farben), ist ein starkes Indiz für Gewerblichkeit. Gleiches gilt, wenn ein Verkäufer damit wirbt, wöchentlich neue Waren aus bestimmten Quellen, wie etwa Haushaltsauflösungen, zu erhalten (vgl. OLG Frankfurt, 22.12.2004 - Az:
6 W 153/04). Auch der wiederholte Verkauf gleichartiger Artikel spricht gegen eine private Tätigkeit.
Ebenso fällt die Professionalität des Auftritts ins Gewicht. Wer seine Angebote mit professionellen Artikelbildern, detaillierten Beschreibungen und Werbeslogans gestaltet, agiert eher wie ein Unternehmer. Ein „PowerSeller“-Status bei eBay, Tausende von Bewertungen oder das Bewerben der eigenen Zuverlässigkeit sind klare Anzeichen für ein planmäßiges Handeln am Markt (vgl. OLG Frankfurt, 22.12.2004 - Az:
6 W 153/04).
Auch eine „Sammlungsauflösung“ kann gewerblich werden!
Ein häufig vorgebrachtes Argument zur Verteidigung einer umfangreichen Verkaufstätigkeit ist die Auflösung einer über Jahre gewachsenen, privaten Sammlung. Doch auch dieser Einwand schützt nicht pauschal vor der Einstufung als Unternehmer. Gerichte prüfen hier sehr genau, ob es sich tatsächlich um den einmaligen Abverkauf eines Bestandes handelt oder ob nicht doch ein kontinuierlicher Handel vorliegt.
Im Fall des OLG Hamm berief sich der Verkäufer von Schallplatten darauf, seine private Sammlung aufzulösen. Das Gericht ließ dies nicht gelten, unter anderem, weil den Angeboten die „erforderliche Geschlossenheit“ fehlte – es wurde ein buntes Gemisch verschiedener Genres und sogar Märchenplatten angeboten. Zudem wurden einzelne Platten mehrfach angeboten, was gegen eine einmalige Sammlungsauflösung sprach (OLG Hamm, 15.03.2011 - Az:
I-4 U 204/10).
Noch deutlicher wurde das Finanzgericht Köln. Ein Verkäufer erzielte erhebliche Jahresumsätze (zwischen 18.000 und 66.000 Euro) durch den Verkauf doppelter Bierdeckel aus einer geerbten Sammlung, die er selbst durch Zukäufe fortführte. Das Gericht stufte ihn als Unternehmer ein, da er über Jahre hinweg intensiv Verkaufsaktivitäten entfaltet habe. Dies sei nicht mit dem steuerfreien Verkauf einer Sammlung „en bloc“ (also als Ganzes) vergleichbar, sondern stelle einen gewerblichen Handel dar (FG Köln, 04.03.2015 - Az:
14 K 188/13).
Trügerische Sicherheit: Der unwirksame „Privatverkauf“-Zusatz
Viele Verkäufer, die sich in einer Grauzone bewegen, versuchen, sich durch den Standardzusatz „Dieser Artikel wird von Privat verkauft“ abzusichern. Dieser Hinweis ist jedoch rechtlich wirkungslos, wenn die objektiven Umstände der Tätigkeit (Umfang, Professionalität, Art der Ware) eine gewerbliche Einstufung nahelegen. Das OLG Frankfurt entschied, dass eine solche pauschale und standardisiert wirkende Erklärung nicht ausreiche, um ein Angebot als privat zu kennzeichnen, wenn der Verkäufer ansonsten im Geschäftsverkehr auftritt (OLG Frankfurt, 22.12.2004 - Az:
6 W 153/04). Das Angebot reihte sich im zu entscheidenden Fall in eine Vielzahl von Auktionen des Verkäufers ein und beeinflusste dessen gesamtes Bewertungsprofil und damit seinen geschäftlichen Erfolg.
Folgen der Fehleinschätzung, privater Verkäufer zu sein
Wird die Schwelle zur Gewerblichkeit überschritten, hat dies gravierende Folgen. Der Verkäufer gilt als Unternehmer und muss sich an das Verbraucherschutzrecht halten. Dazu gehört die Pflicht, Verbrauchern ein
Widerrufsrecht einzuräumen und eine vollständige Anbieterkennzeichnung (Impressum) bereitzustellen. Fehlen diese Angaben, drohen kostenpflichtige Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände.
Darüber hinaus entstehen steuerliche Pflichten. Die Einnahmen sind als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu
versteuern. Je nach Umsatz kann
Umsatzsteuerpflicht eintreten, auch wenn hier die Kleinunternehmerregelung greifen kann. Überschreiten die Gewinne den Freibetrag, fällt zudem Gewerbesteuer an. Nicht zuletzt muss das Gewerbe offiziell bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. Wer dies unterlässt, riskiert nicht nur steuerliche Nachforderungen, sondern auch Bußgelder.