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Online-Coaching-Vertrag ist ohne Zulassung nichtig!

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 49 Minuten

Ein Vertrag über ein entgeltliches Online-Mentoring-Programm ist gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 FernUSG nichtig, wenn für das Angebot keine gesetzlich vorgeschriebene Zulassung als Fernlehrgang vorliegt.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes ist, dass der Lehrende und der Lernende überwiegend räumlich getrennt agieren (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG) und der Lernerfolg durch den Anbieter oder dessen Beauftragte überwacht wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG). Auch bei Online-Unterricht liegt eine räumliche Trennung vor, insbesondere wenn wesentliche Teile der Inhalte asynchron – etwa durch aufgezeichnete Videos – vermittelt werden. Eine Lernerfolgsüberwachung liegt bereits dann vor, wenn Teilnehmer Fragen zu Lerninhalten stellen können und Rückmeldung erhalten.

Auch sogenannte Coaching- oder Mentoring-Angebote unterfallen dem FernUSG, sofern die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten im Vordergrund steht. Eine persönliche Beratung oder Begleitung tritt dann zurück, wenn Lernziele, Unterrichtsinhalte und Gruppenveranstaltungen vorgegeben sind.

Der Rückzahlungsanspruch wegen eines nichtigen Fernunterrichtsvertrags richtet sich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Ein Wertersatz für erbrachte Leistungen ist vom Anbieter darzulegen; erfolgt kein substantiierter Vortrag, bleibt es bei der vollständigen Rückabwicklung.

Das FernUSG ist unabhängig vom Status des Teilnehmers als Verbraucher oder Unternehmer anwendbar. Maßgeblich ist nicht die Person des Teilnehmers, sondern der Inhalt des Vertrags. Auch Unternehmer können sich deshalb auf die Nichtigkeit nach § 7 Abs. 1 FernUSG berufen.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem Vertrag über ein „9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ (im Folgenden auch: „Mentoring“).

Am 19. April 2021 schlossen der Kläger und M. H.als Begleitperson einen Vertrag mit der Beklagten über das vorgenannte Programm zum Preis von 47.600 € brutto. Für dieses Programm lag keine Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht - Fernunterrichtsschutzgesetz (im Folgenden: FernUSG) vor. Durch den Vertrag wurde ein bereits am 21. März 2021 zwischen den Parteien abgeschlossener Vertrag über ein „16-Wochen-Coaching-Programm TRADING-Mastery“ (im Folgenden auch: „Trading“) zum Bruttopreis von 23.800 € ersetzt, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatte und im „Mentoring“ als Programmteil enthalten war.

In der Programmbeschreibung werden zunächst die durchführende „P. Akademie“ - ein Unternehmensbereich der Beklagten, der das Ziel habe, „Menschen unternehmerische Fähigkeiten anzueignen“ - und die dahinterstehenden Personen F. und M. A. - die es aufgrund verschiedener Ausbildungen den Klienten ermöglichen sollen, „ein umfangreiches Know-How für die persönliche und unternehmerische Entwicklung zu schaffen“ - vorgestellt (S. 3). Zum Programminhalt heißt es dort unter 6.: „Das komplette Know-How der beiden Unternehmer steckt in dem Mentoring-Programm und wird 1:1 an die Teilnehmer weitergereicht“. Das Programm baue „das Wissen effizienter Wachstumsstrategien auf einem starken Fundament auf: ein starkes Mindset - die Art wie erfolgreiche Unternehmer denken und handeln. Eine sehr intensive Komponente der Persönlichkeitsentwicklung wird hierbei von den erfahrenen Personal-Coaches begleitend angewandt“. Es sei „vollgepackt mit dem Know-How aus der Praxiserfahrung in Unternehmensführung und -aufbau und dem zusätzlich erworbenen Wissen internationaler Trainer und Mentoren“ und verschaffe den Teilnehmern „eine erhebliche Verkürzung des Wissensaufbaus“, wobei das Ziel nicht nur sei, „das Wissen zu vermitteln, sondern die Umsetzung und Ergebnisse“ (S. 5). Unter 6.1 und 6.2 ist dargelegt, dass das Programm in vier Phasen ablaufe und generell Folgendes beinhalte (S. 6):

„• Es finden 2-wöchig online-Meetings statt.

• Es wird Hausaufgaben geben, die für das Vorankommen zu erledigen sind.

• Fragen werden in den Meetings und per Mail, oder in der Facebook-Gruppe geklärt.

• Teilnehmern stehen im Bedarfsfall zusätzlich 2 Online-Einzelsitzungen à 1h bei einem unserer Personal-Coach zur Verfügung um ggfs. persönliche Blockaden aufzulösen.

• Pro Halbjahr werden intensive Workshops stattfinden, bei denen die Themen Mindset, effiziente zeitgemäße Strategien und next-Level-actions aufgezeigt werden.

• Persönliche direkte und intensive Begleitung durch F. & M. A..

• Weitere Teammitglieder und Experten stehen zur intensiven Betreuung zur Verfügung.“

Unter 6.3 „Das Ergebnis“ heißt es, dass die Teilnehmer sich „bis zum Ende des Programms Wissen aus … Bereichen abrufen und aneignen“ könnten, die nachfolgend im Einzelnen unter den Überschriften „Business“ und „Das Fundament - Mindset“ dargestellt sind. Schließlich ist unter 6.4 ausgeführt (S. 7):

„Das Business-Mentoring-Programm 'Finanzielle-Fitness' der P.AKADEMIE wird den Teilnehmern die Grundvoraussetzungen bieten, Ihre finanzielle Freiheit zu erschaffen. Mit dem hier gewonnenen Wissen werden die Teilnehmer mehrere Einkommensströme aufbauen können und ihre finanzielle Zukunft nachhaltig erfolgreich gestalten können.“

Die in der Programmbeschreibung erwähnten regelmäßigen Online-Meetings beziehungsweise Live-Calls wurden aufgezeichnet und konnten von den Teilnehmern nachträglich abgerufen werden. Außerdem wurden den Teilnehmern - wie sich auch aus den von der Beklagten vorgelegten Datenaufzeichnungen ergibt - Lehrvideos mit Lektionen zum Durcharbeiten zur Verfügung gestellt.

Der Kläger zahlte an die Beklagte 23.800 €; die restliche Hälfte der Vergütung sollte bis Ende Juni 2021 entrichtet werden. Ab dem 19. April 2021 nahmen der Kläger und M. H.sieben Wochen lang am „Trading“-Programmabschnitt teil, arbeiteten die Lehrvideos vollständig durch und besuchten die Live-Calls. Der „Mentoring“-Programmteil sollte erst ab dem 1. August 2021 beginnen.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2021 erklärte der Kläger die Kündigung des Vertrags und mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Juli 2021 dessen fristlose Kündigung und Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. M. H. trat ihre Ansprüche an den Kläger ab.

Der Kläger hat unter anderem geltend gemacht, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen das FernUSG nichtig. Er hat im Wesentlichen die Rückzahlung der bereits entrichteten Vergütung sowie die Feststellung begehrt, dass er keine Zahlungen mehr an die Beklagte zu leisten habe. Diese hat für den Fall des Unterliegens des Klägers widerklagend dessen Verurteilung zur Zahlung der noch ausstehenden hälftigen Kursgebühr von 23.800 € nebst Zinsen beantragt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Hilfswiderklage stattgegeben. Der Vertrag sei weder wegen Sittenwidrigkeit noch gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG wegen Verstoßes gegen das Zulassungserfordernis für Fernlehrgänge nichtig. Dieses Gesetz sei mangels Überwachung des Lernerfolgs im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG unanwendbar. Der Kläger habe den Vertrag auch nicht wirksam angefochten oder gekündigt.

Auf seine Berufung und seine zuletzt gestellten Anträge hat das Oberlandesgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 23.800 € nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Kläger aus dem „streitgegenständlichen Vertrag“ keine Zahlungen mehr an die Beklagte zu leisten habe. Über die Hilfswiderklage hat es mangels Eintritt der innerprozessualen Bedingung nicht entschieden. Die Beklagte begehrt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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