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Die rechtliche Rolle von eBay & Co.: Nur eine Plattform oder auch in der Verantwortung?

eBay-Recht | Lesezeit: ca. 14 Minuten

Online-Auktionsplattformen wie eBay haben den Handel revolutioniert. Sie ermöglichen es Millionen von Privatpersonen und gewerblichen Händlern, Waren aller Art unkompliziert zu kaufen und zu verkaufen. Doch was passiert, wenn ein Geschäft fehlschlägt, der gekaufte Artikel nicht ankommt oder Rechte Dritter verletzt werden? Viele Nutzer stellen sich dann die Frage ob der Anbieter bzw. der Plattformbetreiber Verantwortung übernehmen muss. Ist eBay nur ein passives „schwarzes Brett“ im Internet oder trifft das Unternehmen eine eigene rechtliche Verantwortung für die auf seinem Marktplatz abgewickelten Geschäfte? Die Rechtsprechung hat über die Jahre eine differenzierte Antwort auf diese Frage entwickelt, die die Rolle der Plattformbetreiber weit über die eines reinen Technik-Anbieters hinaus erweitert hat.

Der Marktplatz als reiner Vermittler

Zunächst ist es entscheidend zu verstehen, wie die rechtlichen Beziehungen auf einer Plattform wie eBay strukturiert sind. Der Kaufvertrag kommt ausschließlich zwischen dem Verkäufer und dem Käufer zustande. Die Plattform selbst ist nicht Partei dieses Vertrages. Sie stellt lediglich die technische Infrastruktur zur Verfügung, die es den Nutzern ermöglicht, Angebote einzustellen, Gebote abzugeben und so Verträge miteinander zu schließen. Das Verhältnis zwischen dem Nutzer und der Plattform wird durch einen eigenständigen Nutzungsvertrag geregelt, der durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Anbieters ausgestaltet wird.

eBay selbst beschreibt sein Unternehmensziel so: „Mit unserer Hilfe können unsere Mitglieder mit allem handeln ‚was das Herz begehrt‘. eBay wurde im Glauben an die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit unserer Mitglieder gegründet.“ Diese Formulierung unterstreicht das Selbstverständnis als eine Handelsgemeinschaft, die den Rahmen für Geschäfte bietet, aber nicht in die Geschäfte selbst involviert ist.

Diese grundlegende Rollenverteilung wurde bereits früh von der Justiz bestätigt. So hatte in einem vom Amtsgerichts Westerstede entschiedenen Fall ein Nutzer eine Karibikkreuzfahrt ersteigert, den Preis bezahlt, die Reise aber nie erhalten, da der Anbieter betrügerisch handelte. Der geprellte Käufer verklagte daraufhin eBay auf Schadensersatz. Das Gericht wies die Klage jedoch ab und stellte fest, dass die Plattform keine Vertragspflichten verletzt habe. Die Richter machten deutlich, dass ein Internetauktionshaus nicht für die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrages zwischen Anbieter und Käufer haftet. Es bestehe auch keine generelle Verpflichtung, die Identität und die Bonität der Anbieter zu überprüfen. Ebenso wenig sei die Plattform verpflichtet, gesetzliche Informationspflichten, beispielsweise aus dem Fernabsatzrecht, zu erfüllen, die allein dem Verkäufer obliegen. Der Nutzer, so das Gericht, könne bei der Vielzahl der abgewickelten Auktionen keine konkreten Vertragsabwicklungshinweise von der Plattform erwarten. Das Risiko, das bei Online-Auktionen entstehe, sei vielmehr charakteristisch für diese Art des Handels (AG Westerstede, 19.12.2001 - Az: 21 C 792/01 V). Die Haftung für ein Scheitern des Geschäfts liegt demnach primär bei den direkten Vertragspartnern.

Wann haftet die Plattform aufgrund der Störerhaftung?

Diese strikte Trennung der Verantwortlichkeiten gerät jedoch an ihre Grenzen, sobald auf der Plattform nicht nur zivilrechtliche Leistungsstörungen auftreten, sondern die Angebote selbst rechtswidrig sind. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise gefälschte Markenartikel, jugendgefährdende Medien oder Produkte, die gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen, angeboten werden oder die Identität einer Person missbräuchlich für Verkäufe genutzt wird. Hier hat die Rechtsprechung die sogenannte Störerhaftung entwickelt, um die Plattformbetreiber in die Pflicht zu nehmen.

Ein Störer ist jemand, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt. Die Plattform selbst verkauft zwar keine Fälschungen, aber sie schafft durch den Betrieb des Online-Marktplatzes erst die technische Möglichkeit dafür. Das Telemediengesetz (TMG) sieht zwar Haftungsprivilegien für Host-Provider vor, die fremde Informationen für einen Nutzer speichern. Diese Privilegien gelten jedoch, so der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung, primär für die strafrechtliche Verantwortlichkeit und für Schadensersatzansprüche. Sie entbinden den Betreiber jedoch nicht von seiner Verantwortung, künftige Rechtsverletzungen zu unterbinden, sobald er von ihnen Kenntnis erlangt hat. Der Anspruch auf Unterlassung bleibt von den Privilegien des TMG unberührt.

Diese grundlegende Weichenstellung wurde in mehreren Entscheidungen zementiert. So entschied der BGH im Fall von Angeboten gefälschter Rolex-Uhren (BGH, 19.04.2007 - Az: I ZR 35/04), dass eBay als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Ebenso urteilte er im Fall des Angebots von indizierten jugendgefährdenden Medien (BGH, 12.07.2007 - Az: I ZR 18/04). In beiden Fällen argumentierte das Gericht, dass die Plattform eine ernsthafte Gefahr geschaffen habe, dass ihre Dienste für rechtswidrige Zwecke missbraucht werden. Aus dieser Gefahrschaffung erwächst eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, die den Betreiber zum Handeln zwingt, sobald er von einer konkreten Rechtsverletzung erfährt.

Wann unterliegt der Anbieter konkreten Prüfungspflichten?

Die Störerhaftung bedeutet nicht, dass eBay oder andere Plattformen verpflichtet sind, jedes einzelne Angebot proaktiv auf mögliche Rechtsverstöße zu überprüfen. Eine solche allgemeine Überwachungspflicht wäre technisch kaum umsetzbar und würde das Geschäftsmodell unzumutbar erschweren. Die Haftung ist vielmehr reaktiv ausgestaltet und wird erst durch einen konkreten Hinweis auf eine klare und unzweifelhafte Rechtsverletzung ausgelöst. Liegt ein solcher Hinweis vor, greift ein zweistufiges Pflichtenprogramm, das oft als „Notice and Take Down / Stay Down“ bezeichnet wird.

Zunächst muss die Plattform das konkret beanstandete, rechtsverletzende Angebot unverzüglich entfernen („Take Down“). Mit diesem Schritt allein ist es jedoch nicht getan. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt klargestellt, dass den Betreiber darüber hinaus eine zukunftsgerichtete Pflicht trifft: Er muss technisch mögliche und zumutbare Vorsorgemaßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es nicht zu weiteren, gleichartigen Rechtsverletzungen kommt („Stay Down“).

Der Umfang dieser präventiven Pflichten hängt von der Art des Verstoßes ab:

Markenrechtsverletzungen: Wurde ein Verkäufer wegen des Angebots von Markenfälschungen gemeldet, muss die Plattform Vorkehrungen treffen, damit nicht erneut gefälschte Produkte dieser Marke angeboten werden. In einer Folgeentscheidung zum Rolex-Fall (BGH, 30.04.2008 - Az: I ZR 73/05) machte der BGH deutlich, dass die Plattform, nachdem sie von Markenverletzungen wusste, darlegen muss, welche Kontrollmaßnahmen sie ergriffen hat, um weitere Verstöße zu verhindern.

Verletzung von Persönlichkeitsrechten: In einem Fall, in dem die Identität einer Person missbräuchlich für betrügerische Verkäufe genutzt wurde, entschied der BGH (BGH, 10.04.2008 - Az: I ZR 227/05), dass eBay nach dem ersten Hinweis verpflichtet war, im Rahmen des Zumutbaren zu verhindern, dass die Daten des Geschädigten erneut für Anmeldungen missbraucht werden.

Produktsicherheit: Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt, 24.06.2021 - Az: 6 U 244/19) verpflichtete eBay, nach einem Hinweis auf Angebote für Schwimmhilfen ohne die erforderliche CE-Kennzeichnung nicht nur das konkrete Angebot zu sperren, sondern auch Vorsorge zu treffen, dass es nicht zu weiteren Verstößen der bereits beanstandeten Händler-Accounts kommt. Das Gericht hielt den Einsatz von Filtersoftware zur Überwachung dieser spezifischen Accounts für zumutbar.

Entscheidend bleibt stets die Abwägung der Zumutbarkeit. Die aufzuerlegenden Pflichten dürfen das Geschäftsmodell der Plattform nicht infrage stellen. Der Rechteinhaber, der die Plattform in Anspruch nimmt, trägt grundsätzlich die Beweislast dafür, dass bestimmte Kontrollmaßnahmen technisch möglich und zumutbar sind. Allerdings trifft die Plattform eine sogenannte sekundäre Darlegungslast: Sie kann die Möglichkeit von Maßnahmen nicht einfach pauschal bestreiten, sondern muss substantiiert darlegen, warum bestimmte technische Lösungen nicht umsetzbar oder wirtschaftlich unzumutbar sind.

Bei „aktiver Rolle“ des Betreibers greifen Haftungsprivilegien nicht!

Die Haftungsfrage für Online-Marktplätze wird auch auf europäischer Ebene intensiv diskutiert. Eine wegweisende Entscheidung traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rechtsstreit zwischen L’Oréal und eBay (EuGH, 12.07.2011 - Az: C-324/09). Der EuGH stellte klar, dass die Haftungsprivilegien für Host-Provider dann nicht greifen, wenn der Betreiber eine „aktive Rolle“ spielt, die ihm eine Kenntnis der Angebotsdaten oder eine Kontrolle über sie verschaffen kann. Eine solche aktive Rolle liegt beispielsweise vor, wenn der Betreiber Hilfestellung leistet, die die Präsentation von Verkaufsangeboten optimiert oder diese gezielt bewirbt.

Spielt der Betreiber eine solche aktive Rolle, kann er sich nicht mehr auf die Position des neutralen Vermittlers zurückziehen. Aber auch ohne eine aktive Rolle entfällt der Haftungsausschluss, wenn der Betreiber sich Tatsachen oder Umstände bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die Rechtswidrigkeit der Angebote hätte feststellen müssen, und er daraufhin nicht unverzüglich tätig wurde.

Darüber hinaus stärkte der EuGH die Position der Rechteinhaber, indem er entschied, dass nationale Gerichte den Plattformen aufgeben können, Maßnahmen zur Identifizierung ihrer gewerblichen Verkäufer zu ergreifen und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen zur Vorbeugung gegen erneute Rechtsverletzungen umzusetzen. Diese Entscheidung fügt sich nahtlos in die vom BGH entwickelte Störerhaftung ein und gibt ihr eine europarechtliche Grundlage. Sie verdeutlicht, dass die Betreiber von Online-Marktplätzen eine wachsende Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Handels auf ihren Seiten tragen.
Stand: 13.09.2025
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