Eine urheberrechtliche Abmahnung enthält meist hohe Forderungen und die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung nebst Zahlung von Schadensersatz und Anwaltsgebühren. Doch die Kosten sind nicht in Stein gemeißelt. Denn aus juristischer Sicht handelt es sich bei dem Schreiben um ein sogenanntes Vergleichs- bzw. Einigungsangebot.
Erst dann, wenn der Abgemahnte sich einverstanden erklärt, wird ein Vertrag geschlossen, der zur Zahlung der Vergleichssumme und Abgabe der Unterlassungserklärung verpflichtet. Es kann daher auch mit der Gegenseite über die Modalitäten verhandelt werden oder aber eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.
Was wird dem Anschlussinhaber vorgeworfen?
Der Kern des Vorwurfs beim Filesharing ist nicht primär der Download, sondern das gleichzeitige Anbieten (Upload) der Dateien an andere Nutzer. Sogenannte Tauschbörsen oder P2P-Netzwerke (Peer-to-Peer) funktionieren dergestalt, dass Nutzer, während sie eine Datei herunterladen, die bereits geladenen Teile dieser Datei automatisch anderen Nutzern im Netzwerk zur Verfügung stellen. Dieses „öffentliche Zugänglichmachen“ stellt den eigentlichen Urheberrechtsverstoß dar (
§ 19a UrhG).
Die abmahnenden Kanzleien beauftragen spezialisierte Firmen, diese Tauschbörsen zu überwachen. Diese Firmen ermitteln die IP-Adressen von Nutzern, die bestimmte Werke anbieten. Über ein gerichtliches Gestattungsverfahren wird anschließend der Internet-Provider (z. B. die Deutsche Telekom AG oder 1 & 1) verpflichtet, die zu einer bestimmten IP-Adresse zu einer bestimmten Uhrzeit gehörenden Bestandsdaten des Anschlussinhabers herauszugeben. Die Abmahnung wird dann an diese Person versandt.
Bestandteile der Abmahnung
Eine Filesharing-Abmahnung besteht typischerweise aus drei Hauptforderungen. Die erste ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit dieser soll die sogenannte Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden. Der Anschlussinhaber verpflichtet sich vertraglich, die Handlung zukünftig zu unterlassen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine hohe Vertragsstrafe zu zahlen. Oftmals sind die den Abmahnungen beigefügten vorformulierten Erklärungen sehr weit gefasst und können sich beispielsweise pauschal auf das gesamte Repertoire des Rechteinhabers erstrecken, was über den eigentlichen Verstoß hinausgeht.
Die zweite Forderung ist der Schadensersatz. Dieser wird oft in Form der sogenannten Lizenzanalogie berechnet. Dabei wird gefragt, was der Verletzer hätte zahlen müssen, wenn er eine ordnungsgemäße Lizenz für das öffentliche Zugänglichmachen erworben hätte. Die Rechteinhaber argumentieren oft mit hohen Beträgen, etwa weil es sich um besonders nachgefragte oder kommerziell erfolgreiche Werke handelt, die beispielsweise Gold- oder Platinstatus erreicht haben.
Die dritte Forderung betrifft die Erstattung der Anwaltskosten für den Ausspruch der Abmahnung. Diese berechnen sich nach dem sogenannten Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs. Dieser Wert wird von den Rechteinhabern oft sehr hoch angesetzt, beispielsweise mit 30.000,00 € für ein einzelnes Musikalbum. Aus diesem hohen Wert resultieren dann erhebliche Anwaltsgebühren, die ebenfalls vom Abgemahnten gefordert werden. Bei einfachen Fällen im nicht-gewerblichen Bereich ist die Kostenerstattung jedoch auf 100 Euro gedeckelt.
Haftung des Anschlussinhabers – Täter oder Störer?
Die Abmahnung richtet sich an den Anschlussinhaber, da dessen Daten über die IP-Adresse ermittelt wurden. Das Schreiben unterstellt dabei zunächst, dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Rechtsverletzung ist. Gerichte, wie der Bundesgerichtshof (BGH), nahmen in der Vergangenheit (z. B. BGH, 12.05.2010 - Az:
I ZR 121/08) eine tatsächliche Vermutung an, dass der Anschlussinhaber für Rechtsverletzungen verantwortlich ist, die von seinem Anschluss ausgehen.
Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderlegbar. Sie begründet lediglich eine sekundäre Darlegungslast für den Anschlussinhaber. Das bedeutet, der Anschlussinhaber muss, wenn er die Tat bestreitet, konkret vortragen, warum er nicht als Täter infrage kommt.
Erschütterung der Vermutung: Der Mehrpersonenhaushalt
Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers insbesondere in Mehrpersonenhaushalten erheblichen Bedenken begegnet. Wenn der Internetanschluss nachweislich und selbstständig von mehreren Personen (z. B. Ehepartner, volljährige Kinder, Mitbewohner) genutzt werden kann, entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Anschlussinhaber nicht jede Nutzung kontrolliert.
In einem solchen Fall, wie ihn das Amtsgericht Bielefeld (AG Bielefeld, 06.03.2014 - Az:
42 C 368/13) zu entscheiden hatte, genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast bereits dann, wenn er vorträgt, dass andere Personen im Haushalt selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Er muss nicht ermitteln oder nachweisen, welche dieser Personen die Tat konkret begangen hat. Eigene Ermittlungen oder eine Überwachung der Familienmitglieder können vom Anschlussinhaber nicht verlangt werden, da dies auch mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie (Artikel 6 Grundgesetz) unvereinbar wäre.
Wurde der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast gerecht, ist die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft erschüttert. Die volle Darlegungs- und Beweislast liegt dann wieder beim Kläger (dem Rechteinhaber). Dieser muss nun nachweisen, dass der Anschlussinhaber persönlich die Rechtsverletzung begangen hat, was in der Praxis oft misslingt. Eine Haftung als Störer, also als jemand, der die Verletzung nicht selbst begangen, aber ermöglicht hat, scheidet bei einem ausreichend gesicherten WLAN-Anschluss (z. B. WPA2-Verschlüsselung) und einer allgemeinen Belehrung der Mitnutzer über die Illegalität von Tauschbörsen oft ebenfalls aus.
Sonderfall: Unberechtigte Abmahnungen
Nicht jede Abmahnung ist berechtigt. Dies gilt insbesondere, wenn der Anschlussinhaber offensichtlich nicht als Täter in Betracht kommt. Das Amtsgericht Frankfurt/Main (AG Frankfurt/Main, 16.12.2014 - Az:
30 C 2801/14 (32)) befasste sich mit einem Fall, in dem ein Klinikunternehmen abgemahnt wurde. Die Klinik bot ihren Patienten einen Internet-Zugang über ein gesichertes WLAN-Netzwerk an und belehrte diese über das Verbot von Rechtsverletzungen.
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