Auch eine nicht angefochtene Entscheidung über die Bemessung der Räumungsfrist kann abgeändert werden, wenn veränderte Umstände bzw. neue Tatsachen vorliegen.
Wenn wegen der vor Ablauf der Räumungsfrist eingetretenen allgemeinen pandemiebedingten Gefahrenlage eine etwaige Obdachlosigkeit des Ex-Mieters droht, verstößt es gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Übermaßverbot den Ex-Mieter jetzt zu räumen; dem stehen berechtigte Interessen des Vermieters oder anderer Mieter nicht entgegen.
Hierzu führte das Gericht aus:
1. Der Antrag des Beklagten auf Verlängerung der Räumungsfrist ist zulässig, insbesondere vor Ablauf der Frist des § 721 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestellt worden; die Klägerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat davon gebracht gemacht.
Der Antrag ist in dem geltend gemachten Umfang begründet. Die Räumungsfrist ist nicht unter die Bedingung der von der Klägerin begehrten Auflagen zu stellen.
a) Nach § 721 Abs. 3 ZPO kann eine bereits gewährte Räumungsfrist auf Antrag verlängert werden. Im Rahmen des pflichtgemäß auszuübenden Ermessens hat das jeweils zuständige Instanzgericht, § 721 Abs. 4 Satz 1 ZPO, nach allgemeiner Ansicht am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert sorgfältig die Interessen des Gläubigers gegen die des Schuldners abzuwägen.
Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll § 721 ZPO sicherstellen, dass der Mieter von Wohnraum innerhalb einer angemessenen Frist anderweitig untergebracht werden kann (BT-Drs. IV/806, S. 13 unter Hinweis auf § 5a Mieterschutzgesetz) und ihn vor der Obdachlosigkeit bewahren. Die Vorschrift trägt dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten, die Zwangsvollstreckung beschränkenden Übermaßverbot Rechnung, das nicht erst verletzt ist, wenn der Mieter obdachlos wird, sondern bereits dann, wenn zumutbarer Ersatzwohnraum für ihn nicht verfügbar ist. Die Regelung beruht auf der Erkenntnis, dass die Wohnung als Mittelpunkt der privaten Existenz des Einzelnen von elementarer Bedeutung ist.
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