Die von § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vorausgesetzte Kausalität des Verhaltens für die Bedürftigkeit bzw. Leistungspflicht kann aufgrund eines Beratungsfehlers der Behörde entfallen.
Sie entfällt, wenn die Behörde beratungsfehlerhaft gehandelt hat und nach wertender Abwägung zwischen dem Verhalten (hier: Unterlassen) des Hilfebedürftigen oder Dritten und dem Beratungsfehler sowie ggf. weiteren Ursachen das Verhalten des Hilfebedürftigen oder Dritten nicht als wesentlich ursächlich angesehen werden kann.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger auf der Grundlage von § 103 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) zum Ersatz der Kosten der
Sozialhilfe heranziehen darf, die ihm entstanden sind, weil der Kläger als
Betreuer nicht verhindert hat, dass die freiwillige Versicherung der von ihm Betreuten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund von Zahlungsrückständen endete, und der Beklagte deswegen Leistungen an die
Betreute zu erbringen hat.
Nach einer Teilaufhebung des Senatsurteils vom 13. März 2019 und einer Zurückverweisung durch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 3. Juli 2020 -
B 8 SO 2/19 R - steht nur noch die Kostenersatzpflicht dem Grunde nach für die vom Beklagten erbrachte Leistungen der Hilfe zur Pflege im Streit.
Hierzu führte das Gericht aus:
Ein Kostenersatz scheidet aus, wenn das Verhalten (bzw. Unterlassen) des Leistungsempfängers oder Dritten nicht kausal für die Hilfebedürftigkeit ist, wobei die Kausalität auch aufgrund eines Beratungsfehlers des Beklagten entfallen kann, nämlich, wenn die Inanspruchnahme der Sozialhilfe durch eine gebotene Beratung seitens des Sozialhilfeträgers hätte vermieden werden können.
Angesprochen ist damit die Relevanz einer Mehrfachkausalität (Tun oder Unterlassen des Betroffenen im Verhältnis zum Beratungsunterlassen der Behörde) bei der wertenden Zurechnung, insbesondere beim Unterlassen.
Auch insoweit bedarf es einer wertenden Betrachtung, denn allein eine Beratung lässt den „Erfolg“ im Sinne einer unterlassenen Antragstellung mit der Folge eines gesteigerten Sozialhilfebedarfs nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfallen.
Umgekehrt kann nicht jeder Erfolg dem Unterlassen einer Person zugerechnet werden, wenn eine Behörde durch pflichtgemäßes Handeln den Erfolgseintritt hätte verhindern können. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass auch über das Kriterium der Sozialwidrigkeit hinaus bei der Kausalitätsprüfung Einschränkungen unter Zurechnungs-, Wesentlichkeits- und Adäquanzgesichtspunkten in Betracht kommen unterliegt die Kausalitätsprüfung auch der Einschränkung unter dem Schutzzweck der Norm.
Eine fehlende Wesentlichkeit hat auch der 4. Senat des Bundessozialgerichts bezüglich eines Verhaltens eines Betreuers erwogen, wenn die Bedürftigkeit auch auf einer unzureichenden Sachbearbeitung in Gestalt eines fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit einer Antragstellung beruht und diese fehlerhafte Sachbearbeitung nicht hinweg gedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele.
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