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Einsatz des Vermögens für die Erstattung der Betreuervergütung und die Lebensversicherung

Betreuungsrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Soweit die Staatskasse den Betreuer befriedigt, gehen dessen Ansprüche gegen den Betroffenen auf sie über (§ 1836e Abs. 1 Satz 1, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein erfolgreicher Rückgriff der Staatskasse gegen den Betroffenen setzt voraus, dass dieser zum maßgebenden Zeitpunkt nicht mittellos ist, d.h. den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 1836d Nr. 1 BGB). Sein Vermögen hat der Betreute nach Maßgabe des § 90 SGB XII einzusetzen.

Zu entscheiden war vorliegend, ob der dem Betroffenen am 1.10.2008 zugeflossene Auszahlungsbetrag aus der Kapitallebensversicherung von 15 888, 26 € einzusetzendes Vermögen ist, soweit er den Schonbetrag von 2 600 € gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1a der einschlägigen Verordnung übersteigt.

Das wäre nur dann zu verneinen, wenn der Einsatz dieses Vermögens für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde. Diese Voraussetzung ist insbesondere gegeben, soweit hierdurch eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (§ 90 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XII).

Ob ein Vermögensbetrag im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII einzusetzen ist oder ob der Einsatz eine Härte bedeuten würde, weil er die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschweren würde, obliegt der Beurteilung des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dessen Würdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), d.h. darauf, ob der Tatrichter einen der unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat.

Für die Anwendung der Härteregelung im Sozialhilferecht unmittelbar sowie entsprechend im Rahmen des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO) ist anerkannt: Eine wesentliche Erschwerung bezüglich der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung ist anzunehmen, wenn - unter Einbeziehung des in Rede stehenden Kapitals - eine von der Sozialhilfe unabhängige Altersversorgung existiert und die anderweitige Verwendung dieses Kapitals ursächlich dazu führt, dass der Betroffene in Zukunft seine Altersversorgung zumindest teilweise auch durch die Inanspruchnahme von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt wird bestreiten müssen.

Die Erforderlichkeit des zweckentsprechenden Kapitaleinsatzes kann nur dann bejaht werden, wenn die sonstige Altersversorgung des Betroffenen bekannt ist. Die Schlussfolgerung muss möglich sein, dass die Alterssicherung dereinst unzureichend sein werde.

Bei Anlegung dieses Maßstabs ist zunächst festzustellen: Hier beträgt das derzeitige Renteneinkommen des Betroffenen ca. 733 €. Im Vergleich hierzu errechnet sich der gegenwärtige sozialrechtliche Bedarf wie folgt: Der für den Wohnsitz des Betroffenen in Bayern maßgebende Eckregelsatz der Sozialhilfe beträgt 351 € (vgl. www.stmas.bayern.de/sozial/sozialhilfe/saetze.htm). Hinzu kommen die Kosten der Unterkunft. Dabei ist allerdings nicht von der tatsächlichen Miete auszugehen, die der Betroffene derzeit zahlt, nämlich brutto 554,59 € (worin Heizkosten von 51,50 € und zudem ein Tiefgaragenstellplatz mit 30,68 € enthalten sind). Denn der Einwand liegt nahe, dass eine Wohnungsgröße von knapp 63 m2 für eine alleinstehende Person die Grenze des Notwendigen nicht unwesentlich überschreiten kann.

Vielmehr ist der nach § 12 Abs. 1 (bis 31.12.2008 § 8 Abs. 1 a.F) WoGG anzusetzende Höchstbetrag zugrunde zu legen. Dieser wurde im Wohngeldbescheid an den Betroffenen vom 20.5.2008 vom Landratsamt in der hier maßgebenden Mietstufe III mit 300 € beziffert. Dieser Betrag wurde zum Jahresbeginn 2009 gesetzlich auf 330 € erhöht.

Damit ergäbe sich ein derzeitiger sozialhilferechtlicher Bedarf von (351 + 330 =) 681 €. Dieser liegt aber nur um knapp 52 € unter dem tatsächlich bezogenen Renteneinkommen des Betroffenen.

Bei einer vergleichenden zukunftsgerichteten Betrachtung ist einerseits zu berücksichtigen, dass nach allgemeinen Erfahrungswerten auf längere Sicht wohl nicht mit deutlichen Rentenanhebungen gerechnet werden kann; überdies werden Zuwächse oder sogar der gegenwärtige Betrag der Rente womöglich durch Steigerungen für Kranken- und Pflegeversicherung weiter geschmälert.

Andererseits könnte bereits bei der nächsten Anhebung nicht nur des Eckregelsatzes, sondern vor allem der sozialhilferechtlich maßgebenden Kosten der Unterkunft in der zuletzt vorgenommenen Größenordnung die Höhe des Bedarfs für Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sich noch weiter an das Renteneinkommen des Betroffenen annähern. Selbst wenn man berücksichtigt, dass derartige Anhebungen der für das Sozialrecht maßgebenden Wohnkosten erfahrungsgemäß nur in größeren Zeitabständen von mindestens 8-10 Jahren vorgenommen werden, ist doch absehbar, dass das ohnehin geringe Renteneinkommen des Betroffenen in der Zukunft womöglich sogar einmal niedriger liegen könnte als sein sozialhilferechtlicher Bedarf und deshalb der Kapitalbetrag zumindest teilweise zur Vermeidung der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zu dienen bestimmt sein kann.

Deshalb ist grundsätzlich anzunehmen, dass der in Rede stehende Kapitalbetrag - soweit er überhaupt das Schonvermögen von 2 600 € überschreitet, also in Höhe von 13 288 € - dazu geeignet ist, eine Alterssicherung des Betroffenen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu gewährleisten. Angesichts der vergleichsweise begrenzten Größenordnung dieses Betrages und des Lebensalters des Betroffenen von erst 58 Jahren verbietet sich vor dem Hintergrund der in Rede stehenden Unwägbarkeiten (konkrete Lebenserwartung, Unabsehbarkeit der künftigen Rentenentwicklung und des Sozialhilfebedarfs) eine weitere Aufteilung in "zur Alterssicherung notwendige" bzw. "nicht notwendige" Teilbeträge.

Hier kommt folgendes hinzu. Die Regelung des § 90 Abs. 3 SGB XII ist für die Haftung des Betroffenen mit seinem Vermögen für die Betreuerentschädigung nur entsprechend anwendbar. Es liegt zwar nahe, sich insoweit an der Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersicherung im Bereich der unmittelbaren Anwendung der Sozialhilfevorschriften oder beim Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu orientieren. Die dazu entwickelten Maßstäbe müssen aber nicht zwingend und wortgetreu für die hier zu entscheidende Fragestellung herangezogen werden.

Der Senat hält es für zumindest vertretbar, die Frage nach der Angemessenheit der Alterssicherung eines Betroffenen, für den durch staatlichen Eingriff aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistig/seelischen Behinderung ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter bestellt wurde, nicht strikt und allein nach dem Vergleichsmaßstab des Sozialhilfeniveaus zu beantworten.

Wenn die Nichtberücksichtigung des Vermögensbetrages dazu führt, dass über einen Zeitraum von rund 22 Jahren hinweg dem Betroffenen ein Betrag verbleibt, der seine Rente um monatlich 50 € aufstocken kann und damit bewirkt, dass dieser Gesamtbetrag der Alterssicherung insgesamt um etwa 100 € über dem aktuellen Sozialhilfeniveau liegt, ist die Grenze einer vertretbaren Auslegung des Begriffs "angemessene Alterssicherung" jedenfalls für den hier genannten Personenkreis noch nicht überschritten. Das gilt umso mehr, als aus den dargelegten Erwägungen dieser Abstand in Zukunft wohl keinesfalls wachsen, sondern tendenziell eher abnehmen wird, wenn sich das Sozialhilfeniveau dem Betrag der vom Betroffenen bezogenen Versichertenrente annähern sollte.

Deshalb kann die auf ähnlichen Überlegungen beruhende Argumentation des Landgerichts im Ergebnis nicht beanstandet werden, auch wenn diese als Bezugspunkt die Aufstockung der aktuellen Rente (um 66 €) gewählt und nicht das aktuelle Sozialhilfeniveau zum Ausgangswert einer, hier freilich zu modifizierenden, Vergleichsbetrachtung genommen hat.

Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, der in Rede stehende Betrag sei schon deshalb zur Alterssicherung ungeeignet, weil nicht auszuschließen sei, dass er vorzeitig zu anderen Zwecken verbraucht werde. Würde man dies als triftigen Einwand gelten lassen, liefe die Härtebestimmung des § 90 Abs. 3 SGB XII insoweit praktisch leer, denn die theoretische Möglichkeit einer solchen zweckwidrigen Verwendung besteht immer. Ihr kann allenfalls mit einer konkret einzelfallbezogenen Begründung begegnet werden, für die hier aber nichts ersichtlich ist.

Schließlich unterscheidet sich auch der hier gegebene Sachverhalt von demjenigen der Senatsentscheidung vom 8.7.2005 - Az: 33 Wx 82/05, auf die sich der Beteiligte zu Begründung seiner Rechtsmittel beruft. In jenem Fall verfügte die Betroffene nicht über eine eigenständige Alterssicherung. Vielmehr stellte ihr Vermögen die einzige Quelle für die Sicherstellung einer angemessenen Lebensführung sowohl gegenwärtig als auch im Alter dar. Es war absehbar, dass dieses Vermögen nach einigen Jahren aufgebraucht sein würde. Der Senat hat allein die Tatsache, dass der Einsatz des Vermögens für die Betreuerentschädigung zu dessen schnellerem Verbrauch und früher einsetzender Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, nicht für ausreichend gehalten, um eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII zu bejahen. Dies ist aber eine andere Situation als die hier gegebene, in der die tatsächlich bestehende Alterssicherung zusammen mit dem Gegenwert des vorhandenen Vermögens ohne die Heranziehung zur Betreuervergütung voraussichtlich ausreichen wird, den Einsatz öffentlicher Mittel für den Lebensunterhalt abzuwenden.


OLG München, 27.01.2009 - Az: 33 Wx 197/08

ECLI:DE:OLGMUEN:2009:0127.33WX197.08.0A

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