Die bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von
§ 7 BUrlG bei Langzeiterkrankungen geltende 15-monatige Verfallfrist kann ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen, wenn die
Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem
Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen.
Hierzu führte das Gericht aus:
Der Senat hat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs vom 22. September 2022 (Az:
C-518/20 und C-727/20) die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bei einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verfallen kann, weiterentwickelt. Danach erlischt bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG Urlaub nach Ablauf von 15 Monaten, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig war. In diesem Fall tritt die Rechtsfolge unabhängig davon ein, ob der Kläger seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Hat der Arbeitnehmer hingegen im Verlauf des Bezugszeitraums gearbeitet, bevor er arbeitsunfähig erkrankt ist, kann Urlaubsanspruch grundsätzlich nur dann nach Ablauf der 15 Monatsfrist verfallen, wenn der Arbeitgeber Inanspruchnahme des Urlaubs zuvor in gebotener Weise ermöglicht hat. Der Arbeitgeber hat das Risiko, dass der
Urlaub wegen einer im Urlaubsjahr eintretenden Krankheit nicht erfüllt werden kann, jedoch nur zu tragen, soweit er im Urlaubsjahr - tatsächlich - die Zeit hatte, seinen Obliegenheiten nachzukommen. Für die davorliegenden Arbeitstage können ihn die normativen Folgen der Obliegenheitsverletzung nicht treffen. Erkrankt der Arbeitnehmer - wie hier - zu einem so frühen Zeitpunkt im Urlaubsjahr dauerhaft, dass er selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arbeitgeber seinen Urlaub nicht vollständig hätte nehmen können, bleibt ihm außerdem nach Ablauf der 15 Monatsfrist nur die Anzahl an Urlaubstagen erhalten, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeit des Arbeitgebers, seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen, bis zum Eintritt seiner Erkrankung erfüllt werden konnte.
Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene Urlaubsansprüche bestehen, die nicht mehr erfüllt werden können, weil das Arbeitsverhältnis beendet ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie bereits zuvor am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen sind.
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