Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Wurde seitens eines bereits länger
arbeitsunfähig erkrankten
Arbeitnehmers vor Ausspruch der
Kündigung eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt, nachfolgend bewilligt erhalten und durchgeführt, so rechtfertigt allein der Umstand, dass die Maßnahme nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers geführt hat, nicht die Schlussfolgerung, die Maßnahme sei von vornherein ungeeignet und aussichtslos gewesen und deshalb kein weiteres abwarten erforderlich gewesen.
Eine bevorstehende Heilbehandlung lässt die Feststellung einer negativen Zukunftsprognose regelmäßig gerade nicht zu.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung vom 13.05.2008 zum 30.09.2008. Ferner begehrt der Kläger die
arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.
Der im Jahre 1968 geborene, ledige Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages seit März 2001 im Betrieb der Beklagten als Maschinenbautechniker gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 4.500,-- € beschäftigt. Die Aufgabenstellung des Klägers umfasst u. a. die Schulung von eigenen Mitarbeitern (Auszubildende, Außendienstmitarbeiter) sowie die Durchführung von Schulungen im Rahmen einer Kunden- und Projektbetreuung. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 13.05.2008 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2008 aus. Die angegriffene Kündigung stützt die Beklagte auf den Umstand, dass der Kläger seit dem Monat Dezember 2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und – wie die Beklagte behauptet - aufgrund der vom Kläger vorgelegten Atteste mit einer Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, zuletzt habe der Kläger zwar durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14.04.2008 angegeben, eine anstehende medizinische Rehabilitation lasse die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erwarten. Die weitere Mitteilung, der Kläger strebe zur Vermeidung der Belastungen durch den weiten Weg vom Wohnort B1 zum Arbeitsplatz in W2 eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an, lasse jedoch erkennen, dass der Kläger selbst nicht von einer zeitnahen Genesung ausgehe. Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, bereits zum Zeitpunkt der Kündigung habe eine positive Gesundheitsprognose bestanden, was sich schon aus der im Kündigungszeitpunkt beantragten, mit Bescheid vom 03.07.2008 bewilligten und nachfolgend durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme ergebe.
Durch Urteil vom 24.03.2009, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung sei unter dem Gesichtspunkt der lang andauernden Erkrankung bei vollständig ungewisser Genesung begründet. Wie das eingeholte Sachverständigengutachten ergeben habe, sei im Zeitpunkt der Kündigung davon auszugehen gewesen, dass der Kläger auch künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Rahmen der beschriebenen Tätigkeiten krankheitsbedingt nicht ausfüllen könne, vielmehr sei bei Fortsetzung der Tätigkeit eine Verschlimmerung der bestehenden psychischen Erkrankung zu erwarten gewesen. Soweit sich der Kläger demgegenüber auf eine positive Gesundheitsprognose berufe, fehle es hieran an ausreichenden Anhaltspunkten, allein die Benennung der behandelnden Ärzte sei hierfür nicht genügend, da der Kläger nicht einmal angegeben habe, welcher Mediziner mit welcher konkreten Begründung irgendeine positive Gesundheitsprognose abgegeben haben solle. Auch dem Sachverständigen habe der Kläger keine derartigen, seine Darstellung stützenden Unterlagen vorgelegt. Allein der Umstand, dass der Kläger Ende Oktober 2008 aus der zwischenzeitlich durchgeführten Reha-Maßnahme „auf seinen Wunsch“ hin als arbeitsfähig entlassen worden sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass es auf eine nachträgliche Änderung des Sachverhalts nach Ausspruch der Kündigung nicht ankomme, müsse auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen werden, dass der Kläger jedenfalls für die ihm übertragene Aufgabenstellung nicht als arbeitsfähig angesehen werden könne. Nach alledem sei im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers völlig ungewiss gewesen, im Gegenteil drohe nach dem Sachverständigengutachten bei Fortführung der bisherigen stressbelasteten Beschäftigung eine zunehmende Chronifizierung und Verschlimmerung der psychischen Erkrankung mit Angst- und Somatisierungsstörungen sowie Panikattacken. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes müsse die gebotene Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgehen. Nachdem die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung auch den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt habe, seien gegen die Wirksamkeit der Kündigung keine Bedenken zu erheben. Dementsprechend scheide auch der verfolgte Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses aus.
Mit seiner rechtszeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzlich verfolgte Kündigungsfeststellungs- und Weiterbeschäftigungsbegehren unverändert weiter und tritt insbesondere den arbeitsgerichtlichen Ausführungen zur Frage der negativen Zukunftsprognose entgegen. Tatsächlich habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eine Prognoseentscheidung getroffen und zuletzt sich auch nicht mehr um eine weitere Klärung des klägerseitigen Gesundheitszustandes bemüht, sondern als Reaktion auf das klägerseitige Schreiben vom 14.04.2008 von einem weiteren Abwarten des Genesungsprozesses und der bevorstehenden Reha- Maßnahme abgesehen und sich für eine zeitnahe Entlassung des Klägers entschieden. Abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils werde durch das eingeholte Sachverständigengutachten die behauptete negative Zukunftsprognose auch keinesfalls überzeugend belegt. Wie dem Gutachten selbst zu entnehmen sei, seien die dem Sachverständigen zugänglichen Fremdbefunde unvollständig gewesen, was auf ein dem Kläger nicht zuzurechnendes Missverständnis zurückgehe. Aufgrund dessen habe er es versäumt, dem Sachverständigen die vollständigen Arztberichte über die vorangehenden Behandlungsmaßnahmen aus dem Zeitraum ab Ende 2007 bis zum Kündigungsausspruch zugängig zu machen. Schon die Unvollständigkeit der vom Sachverständigen ausgewerteten Unterlagen führe aber zu dem Ergebnis, dass sich die von der Beklagten behauptete negative Zukunftsprognose mit dem gerichtlich eingeholten Gutachten nicht belegen lasse. Dagegen, dass bereits im Zeitpunkt der Kündigung eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit definitiv ausgeschlossen oder vollständig ungewiss gewesen sei, spreche im Übrigen die Tatsache, dass der Kläger bereits vor Erhalt der Kündigung - und zwar auf Verlangen der Krankenkasse vom 03.03.2008 - die nachfolgend bewilligte und durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme beantragt habe. Wie aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, habe er selbst den betreffenden Antrag bereits am 06.05.2008 – also vor Ausspruch der Kündigung – unterzeichnet. Nach Eingang des Antrages bei der Krankenkasse am 15.05.2008 sei der Antrag am 20.05.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung eingegangen, welche alsdann die Reha-Maßnahme mit Bescheid vom 03.07.2008 bewilligt habe. Schon dieser Zeitablauf belege, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine dauerhafte Erkrankung ohne Besserungsaussicht keinesfalls habe angenommen werden können. Abgesehen davon, dass der Kläger aus der Reha-Maßnahme letztlich als arbeitsfähig entlassen worden und damit die behauptete negativer Zukunftsprognose widerlegt sei, habe die Beklagte jedenfalls die Durchführung der im Kündigungszeitpunkt bereits beantragten Reha-Maßnahme abwarten müssen. Schließlich habe die Beklagte auch ein entsprechendes betriebliches Eingliederungsmanagement gem. § 84 Abs. 2 SGB IX unterlassen und damit die Prüfung eines leidensgerechten Einsatzes unter Reduzierung der am zugewiesenen Arbeitsplatz bestehenden Stressbelastung versäumt und den Betriebsrat nicht korrekt über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet.
Die Beklagte verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Wie das Sachverständigengutachten überzeugend belegt habe, seien im Kündigungszeitpunkt Anhaltspunkte für eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht ersichtlich und die Genesung des Klägers damit vollständig ungewiss gewesen. Allein die Tatsache, dass dem Kläger nach Ausspruch der Kündigung – mit Bescheid vom 03.07.2008 – eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt worden sei, vermöge hieran nichts zu ändern, da es sich insoweit um eine nachträgliche Änderung des Lebenssachverhalts handele. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger bereits am 03.03.2008 zur Antragstellung aufgefordert worden sei. Bei der Deutschen Rentenversicherung sei der Antrag des Klägers jedenfalls erst nach Ausspruch der Kündigung – und zwar am 20.05.2008 – eingegangen. Ohnehin könne aus der Aufforderung an den Kläger, eine Rehabilitationsmaßnahme zu beantragen, kein Indiz dafür gesehen werden, dass auf diesem Wege die Arbeitsfähigkeit des Klägers für die bisherige Beschäftigung habe wiederhergestellt werden sollen, vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass das Ziel der Reha-Maßnahme darin bestanden habe, einer Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Allgemeinen entgegen zu treten und die weitere generelle Verfügbarkeit des Klägers am Arbeitsmarkt abzuklären. Die tatsächliche Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme belege im Übrigen deren Erfolglosigkeit, wobei unter Berücksichtigung von Krankheitsursache und bisherigem Krankheitsverlauf die Annahme berechtigt sei, dass eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit von vornherein als aussichtslos anzusehen gewesen sei. Allein die Tatsache, dass im Zeitpunkt der Kündigung die Bewilligung einer Reha-Maßnahme bevor gestanden habe, sei unter diesen Umständen nicht geeignet, die vom Sachverständigen überzeugend begründete negative Gesundheitsprognose in Frage zu stellen.
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