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Kann ein Arbeitsvertrag vor Arbeitsantritt gekündigt werden?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 13 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Nach der Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags gehen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in aller Regel davon aus, dass damit eine langfristige Vertragsgrundlage getroffen wurde, auf die man sich verlassen kann. Doch das ist nicht immer der Fall - möglicherweise hat sich noch besserer Bewerber gefunden oder ein anderer Arbeitgeber konnte ein besseres Angebot machen, sodass sich die Frage gestellt, ob bereits vor dem ersten Arbeitstag gekündigt oder vom Arbeitsvertrag zurückgetreten werden kann.

Rücktritt vom Arbeitsvertrag - geht das?

Nachdem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, ist ein Vertragsrücktritt nicht möglich, sofern im Arbeitsvertrag kein freies Rücktrittsrecht vereinbart wurde. Dies ist aber vollkommen unüblich.

Wenn der Vertrag aufgrund eines Irrtums oder einer arglistigen Täuschung abgeschlossen wurde, kann er jedoch angefochten werden. Zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber wesentliche Informationen vorenthalten hat, die den Arbeitnehmer davon abgehalten hätten, den Vertrag zu unterzeichnen.

Kündigung des Arbeitnehmers vor Arbeitsantritt: Auf den Arbeitsvertrag kommt es an!

Die Frage, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses schon vor Arbeitsbeginn möglich ist, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Die häufig verwendete Formulierung „ während der Probezeit gilt eine beiderseitige Kündigungsfrist von ...“ ist nicht als Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit vor Dienstantritt sondern nur dahingehend zu werten, dass, solange die Probezeit andauert, eine verkürzte Kündigungsfrist gilt.

Falls für das zu beurteilende Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag gilt, können sich auch in ihm Bestimmungen zur Kündigungsmöglichkeit vor Dienstantritt finden.

Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder auch aus wichtigem Grund vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden.

Anders sieht es aus, wenn dies im Vertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen - etwa der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit - zweifelsfrei ergibt.

Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist auch in einen Formulararbeitsvertrag zulässig (BAG, 23.02.2017 - Az: 6 AZR 665/15).

Die Kündigung muss schriftlich und unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist erfolgen und dem Vertragspartner rechtzeitig zugehen.

Arbeitnehmer müssen Kündigungsfrist beachten!

Von der Kündigung zu unterscheiden ist die Frage nach dem Beginn der Kündigungsfrist.

Diese kann entweder mit dem Zugang der Kündigung oder mit dem vorgesehenen Arbeitsbeginn anlaufen. Insoweit kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, zu welchen Ergebnissen eine ergänzende Vertragsauslegung führt. Dabei sind der mutmaßliche Willen der Vertragsschließenden und die dafür maßgebende Würdigung der beiderseitigen Interessen im konkreten Einzelfall zu ermitteln.

Allerdings gibt es typische Vertragsgestaltungen, die entweder für den einen oder den anderen Beginn der Kündigungsfrist sprechen. Der Arbeitsvertrag kann auch direkt die Regelung beinhalten, dass die Kündigungsfrist erst ab Vertragsbeginn läuft.

Für die Beurteilung, ob im Falle einer vor Dienstantritt ausgesprochenen ordentlichen Kündigung die Kündigungsfrist mit Kündigungszugang oder mit dem Tag, an dem die Arbeit aufgenommen werden sollte, beginnt, kommt es also in erster Linie auf die Vereinbarungen zwischen den Parteien an.

Im Zweifel sprechen gute Gründe für die Annahme, dass die Kündigungsfrist mit dem Kündigungszugang beginnt, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Parteien grundsätzlich und im Zweifel ein Interesse an einer zumindest vorübergehenden Durchführung des Arbeitsvertrages haben und deshalb die Kündigungsfrist, wenn keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Parteiwillen bestehen, erst mit Dienstantritt beginnen soll (BAG, 25.03.2004 - Az: 2 AZR 324/03).

Wurde vertraglich keine Kündigungsfrist vereinbart, so gilt die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats.

Wenn die Parteien eine Probezeit vereinbaren, entspricht es regelmäßig der Interessenlage der Parteien, dass keine Pflicht zur tatsächlichen Verwirklichung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist und die Kündigungsfrist mit Zugang der Kündigungserklärung zu laufen beginnt (BAG, 17.09.1987 - Az: 2 AZR 654/86). Die Kündigungsfrist beträgt hier zwei Wochen.

Eine Kündigung kann somit unter Umständen so früh erfolgen, dass das Arbeitsverhältnis gar nicht zustande kommt. Sofern die Kündigung nicht rechtzeitig erfolgt ist oder eine Kündigung vor Dienstantritt vertraglich ausgeschlossen wurde, so läuft das Arbeitsverhältnis dagegen noch bis Ablauf der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall dazu verpflichtet, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß entlohnen.

Kann der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe fordern?

Eine Vertragsstrafe aufgrund einer Kündigung vor Arbeitsbeginn muss im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart werden – dies ist zulässig.

Wurde eine Vertragsstrafe vereinbart, kann der Arbeitgeber diese vom Arbeitnehmer fordern, wenn dieser vor Vertragsbeginn kündigt, sofern die Höhe der Vertragsstrafe sich im zulässigen Rahmen bewegt.

Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, ist nur ausnahmsweise angemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies kann nur angenommen werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigt (BAG, 17.03.2016 - Az: 8 AZR 665/14).

Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe darf jedoch nicht unverhältnismäßig hoch sein. Als Faustregel kann man sagen, dass die Vertragsstrafe das Gehalt während der Kündigungsfrist nicht überschreiten sollte.

Kann der Arbeitnehmer einfach die Arbeit nicht antreten?

So mancher Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres aus dem Arbeitsvertrag entlassen will, mag darüber nachgedacht haben, ob er wohl einfach die Arbeit nicht antreten und stattdessen die Arbeit bei seinem Wunscharbeitgeber annehmen kann. Schließlich entsteht ja kein Schaden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht. Doch so einfach ist die Sache nicht. Zum einen kann in diesem Fall bei entsprechender Vereinbarung im Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafe drohen und zum anderen kann der Arbeitnehmer sich durch ein solches Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen.

Der Arbeitgeber muss einen Schadensersatzanspruch vor dem Arbeitsgericht geltend machen und den durch den Nichtantritt des Arbeitnehmers entstandenen Schaden konkret beziffern (z.B. zusätzliche Arbeitszeit der anderen Mitarbeiter, entfallene Umsätze etc.). Der Nachweis ist jedoch relativ schwierig, sodass dies in der Praxis kaum vorkommt.

Einvernehmliche Lösung: Aufhebungsvertrag abschließen

Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverstanden sind, den Vertrag zu beenden, können sie dies durch eine schriftliche Vereinbarung in Form eines Aufhebungsvertrags tun. Diese Vereinbarung sollte die Bedingungen des Rücktritts klar festlegen, einschließlich etwaiger Abfindungen oder anderer Ansprüche.

Idealerweise vereinbaren die Vertragspartner bei einem einvernehmlichen Auseinandergehen, dass die Stelle nicht anzutreten ist und kein Gehalt zu zahlen ist.

Sofern erforderlich kann aufgenommen werden, dass der Mitarbeiter freigestellt wird und eine Abfindung erhält - ein Anspruch auf Abfindung besteht jedoch nicht.

Kann der Arbeitgeber eigentlich auch vor Arbeitsbeginn kündigen?

Der neue Mitarbeiter steht vor Arbeitsbeginn - und danach für die ersten sechs Monate - nicht unter Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Daher kann der Arbeitgeber dem neuen Mitarbeiter in der Regel ohne Angabe von Gründen kündigen. Auch ein eventuell bestehender Betriebsrat muss vom Arbeitgeber nicht einbezogen werden, da der künftige Mitarbeiter bei Kündigungszugang vor Arbeitsantritt noch nicht dem Unternehmen angehört.

An die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist muss sich der Arbeitgeber jedoch halten. Eine fristlose Kündigung kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber beispielsweise über seine Qualifikationen getäuscht hat oder dem künftigen Arbeitgeber anderweitig Schaden zufügt.

Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber keinen Schadensersatz fordern, wenn dieser die Kündigungsfrist eingehalten hat.

Sofern die Kündigung so ausgesprochen wurde, dass der Arbeitnehmer die Arbeit noch aufnehmen muss, so ist dieser hierzu verpflichtet, der Arbeitgeber muss diese Zeit natürlich vertragsgemäß vergüten.

Es ist jedoch zu beachten, dass eine solche Kündigung durchaus ein Risiko in sich bergen kann. Denn wenn der neue Arbeitnehmer noch gar nicht im Betrieb gearbeitet hat, kann sich der Arbeitgeber auch kein Bild von seiner Leistung gemacht haben. Sinn und Zweck einer solchen Erprobung ist jedoch die Probezeit. Sicherer ist es, dem Arbeitnehmer am ersten Arbeitstag zu kündigen.
Stand: 03.06.2024 (aktualisiert am: 20.05.2025)
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