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Anfechtung des Arbeitsvertrages: Möglichkeiten und Folgen

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 10 Minuten

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Ein Arbeitsvertrag kann aus mehreren Gründen anfechtbar sein: Infrage kommt etwa die Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) in den Formen des Inhalts-, Erklärungs-, oder Eigenschaftsirrtums sowie die Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung.

Besonders dann, wenn es um das Fragerecht des Arbeitgebers geht, kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht. Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Drohung hat in der Praxis in der Regel keine Bedeutung, dies betrifft eher den Aufhebungsvertrag.

Im Gegensatz zur Kündigung ist eine Beteiligung des Betriebsrats oder eine Zustimmung des des Integrationsamtes nicht erforderlich. Auch etwaige Kündigungsbeschränkungen gelten nicht.

Eine bestimmte Form muss für die Anfechtung nicht eingehalten werden. Es ist lediglich der Anfechtungsgrund unter Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu nennen. Der Grund für die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses muss zudem bei Zugang der Anfechtungserklärung noch bestehen und sich noch auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

Das Recht zur Anfechtung wird durch das Kündigungsrecht nicht verdrängt. Anfechtung und Kündigung stehen vielmehr selbstständig nebeneinander (BAG, 06.09.2012 - Az: 2 AZR 270/11; BAG, 16.12.2004 - Az: 2 AZR 148/04).

Wann ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums möglich?

Ein Inhaltsirrtum liegt dabei  vor, wenn sich einer der Vertragspartner über den Sinn seiner Erklärung geirrt hat, ihm also die wahre Bedeutung der Erklärung nicht klar war.

Bei einem Erklärungsirrtum wird eine Erklärung abgegeben, wobei es zu einem Versehen in der Erklärungshandlung kommt.

Typische Praxisbeispiele sind ein Verschreiben oder Versprechen.

Wann kann der Arbeitsvertrag wegen Eigenschaftsirrtum angefochten werden?

Bei einem Eigenschaftsirrtum ist man über eine konkrete verkehrswesentliche Eigenschaft im Irrtum - in der Praxis betrifft dies im Allgemeinen Eigenschaften des (zukünftigen) Arbeitnehmers, z.B. Alkoholsucht oder ein fehlender Führerschein bei einem Berufskraftfahrer oder fehlende Redlichkeit eines Kassierers.

Ein Eigenschaftsirrtum liegt jedoch dann nicht vor, wenn die allgemeinen Fähigkeiten lediglich fehlerhaft beurteilt wurden. Unbeachtlich ist zudem der Motivirrtum (z.B. die Erwartung einer raschen Karriere).

Unter Umständen kann aber dann, wenn Vorstellungen, welche die Parteien beim Vertragsabschluss hatten, sich nicht so wie erwartet verwirklichen, eine Anpassung der vertraglichen Regelung an die geänderte Geschäftsgrundlage verlangt werden (z.B. Gehaltsanpassung bei stark inflationärer Entwicklung).

Wann kann der Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden?

Eine Anfechtung wegen unrichtiger Angaben des Bewerbers bei den Vertragsverhandlungen ist nur zulässig, wenn eine Offenbarungspflicht des Bewerbers bestanden oder er eine unrichtige Auskunft auf zulässige Fragen erteilt hatte.

Hierzu muss die Täuschung arglistig erfolgt sein, der Täuschende muss also wissend oder billigend in Kauf genommen haben, dass Angaben wahrheitswidrig waren oder durch ein Verschweigen von Tatsachen eine irrige Vorstellung entsteht oder aufrechterhalten wird. Insoweit ist Fahrlässigkeit nicht ausreichend, es muss zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt werden.

In einem solchen Fall ist der Arbeitsvertrag aufgrund arglistiger Täuschung und Drohung (§ 123 BGB) anfechtbar, wenn die Falschaussage für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Für das Vorliegen der Arglist trägt der Anfechtende die Beweislast.

Die Anfechtung scheidet dagegen aus, wenn die Frage des Arbeitgebers im Einstellungsgespräch unzulässig war.

Beispiele:

1. Eine Schwangerschaft ist keine Eigenschaft der Arbeitnehmerin. Daher ist auch keine Anfechtung durch den Arbeitgeber wegen Eigenschaftsirrtum möglich. Da zudem keine Offenbarungspflicht der Bewerberin besteht, ist auch keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung möglich, wenn die Bewerberin eine vorhandene Schwangerschaft verschweigt oder auf die - unzulässige - Frage des Arbeitgebers hierzu eine falsche Antwort gibt.

Auch die Schwangere selbst kann eine Kündigungserklärung, die sie in Unkenntnis ihrer Schwangerschaft abgegeben hat, nicht anfechten.

2. Die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen verfassungsfeindlicher Betätigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine ihm bei seiner Einstellung in den öffentlichen Dienst zulässigerweise gestellte Frage nach seiner Verfassungstreue bewusst falsch beantwortet oder relevante Umstände trotz bestehender Offenbarungspflicht verschwiegen hat (BAG, 12.05.2011 - Az: 2 AZR 479/09).

Welche Fristen sind bei der Anfechtung zu beachten?

Bei der Anfechtung sind Anfechtungsfristen zu beachten. Die Anfechtungserklärung muss bei Irrtumsanfechtung unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, abgegeben werden. Bei Täuschung muss die Erklärung innerhalb eines Jahres ab Entdeckung der Täuschung und bei Drohung innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Zwangslage abgegeben werden.

Es sollte jedoch grundsätzlich unverzüglich die Anfechtung ausgesprochen werden, um dem Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenzuwirken. Schließlich kann bei längerem Abwarten der Eindruck entstehen, dass der mögliche Anfechtungsgrund gerade nicht als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesehen wird.

Wann ist eine Anfechtung trotz Grund ausgeschlossen?

Sofern der Anfechtungsgrund im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses bedeutungslos geworden ist, so ist die Anfechtung nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

Welche Folgen hat die Anfechtung eigentlich?

Die Folgen der Anfechtung entsprechen denen der Nichtigkeit. Ein bereits vollzogenes Arbeitsverhältnis ist dann sofort für die Zukunft beendigt. Insoweit wird von einem faktischen Arbeitsverhältnis ausgegangen. Dies hat zur Folge, dass bereits gezahlte Löhne vom Arbeitnehmer nicht zurückgezahlt werden müssen. Wurde das Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht vollzogen oder war der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig, so wirkt die Anfechtung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Hinzu kommt, dass der Anfechtende bei Irrtumsanfechtung seinem Vertragspartner gemäß § 122 BGB dessen Vertrauensschaden ersetzen muss. Bei einer arglistigen Täuschung und Drohung besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des vollen Schadens durch den Täuschenden bzw. Drohenden (§§ 823, 826 BGB).

Ist der Betriebsrat oder die Personalvertretung einzubeziehen?

Für die Anfechtung des Arbeitsvertrags ist der Betriebsrat bzw. die Personalvertretung nicht einzubeziehen.

Kann gegen eine Anfechtung juristisch vorgegangen werden?

Der Arbeitnehmer kann Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. War die Anfechtung unberechtigt, so wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde. Bei einer Anfechtung muss der Arbeitnehmer keine Klagefrist einhalten. Die Dreiwochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes kommt hierbei nicht zur Anwendung.

Kündigung in der Probezeit als Alternative zur Anfechtung

Enttäuschungen auf beiden Seiten über die Eigenschaften des Vertragspartners und/oder den Verlauf des Arbeitsverhältnisses sind nach Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht selten, verbunden mit dem Gefühl, „hereingelegt“ worden zu sein. Jedenfalls solange eine Probezeit mit kurzen Kündigungsfristen läuft, sollte das Arbeitsverhältnis über eine Kündigung und nicht durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beendet werden. Die Beweislast für das Vorliegen arglistigen, d.h. vorsätzlichen Verhaltens beim Vertragspartner liegt nämlich beim Anfechtenden - ein Beweis, der in der Praxis nur selten gelingt.
Stand: 03.02.2025 (aktualisiert am: 20.05.2025)
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