Wir lösen Ihr Rechtsproblem! Stellen Sie uns jetzt Ihre Fragen.Bewertung: - bereits 388.282 Anfragen

Darf der Arbeitgeber nach Vorstrafen fragen?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war.

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer bei der Einstellung nach Vorstrafen fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies „erfordert“, dh. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt.

Auch die Frage nach noch anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren kann zulässig sein, wenn solche Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen können.

Dem steht die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung nicht entgegen. Diese bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat. Daraus ergibt sich nicht, dass aus einem anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahren für den Beschuldigten überhaupt keine Nachteile entstehen dürften.

Eine Einschränkung des Fragerechts kann sich im Einzelfall aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, dem Datenschutzrecht oder - in den Fällen abgeschlossener Straf- und Ermittlungsverfahren - den Wertentscheidungen des § 53 BZRG ergeben.

Die Frage des Arbeitgebers ohne eine gegenständliche Beschränkung nach möglichen Vorstrafen und Anzeigen jeder Art geht jedoch über dessen schutzwürdiges Informationsinteresse hinaus. Der Bewerber ist daher zu einer der Wahrheit entsprechenden Antwort rechtlich nicht verpflichtet.

Das Verschweigen nicht nachgefragter Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder doch für die Eignung für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist nicht durch die Möglichkeit zur Anfechtung ausgeschlossen. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander. Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu beenden. Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass dem Arbeitgeber nach seinem Bekanntwerden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.


BAG, 06.09.2012 - Az: 2 AZR 270/11

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von Die Welt online

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.235 Bewertungen) - Bereits 388.282 Beratungsanfragen

Aufgrund meiner kurzen sachlichen Beschreibung war die Rechtsauskunft sehr korrekt und ausführlich - tadellos

Verifizierter Mandant

Schnelle Rückmeldung und zuverlässig. Sehr zu empfehlen!!

Efstathios Lekkas , Berlin