Der Erhalt einer
Abmahnung wegen angeblichen Filesharings ist für die meisten Betroffenen ein Schock. Besondere Besorgnis lösen dabei die extrem kurz bemessenen Fristen aus, die von den abmahnenden Kanzleien gesetzt werden. Oftmals wird dem Empfänger nur eine Woche oder eine ähnlich kurze Zeitspanne gewährt, um die beigefügte strafbewehrte
Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und die geforderten Beträge zu zahlen. Bei der rechtlichen Bewertung solcher Schreiben müssen jedoch zwei gänzlich unterschiedliche Arten von Fristen beachtet werden: die von der Kanzlei gesetzten Handlungsfristen und die gesetzlichen Verjährungsfristen.
Kurze Fristen im Abmahnschreiben
Die in den Abmahnungen gesetzten Fristen zur Abgabe der Unterlassungserklärung sind in der Regel bewusst sehr knapp gehalten. Dies ist rechtlich grundsätzlich zulässig. Der Zweck dieser Fristsetzung liegt darin, die (behauptete) Wiederholungsgefahr so schnell wie möglich auszuräumen. Die abmahnenden Kanzleien argumentieren, dass die Rechtsverletzung – das Anbieten einer Datei in einer Tauschbörse – andauert und daher Eile geboten ist.
Für den Abgemahnten entsteht dadurch eine erhebliche Drucksituation. Die kurze Frist erschwert es erheblich, in Ruhe Rechtsauskünfte einzuholen oder einen spezialisierten Rechtsanwalt zu konsultieren. Dennoch ist es ratsam, nicht in Panik zu verfallen. Insbesondere sollte die vorgefertigte Unterlassungserklärung nicht unbedacht unterzeichnet werden, da diese oft zu weit gefasst ist und ein Schuldeingeständnis darstellen kann. Auch sollten keine Zahlungen oder Ratenzahlungen ohne vorherige rechtliche Prüfung der Sach- und Rechtslage vorgenommen werden.
Folgen des Fristablaufs der AbmahnungVerstreicht die im Schreiben genannte kurze Frist, ohne dass eine (modifizierte) Unterlassungserklärung abgegeben wird, droht der nächste Schritt der Gegenseite. Der Rechteinhaber kann versuchen, den Unterlassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen. Ein solches Verfahren ist mit erheblichen weiteren Kosten verbunden, die ebenfalls dem Unterlegenen auferlegt werden.
Die Verjährungsfrist: Bis wann sind Zahlungsansprüche geltend zu machen?
Weitaus relevanter als die kurzen Handlungsfristen ist für die finanziellen Forderungen (Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten) die gesetzliche Verjährungsfrist. Viele Betroffene erhalten Abmahnungen oder später sogar gerichtliche Mahnbescheide für Vorgänge, die bereits Jahre zurückliegen. Hier stellt sich die Frage, ob die Ansprüche überhaupt noch durchsetzbar sind.
Grundsätzlich gilt für diese Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt jedoch nicht taggenau mit der Rechtsverletzung, sondern nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (der Rechteinhaber) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (des Anschlussinhabers) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
In Filesharing-Fällen erlangt der Rechteinhaber diese Kenntnis typischerweise erst, nachdem er über ein gerichtliches Auskunftsverfahren die Identität des Anschlussinhabers zum Zeitpunkt der IP-Adressen-Zuweisung ermittelt hat.
Beispiel zur Berechnung der 3-jährigen VerjährungDas Amtsgericht Bielefeld hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem die behauptete Rechtsverletzung (das Anbieten eines Albums) am 23.06.2009 stattgefunden haben soll. Die Abmahnung erfolgte am 04.01.2010. Die Klägerin (Rechteinhaberin) erhielt nachweislich spätestens im Dezember 2009 Kenntnis von der Person des Beklagten (Anschlussinhaber) als Verantwortlichem.
In diesem Fall begann die dreijährige Verjährungsfrist somit am 31.12.2009 und endete mit Ablauf des 31.12.2012. Die Klage der Rechteinhaberin ging jedoch erst am 03.09.2013 bei Gericht ein. Das Gericht entschied folgerichtig, dass sämtliche geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Lizenzgebühren und Abmahnkosten verjährt waren.
Keine 10-jährige Verjährung für LizenzschadenAbmahnende Kanzleien argumentieren häufig, dass der Schadensersatzanspruch in Form der fiktiven Lizenzgebühr nicht der 3-jährigen, sondern einer 10-jährigen Verjährungsfrist unterliege. Sie stützen sich dabei oft auf § 852 BGB (Herausgabeanspruch wegen Bereicherung) oder
§ 102 S. 2 UrhG.
Dieser Ansicht erteilte das Amtsgericht Bielefeld in der genannten Entscheidung (AG Bielefeld, 06.03.2014 - Az:
42 C 368/13) eine Absage. Bei Filesharing-Fällen fehle es an einer echten Bereicherung des Nutzers in Höhe einer Lizenzgebühr. Dies wurde damit begründet, dass der Rechteinhaber selbst vorträgt, er sei gar nicht daran interessiert, eine Lizenz für das Zugänglichmachen von Titeln in einem Filesharing-System zu vergeben. Der Anschlussinhaber hätte also, selbst wenn er gewollt hätte, keinen entsprechenden Lizenzvertrag abschließen können und hat sich daher auch keine Lizenzgebühr erspart. Es handele sich um eine reine unerlaubte Handlung, für die die 3-jährige Verjährungsfrist gilt.
Verjährungsbeginn der Abmahnkosten
Auch für den Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten (Abmahnkosten) gilt die 3-jährige Frist. Entgegen der Ansicht mancher Kläger beginnt diese Frist nicht erst mit dem Ausspruch der Abmahnung. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt der Zuwiderhandlung, also der Rechtsverletzung selbst. Der Rechteinhaber kann den Verjährungsbeginn nicht dadurch hinauszögern, dass er mit dem Versenden der Abmahnung wartet. Der Kostenerstattungsanspruch unterliegt denselben verjährungsrechtlichen Bestimmungen wie der zugrundeliegende Unterlassungsanspruch.
Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid
Um den Eintritt der Verjährung kurz vor Fristablauf zu verhindern, beantragen die Rechteinhaber oft einen gerichtlichen
Mahnbescheid. Die Zustellung eines Mahnbescheids kann die Verjährung hemmen, also die Frist anhalten.
Allerdings stellt die Rechtsprechung Anforderungen an die Bestimmtheit eines solchen Mahnbescheids. Das Landgericht Bielefeld entschied (LG Bielefeld, 06.02.2015 - Az:
20 S 65/14), dass ein Mahnbescheid die Verjährung nicht hemmt, wenn er Mängel in der Anspruchsbezeichnung aufweist. Macht der Antragsteller mehrere Einzelforderungen geltend (z.B. Schadensersatz und Abmahnkosten), muss der Gesamtbetrag im Mahnbescheid so aufgeschlüsselt sein, dass der Schuldner die Zusammensetzung erkennen kann. Die Einzelforderungen müssen nach Merkmalen und Betrag bestimmt sein. Ein Mahnbescheid, der nur eine Gesamtsumme nennt, ohne diese Aufschlüsselung vorzunehmen, ist oft nicht ausreichend, um die Verjährung wirksam zu hemmen.
Fristen bei unberechtigter Abmahnung
Sollte eine Abmahnung offensichtlich unberechtigt sein, etwa weil der falsche Anschlussinhaber ermittelt wurde, gelten die gesetzten Fristen faktisch nicht. Wurde beispielsweise ein Teilnehmer an einer Tauschbörse wegen eines Zahlendrehers bei der IP-Adresse fälschlicherweise ermittelt, bestehen keine Ansprüche.
Weist der Betroffene den Rechteinhaber vorgerichtlich auf die fehlende Berechtigung der Abmahnung hin und dieser hält dennoch an den Forderungen fest, kann der Betroffene selbst aktiv werden. Das Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, 16.07.2007 - Az:
17 O 243/07) entschied, dass der zu Unrecht Abgemahnte in einem solchen Fall eine negative Feststellungsklage erheben kann. Mit dieser Klage lässt sich gerichtlich feststellen, dass die behaupteten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nicht bestehen. Dies kann sinnvoll sein, um die Angelegenheit endgültig zu klären und die Drohung weiterer rechtlicher Schritte abzuwenden.