Die Problematik von Abmahnungen bei
Urheberrechtsverletzungen im Internet werfen immer wieder spannende Fragen auf. Besonders interessant ist die Situation, wenn es sich um
Wohngemeinschaften handelt. Hier stellt sich die Frage: Haftet der Anschlussinhaber automatisch für Urheberrechtsverletzungen, die von Mitbewohnern begangen wurden? Die Antwort darauf ist nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Welche Rolle spielt die Störerhaftung?
Die
Störerhaftung regelt die Haftung von Personen, die nicht selbst Urheberrechtsverletzungen begehen, aber dazu beitragen, dass solche Verletzungen stattfinden können. In der Regel handelt es sich hierbei um die Inhaber von Internetanschlüssen, da sie die technische Infrastruktur bereitstellen, über die Urheberrechtsverletzungen begangen werden können.
Die Störerhaftung besagt, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden kann, die über seinen Anschluss begangen werden, auch wenn er selbst nicht der Täter ist. Dies hat in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Abmahnungen geführt, bei denen Anschlussinhaber zur Kasse gebeten wurden, obwohl sie die Verletzungen nicht selbst begangen hatten.
Aufgrund der sogenannten Störerhaftung wird immer der Inhaber des Internetanschlusses eine
Abmahnung erhalten, unabhängig wer die Urheberrechtsverletzung tatsächlich begangen hat.
Aber so einfach ist es dann doch nicht, denn der Rechteinhaber darf nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung begangen oder eine Zurechnung im Wege der Störerhaftung erfolgen darf.
Die Besonderheiten in Wohngemeinschaften
In Wohngemeinschaften teilen sich oft mehrere Personen einen Internetanschluss. Dies kann zu einer komplexen rechtlichen Situation führen, da nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass der Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung begangen hat oder für sie verantwortlich ist.
Ein Urteil in diesem Zusammenhang erging am Amtsgericht Bochum (AG Bochum, 16.04.2014 - Az:
67 C 57/14). In diesem Fall wurde deutlich, dass der Rechteinhaber die Beweislast dafür trägt, dass der abgemahnte Anschlussinhaber tatsächlich als Täter oder Störer anzusehen ist.
Der Anschlussinhaber kann nämlich die gewöhnlich bestehende Vermutung der Täterschaft dadurch entkräften, dass er zum fraglichen Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung über seinen Internetanschluss mit anderen volljährigen Bewohnern in einer Wohngemeinschaft gelebt hat.
In einem solchen Fall spricht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass die übrigen WG-Mitglieder auch über den WLAN Anschluss das Internet genutzt haben. Infolgedessen kann der Anschlussinhaber nicht automatisch als Täter oder Störer angesehen werden.
Dieser Ansatz stützt sich auf die Idee, dass in einer Wohngemeinschaft die Nutzung des Internetanschlusses von mehreren Personen erfolgt, und daher nicht automatisch der Anschlussinhaber für sämtliche Aktivitäten über diesen Anschluss verantwortlich gemacht werden kann.
Pflicht zur Namensnennung der WG-Bewohner?
Eine interessante Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob der Anschlussinhaber verpflichtet ist, die Namen der WG-Bewohner preiszugeben. Hier hat das Amtsgericht Bochum im o.g. Urteil eine klare Position bezogen: Der Anschlussinhaber ist nicht dazu verpflichtet, die Namen der Mitbewohner offenzulegen. Es obliegt vielmehr dem Rechteinhaber, die Namen der Mitbewohner zu ermitteln, falls er dies für notwendig erachtet. Es könne nicht Aufgabe des Anschlussinhabers Aufgabe sein, die Ermittlungsarbeit des Rechteinhabers zu übernehmen.
Grundsätzlich gilt jedoch: Wird ein Name einschließlich ladungsfähiger Anschrift preisgegeben, so ist davon auszugehen, dass die zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast ausreicht.
Ist der Anschlussinhaber dazu nicht mehr in der Lage, weil ihm die Anschriften seiner - ehemaligen - Mitbewohner nicht mehr bekannt sind, nachdem zwischen Feststellung der Urheberrechtsverletzung und der gerichtlichen Verfolgung der daraus erwachsenden Ansprüche mehrere Jahre vergangen sind und die Wohngemeinschaft zwischenzeitlich aufgelöst ist, ohne dass deren Mitglieder in Kontakt geblieben wären, so kann ihm daraus kein Nachteil entstehen (AG Stuttgart, 06.11.2020 - Az:
3 C 2844/20).
Es besteht zudem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, eine Verpflichtung des Anschlussinhabers, Anschriften der Alternativtäter stets aktuell zu halten und insoweit fortlaufend weiter nachzuforschen.
Welche Anforderungen werden an die sekundäre Darlegungslast gestellt?
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslas hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.
Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat.
Der Inhaber eines Internetanschlusses hat nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.
Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.