Grundsätzlich muss ein
Reiseveranstalter die Sicherheitsvorkehrungen treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf.
Wurde eine indonesische Reederei über zehn Jahre ohne Beanstandungen in der Sicherheitsausstattung der Schiffe eingesetzt und wurde das Schiff, das über ein Sicherheitszertifikat verfügte, zudem vor der Abfahrt routinemäßig auf Sicherheitsmängel untersucht, haftet der Reiseveranstalter nicht für einen Schaden, den ein Reiseteilnehmer aufgrund einen technischen Defekts erleidet.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, vertragliche Ansprüche – zu denen nach dem anwendbaren Recht solche auf immateriellen Schaden nicht gehörten – seien verjährt. Deliktische Ansprüche wegen einer Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht der Beklagten ständen den Klägern nicht zu. Insoweit beständen schon Zweifel am hinreichend schlüssigen Vortrag der Kläger. Es sei anhand ihres Vortrags nicht festzustellen, dass ihr Sohn B. verstorben sei, weil eine Gefahr bestanden habe, die die Beklagte im Rahmen ihrer gewerblichen Verkehrssicherungspflicht als Reiseveranstalter hätte ausräumen müssen. Insofern seien die Kläger jeweils darlegungs- und beweispflichtig. Der klägerische Vortrag lasse bereits die Schlussfolgerung nicht zu, der Tod ihres Sohnes sei eingetreten, weil sich ein Sicherheitsrisiko verwirklicht habe, das sich bei genauerem Hinsehen der Beklagten habe offenbaren müssen. Überdies stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen W. und C. fest, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die "S." wahrgenommen habe.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie sind der Auffassung, das Gericht habe darauf hinweisen müssen, dass anhand des klägerischen Vortrags nicht festzustellen sei, dass ihr Sohn verstorben sei, weil eine Gefahr bestanden habe, die die Beklagte im Rahmen ihrer gewerblichen Verkehrssicherungspflicht als Reiseveranstalter hätte ausräumen müssen. Soweit das Gericht der Auffassung sei, dass nicht genügend vorgetragen sei zur Begründung der Kausalität zwischen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und dem eingetretenen Schaden, hätte die klagende Partei hierauf hingewiesen werden müssen.
Auf den vorliegenden Fall seien die Grundsätze aus dem sogenannten Balkonsturzurteil des Bundesgerichtshofs anzuwenden. Es sei erstinstanzlich mehrfach vorgetragen worden, dass aufgrund der maroden Elektrik des Schiffes dieses von der Beklagten nicht hätte unter Vertrag genommen werden dürfen und dass die unfachmännische und lebensgefährliche Elektroinstallation den Beauftragten der Beklagten hätte auffallen müssen. Eine unfachmännische Isolierung bzw. Verlegung der Kabel sei ein Indiz dafür, dass insgesamt mit der elektrischen Anlage an Bord etwas nicht in Ordnung sei. Dies hätte jedenfalls Anlass für weitere Überprüfungen sein müssen. Als Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der beiden Zeugen müsse festgehalten werden, dass diese nicht so hingesehen hätten, wie es nach der Rechtsprechung erforderlich sei. Bei der Anmietung des Schiffes seitens der Beklagten im Februar 1999 habe das erst im November 1999 ausgestellte Sicherheitszertifikat noch nicht vorliegen können. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen des Landgerichts zum Inhalt des Sicherheitszertifikates. Bei dem von der Beklagtenseite vorgelegten Safety-Management-Certificate handele es sich lediglich um einen Nachweis, dass der Betreiber des Schiffes auf Dokumentenbasis Prozeduren vorhalte, die einen sicheren Schiffsbetrieb garantieren sollen. Hierbei werde ein sicheres Schiff im eigentlichen Sinne nicht attestiert, da die eigentliche bauliche Sicherheit des Schiffes nicht überprüft werde.
Aus über das Internet allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen sei ersichtlich, dass indonesisch geflaggte Schiffe zu den am meisten beanstandeten Flaggen mit zum Teil gravierenden Sicherheitsmängeln gehörten.
Zu den Pflichten der Beklagten habe es auch gehört, sich grundlegend zu informieren, inwieweit in dem jeweiligen Reiseland den dort geltenden Sicherheitsvorschriften Beachtung geschenkt werde. Es sei seit Jahren bekannt, dass die zuständigen indonesischen Behörden ihrer Überwachungspflicht nicht ausreichend nachkämen. Die von der Beklagten vorgetragenen Kontrollen des Schiffs vor dem Unfall und seit Vertragsbeginn seien vollkommen unzureichend.
Hätte man erstinstanzlich an die Substantiierungspflicht der Beklagtenseite höhere Anforderungen gestellt, so wäre festgestellt worden, dass es ein internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) gebe, dem Indonesien beigetreten sei. In der Regel 45 heiße es unter anderem unter Ziffer 5.5, dass Kabelleitungen so eingebaut und befestigt werden müssten, dass keine Reibungs- oder andere Schäden entstehen. Darüber hinaus ergebe sich aus Ziffer 6.1, dass jeder einzelne Stromkreis gegen Kurzschluss und Überlast geschützt sein müsse. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen. Unabhängig davon sei es so, dass die Sicherheitsvorschriften in Indonesien im Bereich des Schiffsbaus in etwa mit denen in Deutschland vergleichbar seien. Auch nach indonesischen Vorschriften hätte die Verkabelung nicht, wie im vorliegenden Falle ausgeführt, erfolgen dürfen.
Die Beklagte meint, das Urteil des Landgerichts sei im Ergebnis richtig. Das Gericht habe die Pflichten des Reiseveranstalters entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Den Aussagen der vernommenen Zeugen habe es richtigerweise entnommen, dass die Beklagte ihren Kontrollpflichten nachgekommen sei. Entgegen der Auffassung der Berufung sei auch die Häufigkeit der Kontrollen nicht zu beanstanden.
Im Hinblick auf die wiederholten Hinweise seitens der Beklagten auf die Unzulänglichkeit des klägerischen Vortrags sei das Landgericht nicht verpflichtet gewesen, seinerseits darauf hinzuweisen. Der unsubstantiierte Vortrag der Kläger zur angeblich maroden Elektrik des Schiffes sei unglaubhaft. Der neue Vortrag zu den Beanstandungen indonesisch geflaggter Schiffe werde ebenso bestritten wie die gleichfalls neue Behauptung, die Sicherheitsvorschriften würden in Indonesien häufig missachtet und deren Einhaltung nur unzureichend kontrolliert. Gleichfalls werde bestritten die neue Behauptung, die Sicherheitsvorschriften in Indonesien seien denen in Deutschland vergleichbar und danach hätte die Verkabelung nicht wie im vorliegenden Falle ausgeführt werden dürfen. Der Vortrag sei in zweiter Instanz nicht zuzulassen. Aber auch bei Beachtung des Vortrags ergebe sich nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Kläger habe die S. über einen Überspannungsschutz und eine Überlastsicherung verfügt. Sie, die Beklagte, habe sich erst entschlossen, das Produkt anzubieten, nachdem die von ihr verlangten Standards und die Einhaltung der Sicherheitsbedingungen in Gestalt der S. gewährleistet gewesen seien. Der ISM-Code sei im Kapitel IX des sogenannten SOLAS-Übereinkommens aufgenommen. Es werde bestritten, dass die von den Klägern vorgelegte Regel 45 auch auf Schiffe wie die S. Anwendung finde.
Zum Weiterlesen bitte anmelden oder kostenlos und unverbindlich registrieren.