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Mietminderung aufgrund von Baulärm

Mietrecht | Lesezeit: ca. 10 Minuten

Die Miete ist wegen des vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms infolge der Errichtung eines 8-geschossigen Wohnhauses auf einer Fläche von 8.000 m² gem. § 536 Abs. 1 BGB gemindert.

Unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung begründen (nur) nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte (nicht: Vermieter als Bauherr) und auch nur dann keinen zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit (als unwesentlich und ortsüblich i.S.d. § 906 BGB) hinnehmen muss.

Es kann keinesfalls unterstellt werden, dass sich von Großbaustellen in der unmittelbaren Nachbarschaft einer Mietsache ausgehende Lärmbelastungen in den Innenstadtlagen von Großstädten stets in üblichen Grenzen halten.

Hierzu führte das Gericht aus:

Ein Mangel der Mietsache ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht.

Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich vorrangig nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die – als sogen. Umweltfehler – von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken, wie etwa Immissionen.

Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, nach der Verkehrsanschauung bestimmt.

Umstände, die den Rückschluss zuließen, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich künftiger von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrages als unverändert bestehen bleibend wenigstens stillschweigend vereinbart, hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

Ebenso zutreffend ist es davon ausgegangen, dass sich der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand in einem solchen Fall – den oben dargestellten Maßstäben des BGH entsprechend - unter Berücksichtigung des Nutzungszweckes und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung bestimmt.

Richtig ist auch, dass der Vermieter bei (vorübergehend erhöhten) Lärmbelästigungen, die von öffentlichen Straßen ausgehen oder (dauerhaft) von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken, regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisses während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen.

Anders verhält es sich jedoch schon im Ansatz, wenn die vom Nachbargrundstück ausgehenden Lärmbelästigungen nicht durch einen Dritten, sondern – wie hier - den Vermieter selbst verursacht werden, weil er der Bauherr ist. Die Mietminderung tritt dann – der gesetzlichen Anordnung in § 536 Abs. 1 BGB gemäß – kraft Gesetzes ein, denn unabhängig davon, ob der Vermieter im Bereich der Mietsache selbst oder auf einem Nachbargrundstück Bauarbeiten ausführt, ist die der („Bolzplatz-“)Entscheidung des BGH vom 29. April 2015 (Az: VIII ZR 197/14) zugrunde liegende Situation nicht gegeben.

Unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung begründen (nur) nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte und auch nur dann keinen zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit (als unwesentlich und ortsüblich im Sinne des § 906 BGB) hinnehmen muss.

Danach lässt sich schon nicht feststellen, dass bei vorübergehend erhöhten Geräuschimmissionen – etwa durch eine (Groß-)Baustelle – eine Mietminderung stets ausgeschlossen wäre. Nach den vom BGH entwickelten Maßstäben ist das vielmehr nur und erst dann der Fall, wenn die vom Vermieter als Einwand geltend gemachten, daher auch von ihm vorzutragenden und gegebenenfalls zu beweisenden Voraussetzungen des § 906 BGB vorliegen.

Es kann auch keinesfalls unterstellt werden, dass sich von Großbaustellen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Mietsache oder Straßenlärm ausgehende Lärmbelastungen in den Innenstadtlagen Berlins (oder anderer Großstädte) stets in üblichen Grenzen halten, ohne dass die Umstände des Einzelfalls - das konkrete Bauvorhaben und die Bauphasen (großräumige Abrissarbeiten, Arbeiten im Zusammenhang mit der Gründung von Gebäudekomplexen) – einer Prüfung bzw. Einbeziehung bedürften.

Entscheidend hier ist jedoch, dass - wie dargestellt - die vom Nachbargrundstück ausgehenden Geräuschimmissionen hier nicht durch Dritte, sondern durch die Klägerin selbst verursacht werden; sie ist sowohl Vermieterin als auch Bauherrin. Der Umstand, dass sie als städtisches Wohnungsbauunternehmen mit dem Bauvorhaben dringend benötigten Wohnraum in Berlin schafft, entlastet sie nicht, denn § 536 Abs. 1 BGB enthält weder Verschuldens- noch sonst geeignete Elemente, die eine Berücksichtigung dieses Einwandes zuließen.

Die von den Beklagten in Ansatz gebrachte Mietminderung ist jedenfalls für den hier geltend gemachten Zeitraum nicht zu beanstanden. Die Beklagten haben Lärmprotokolle vorgelegt und die Lärmbelastungen unter Beschreibung der Bauphasen und der zum Einsatz gebrachten Baugeräte beschrieben, ohne dass die Klägerin dem – angesichts eigener Kenntnis – zumutbar konkret entgegen getreten wäre. Die Geräuschimmissionen stehen – so der Vortrag der Beklagten - im Zusammenhang mit der Errichtung des Rohbaus ab Mai 2018; das in Bebauung befindliche Grundstück grenzt unmittelbar an das Schlafzimmer der von den Beklagten gemieteten Wohnung. Die Lärmbelastungen fanden in dem hier maßgeblichen Zeitraum (Mai bis Oktober) werktags und samstags statt.

Im Ansatz zu Recht verweist die Klägerin zwar darauf, dass die von Bauvorhaben ausgehenden Lärmimmissionen durchaus variieren. Nach den vom BGH entwickelten Maßstäben muss bei – wie hier - wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm dessen ungeachtet kein detailliertes Lärmprotokoll vorgelegt werden; es genügt eine Beschreibung der Art der Beeinträchtigungen, der Tageszeiten, zu denen sie in welcher Frequenz und über welche Zeitdauer sie ungefähr auftreten. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten jedenfalls angesichts des Umstandes, dass die Klägerin diesem nicht konkret entgegen getreten ist, obwohl sie als Bauherrin Kenntnis von der Lärmsituation haben muss.

Treten zur Minderung der Miete führende Belästigungen in unterschiedlicher Intensität oder periodisch auf, kann dem – wie hier geschehen – durch die Bemessung der Minderungsquote Rechnung getragen werden.


LG Berlin, 30.10.2019 - Az: 65 S 99/19

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