Auch dann, wenn sich Nachbarn durch Zigarettenrauch gestört fühlen, gibt es keinen uneingeschränkten Unterlassungsanspruch gegen das Rauchen. Denn ein solches Rauchverbot würde den rauchenden Nachbarn unzulässig einschränken.
Ebenso wenig besteht ein Rechtsanspruch darauf, dass der Vermieter für reine Luft sorgt.
Aber auch der Raucher kann nicht uneingeschränkt zu jeder Zeit auf seinem Balkon qualmen.
Welche Grundsätze gelten?
Der BGH hat sich zu dieser Frage wie folgt positioniert:
Einem Mieter steht gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sog. Immissionen stört (zu diesen gehören Lärm, Gerüche, Ruß und eben auch Tabakrauch), grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander.
Der Abwehranspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im Verhältnis zu seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter.
Der Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört fühlenden Mieters nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche Beeinträchtigung empfunden werden.
Liegt hingegen nach diesem Maßstab eine als störend empfundene - also wesentliche - Beeinträchtigung vor, besteht der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt.
Es kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse - zu denen auch das Rauchen gehört - zu nutzen.
Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Sollte die Geruchsbelästigung nur unwesentlich sein, kommt ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen.
Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründen, sind grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen. Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht wird.
Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die das Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen.
Nur wenn es dem Mieter gelingt, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweist, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung besteht, wird eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchsregelung getroffen werden müssen.
(BGH, 16.01.2015 - Az:
V ZR 110/14)
Ausgestaltung: Der Einzelfall ist entscheidend
Es kommt also immer auf den konkreten Einzelfall an, wenn zu beurteilen ist, in welchem Ausmaß auf dem Balkon geraucht werden darf, wobei die Betroffenen zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind.
So stellen 12-20 Zigaretten täglich auf dem Balkon keine übermäßige Belästigung dar (AG Rathenow, 06.09.2013 - Az:
4 C 300/13; LG Hamburg, 02.11.2010 - Az:
311 S 92/10).
Im Allgemeinen wird es so sein, dass es sowohl Zeiträume gibt, in denen der Raucher auf dem Balkon rauchen darf, als auch Zeiträume, in denen der andere Nachbar den Balkon rauchfrei nutzen kann. Wie diese Zeiten zu verteilen sind, darüber kann sich vortrefflich gestritten werden. Es wird hier immer auf den Einzelfall ankommen.
So wurde beispielsweise vom AG München eine rauchfreie Zeit von 23 - 7 Uhr; 11 - 13 Uhr und 17 - 19 Uhr festgelegt (AG München, 28.04.2014 – Az:
485 C 28018/13 WEG).