Bei einer Weigerung der Eltern, das Kind eine Schule besuchen zu lassen, kommt eine
Kindeswohlgefährdung in Betracht, auch wenn die Eltern auf andere Weise für eine hinreichende Wissensvermittlung und sonstige Entwicklung des Kindes sorgen.
Hierzu führte das Gericht aus:
Gemäß
§ 49 Abs. 1 FamFG kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme getroffen werden, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Ein derartiges Regelungsbedürfnis ist anzunehmen, wenn ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht möglich ist, weil diese zu spät kommen würde, um die zu schützenden Interessen zu wahren, bzw. wenn ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht ohne Eintritt erheblicher Nachteile möglich wäre. Bei einstweiligen Regelungen im Beschwerdeverfahren sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels summarisch und vorläufig zu betrachten und mit den drohenden Nachteilen für alle Beteiligten gegeneinander abzuwägen.
In der Sache hat gemäß
§ 1666 Abs. 1 BGB das Familiengericht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Das Kindeswohl ist gefährdet, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes zu erwarten ist, wobei an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseinritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
Die - auch teilweise - Entziehung der
elterlichen Sorge als besonders schwerer Eingriff kann daher nur bei einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer höheren - einer ebenfalls im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmenden ziemlichen - Sicherheit eines Schadenseintritts verhältnismäßig sein. Da in das nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern gewährleistete Recht auf Erziehung nur unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden darf, dürfen den Eltern nicht mehr Rechte entzogen werden, als es zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist.
Die getroffenen Maßnahmen müssen zur Beseitigung der dem Kind drohenden Gefahren geeignet sein und müssen zu Art und Umfang der Gefahren in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das gilt insbesondere für eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen, da diese den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht darstellt. So dürfen etwa die Folgen einer Fremdunterbringung des Kindes nicht gravierender sein als die eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie.
Auch gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), für eine dem Kindeswohl bestmögliche Förderung zu sorgen. Die Eingriffsbefugnisse des § 1666 BGB bezwecken auch nicht, dem Kind eine optimale oder auch nur durchschnittliche Erziehung und Entwicklung zu ermöglichen, sondern lediglich, nicht mehr vertretbare Gefahren und Schäden von ihm abzuwenden. Begrenzte persönliche und wirtschaftliche Möglichkeiten und Verhältnisse muss das Kind in gewissem Umfang als Schicksal und Lebensrisiko tragen, denn vorrangig kommt den Eltern die Aufgabe und das Recht zu, Gefahren für die Entwicklung der Kinder abzuwehren.
Eltern und Kinder haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, mit und in der eigenen Familie zu leben und aufzuwachsen. Erst dann, wenn für das Kind bestehende Gefahren die oben genannte Schwelle überschreiten, dürfen zum Schutz des Kindes im Rahmen von §§ 1666,
1666a BGB gerichtliche Maßnahmen getroffen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Staat nach Möglichkeit versuchen muss, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen.
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