Ist der
Reiseveranstalter einer
Kreuzfahrtreise wegen der Infektionsgefahren durch COVID-19 wirksam gem. gemäß
§ 651 h Abs. 4 Ziff. 2 BGB vom
Reisevertrag zurückgetreten und wurde die Reise deshalb abgesagt, so besteht seitens der Reisenden kein Schadensersatzanspruch wegen
entgangener Urlaubsfreude.
Voraussetzung für das Rücktrittsrecht ist, dass am Bestimmungsort und in dessen unmittelbarer Nähe objektive Ereignisse einschließlich daraus resultierender Gefahren auftreten, die Auswirkungen auf die Durchführung der Reise haben können. Bei Reisen mit mehreren Stationen, z.B. einer Kreuzfahrt wird das Gesamtgebiet in Betracht zu ziehen sein. Außergewöhnlich sind Vorkommnisse, die ihrer Natur nach den normalen Reisebetrieb des Veranstalters nicht innewohnen und von diesem nicht beherrschbar sind, also von außen kommen. Unvermeidbar sind sie, wenn sie nicht der Kontrolle der Vertragsparteien unterliegen und sich ihre Folgen auch durch zumutbare Vorkehrungen nicht vermeiden lassen. Die erhebliche Beeinträchtigung muss sich auf die Durchführung der Reise beziehen.
Hierzu führte das Gericht für den konkreten Fall aus:
Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist festzustellen, dass die Entscheidung der Beklagten, ab Mitte Februar 2020 keine Kreuzfahrt mehr im asiatischen Raum durchzuführen, berechtigt war.
Die Ausbreitung des Corona-Virus ging von China aus. Während diese Ausbreitung zunächst noch regional begrenzt war verbreitete sich das Virus mit zunehmender Geschwindigkeit weltweit. Gab es bis Mitte Januar zunächst nur vereinzelte Meldungen über das Virus und dessen Ausbreitung in China verdichtete sich die Berichterstattung zum Ende des Monats Januars 2020 deutlich. Bereits Ende Januar 2020 wurden erste Virusinfektionen in Deutschland (Bayern) nachgewiesen. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Erklärung der WHO vom 30.1.2020, die in einer Krisensitzung eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hatten. Anfang Februar verdichtete sich die Berichterstattung über das Corona-Virus weiter. In immer mehr europäischen Ländern wurden Anfang Februar Virusinfektionen nachgewiesen. Den Pressemeldungen aus dieser Zeit ist zu entnehmen, dass sowohl innerhalb Deutschlands als auch auf europäischer Ebene wiederholt Krisensitzungen abgehalten wurden, um die Lage zu analysieren und zu besprechen. So berichtet die Ostsee-Zeitung vom 3.2.2020, dass es am Vortag eine Telefonkonferenz der G-7 Gesundheitsminister gegeben habe und der deutsche Gesundheitsminister sich mehrmals am Tag über die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus unterrichten lasse. Einer weiteren Zeitungsmeldung vom 14.2.2020 zufolge kamen die EU-Gesundheitsminister zu einer Notfallsitzung zusammen und hätten sich darauf geeinigt, dass Passagiere aus Gebieten mit dem Corona-Virus künftig bei der Einreise nach Europa nach möglichen Infektionsrisiken befragt werden können.
Die vorstehenden Beispiele sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Sie sind jedoch aufgrund der Presseveröffentlichungen gerichtsbekannt. Sie machen deutlich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten, keine Kreuzfahrten mehr im asiatischen Raum durchzuführen, keine eindeutige Bewertung der Situation bzw. Gefährdungslage möglich war. Zugleich wurde deutlich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die grundsätzliche Gefährlichkeit der Ausbreitung des Virus weltweit publiziert wurde.
Für die Bewertung der Entscheidung der Beklagten, die Reise abzusagen bzw. das Schiff aus Asien abzuziehen sind auch die konkreten von der Beklagten vorgetragenen Umstände maßgeblich. So ist es unstrittig, dass ein Kreuzfahrtschiff einer anderen Reederei keinen asiatischen Hafen anlaufen durfte und 3.000 Passagiere eines anderen Kreuzfahrtschiffes aufgrund eines festgestellten Virusfalls an Bord 14 Tage in Quarantäne bleiben mussten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, dass diese Schiffe andere Ziele bzw. Zielgebiete angelaufen hätten, führt dies nicht dazu, dass diese Fälle bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Reiseabsage keine Rolle spielen können. Denn zweifellos war die Lage insbesondere für Reiseveranstalter, die mehrere Ziele im asiatischen Raum anfahren, zunehmend unübersichtlicher und unsicherer. Dies zeigt auch das Beispiel der XYZ auf der vorangegangenen Reise, bei der das Anlaufen eines Hafens in Vietnam abgesagt worden war. Die Geschehnisse um der beiden o.g. Kreuzfahrtschiffe verdeutlichen, auf welche Szenarien sich die Beklagte einstellen musste. Es bestand die Gefahr, dass Häfen behördlich gesperrt worden wären.
Zum Weiterlesen bitte anmelden oder kostenlos und unverbindlich registrieren.