Eine Werbung ist nach § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen irreführend ist, gelten strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen.
Bei dem Passus „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ handelt es sich um eine umweltbezogene Werbeaussage, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein gesteigertes Interesse und Aufklärungsbedürfnis über ihre Bedeutung und ihren Inhalt hervorruft, da sie keiner einheitlichen Interpretationsmöglichkeit für die angesprochenen Verkehrskreise zugänglich und damit mehrdeutig ist. Die Angabe „Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-Zero)“ ist auch dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch und die Zahlung von Abmahnkosten gegen die Beklagte geltend.
Der Kläger ist in der Liste der qualifizierten Verbraucherschutzverbände im Sinne des § 4 UKlaG eingetragen. Nach seiner Satzung bezweckt er unter anderem, die Verbraucherberatung und -aufklärung in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern. Die Beklagte ist eines der führenden Kreuzfahrtunternehmen im deutschsprachigen Raum mit Sitz in H.. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen der T. AG und des US-Kreuzfahrtunternehmens R. C1 C. Ltd.
Die Beklagte stellte, abgerufen durch den Kläger am 28. November 2023, auf ihrer Internetseite unter dem Reiter Nachhaltigkeit / Nachhaltigkeitsstrategie die Angabe „Klimaziele [...] 2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ dar.
Wegen des Claims „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 01.12.2023 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 08.12.2023 sowie zur Zahlung der Abmahnkosten auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 20.12.2023 ab.
Zwar wurde die Darstellung auf der Internetseite der Beklagten inzwischen insoweit geändert, als im Maßnahmenkatalog unter dem Jahr 2050 nunmehr „Bio-/E-LNG“ statt „LNG“ steht. Wegen der ursprünglichen Darstellung hat der Kläger dennoch am 11.01.2024 Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, bei der Bewerbung mit einem zukünftigen Ziel sei jedenfalls zu fordern, dass genügend Angaben dazu gemacht werden, wie das beworbene Ziel realistischerweise erreicht werden könne. Diesem Erfordernis sei die Beklagte mit ihrem Maßnahmenkatalog jedoch nicht nachgekommen. Deshalb sei eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise bereits darin zu sehen, dass die Beklagte die Verwendung von „LNG“ ab 2050 anstelle von „E-LNG“ als Maßnahme aufgelistet habe. Mit fossilem LNG lasse sich kein dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb erreichen. Wenn vor der Änderung der Graphik mit „LNG“ hingegen nur aus erneuerbaren Energien gewonnenes „LNG“ gemeint gewesen wäre, sei dies für den Verbraucher nicht erkennbar gewesen. Der Kläger ist zudem der Auffassung, die Beklagte mache keine ausreichenden Angaben bezüglich der auch im Jahr 2050 noch erforderlichen Kompensationen. Insbesondere weil die angesprochenen Verkehrskreise die Formulierung „dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“ eher dahin verstehen würden, dass die Beklagte beabsichtige, ab dem Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr auszustoßen, müsse die Beklagte eindeutig angeben, dass sie im Jahr 2050 auch weiterhin Kompensationsmaßnahmen ergreifen werde. Die angegriffene Verlautbarung habe zudem Einfluss auf die Geschäftsentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise. Mit der angegriffenen Aussage sei die Botschaft verbunden: „Alles ist gut, bucht ruhig eine
Kreuzfahrt, wir werden das Problem schon bald für euch gelöst haben“. Solche Werbebotschaften würden sich bereits auf das jetzige Verbraucherverhalten auswirken, da das Gefühl, sein Geld und seine Urlaubstage einem verantwortungsbewussten Unternehmen anzuvertrauen, sich positiv auf die Verbraucherentscheidung auswirke.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei aufgrund mangelnder Bestimmtheit bereits unzulässig. Der Kern der angegriffenen Verletzungshandlung und der Umfang des begehrten Verbots seien nicht erkennbar, weshalb die Rechtsverteidigung der Beklagten erschwert sei. Der Kläger stelle mit dem ersten Teil des Antrags und dem darin enthaltenen Zitat allein auf die Mitteilung „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)“ ab. Die allgemeine Bezugnahme auf den in der Klageschrift wiedergegebenen „Fahrplan“ und die Anlage K1 lasse nicht erkennen, was Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sei. Sei man der Auffassung, dass die Maßnahmen für das Ziel nicht ausreichen würden, handele es sich dabei jedenfalls nicht um ein Vorenthalten im Sinne des § 5a UWG. Sei man hingegen der Auffassung, dass die Maßnahmen nicht realistisch seien, müsse dies in den ersten Teil des Verbotstenors oder in mehrere Anträge aufgenommen werden. Die Beklagte ist zudem der Auffassung, es sei für den Verbraucher erkennbar gewesen, dass nicht „LNG“, sondern „Bio-E/LNG“ gemeint gewesen sei. Von fossilem LNG sei nicht ausdrücklich die Rede gewesen. Außerdem werde der Aussagegehalt durch die vorhergehende Spalte zu den mittelfristigen Maßnahmen 2030 bestimmt: „Ausbau der Beschaffung von alternativen Kraftstoffen z.B. grünes Methanol/LNG)“ sowie „Nachrüstung/Umbau von existierenden Schiffen für die Nutzung von E-Fuels“. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Grafik nicht dahingehend missverstehen, dass die Beklagte 20 Jahre später einen Rückschritt mache und zu fossilem LNG zurückkehren wolle. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei einer Gesamtbetrachtung der Roadmap weiterhin davon ausgingen, dass auch im Jahr 2050 noch Kompensationsmaßnahmen erforderlich seien. Der Verbraucher verstehe unter der Kombination „Dekarbonisierter […] (Net-Zero)“ nicht eine gänzliche Emissionsvermeidung. Die Grafik sei in ihrer Gesamtheit als Visualisierung der Roadmap zu verstehen, wobei die verschiedenen Maßnahmen erkennbar nur einzelne, teilweise aufeinander aufbauende Elemente eines auch so bezeichneten Maßnahmenkataloges seien. Im Hinblick auf die Bedeutung der streitigen Roadmap ist die Beklagte der Ansicht, es sei zu berücksichtigen, dass diese nicht Bestandteil eines Buchungsprozesses einer Kreuzfahrt sei. Die Mitteilung spiele im gesamten Auftreten der Beklagten eine untergeordnete Rolle. Es handele sich um eine ergänzende Darstellung für die Zukunft, während die Beklagte ihre heutigen Dienstleistungen in erster Linie im Hinblick auf den Erholungs- und Urlaubswert vermarkte. Die Angabe über das Fernziel habe aus Sicht des Verbrauchers allenfalls eine geringe Bedeutung für die Bewerbung der Dienstleistung oder des Unternehmens der Beklagten, vordergründig seien das Reiseziel der Kreuzfahrt, der Preis, die Ausstattung der Kabinen etc.
Zum Weiterlesen bitte anmelden oder kostenlos und unverbindlich registrieren.