Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, geregelt im Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), bildet ein wesentliches Element des sozialen Sicherungssystems. Sie dient der Abdeckung des notwendigen Lebensunterhalts für Personen, die aufgrund ihres Alters oder einer dauerhaften gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen können und deren eigenes Einkommen und Vermögen zur Deckung dieses Bedarfs nicht ausreicht. Die Antragsberechtigung ist an spezifische personelle Voraussetzungen geknüpft und klar von anderen Sozialleistungen, insbesondere dem
Bürgergeld nach dem SGB II, abzugrenzen.
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung dient nicht nur der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts, sondern stellt darüber hinaus sicher, dass ältere oder dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen nicht auf anderweitige Unterstützung – wie etwa Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII – verwiesen werden, sondern einen eigenständigen, meist mit weniger Einschränkungen ausgestatteten Leistungsanspruch haben.
Die Leistungen der Grundsicherung werden nur auf Antrag erbracht (§ 18 Abs. 1 SGB XII). Eine rückwirkende Zahlung ist grundsätzlich erst ab Beginn des Monats der Antragstellung möglich, nicht für davor liegende Zeiträume (§ 44 Abs. 2 SGB XII). Es empfiehlt sich daher, den Antrag frühzeitig zu stellen.
Die beiden Hauptgruppen der Berechtigten
Das Gesetz definiert in § 41 Abs. 1 SGB XII zwei Hauptgruppen von Personen, die leistungsberechtigt sein können, sofern sie die weiteren Voraussetzungen wie die Bedürftigkeit erfüllen. Voraussetzung ist zunächst, dass die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Leistungsberechtigung knüpft dann entweder an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze oder an das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung an.
Zusätzlich zum personellen Kreis muss der Antragsteller im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB XII bedürftig sein, das heißt, Einkommen und verwertbares Vermögen dürfen die festgesetzten Freibeträge nicht übersteigen (vgl. §§ 82–84, 90 SGB XII). Dabei werden bestimmte Vermögensfreigrenzen berücksichtigt, etwa eine Schonvermögensgrenze von 10.000 Euro für Alleinstehende (Stand 2025). Das Einkommen und Vermögen von Ehe- oder Lebenspartnern wird grundsätzlich mitberücksichtigt, außer sie leben dauerhaft getrennt.
Die Altersgrenze: Erreichen der Regelaltersgrenze
Ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter besteht für Personen, welche die sogenannte Regelaltersgrenze erreicht haben. Die frühere starre Grenze von 65 Jahren ist nicht mehr aktuell. Das Gesetz verweist stattdessen dynamisch auf die Regelaltersgrenze, wie sie im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die gesetzliche Rentenversicherung definiert ist. Diese Altersgrenze wird schrittweise angehoben. Welche individuelle Regelaltersgrenze gilt, hängt somit vom Geburtsjahrgang der antragstellenden Person ab. Für ab 1964 Geborene liegt diese Grenze beispielsweise bei 67 Jahren. Personen, die vor Erreichen dieser individuellen Grenze aus dem Erwerbsleben ausscheiden, können demnach nur dann Grundsicherung nach dem SGB XII beanspruchen, wenn sie die Voraussetzungen der dauerhaften vollen Erwerbsminderung erfüllen.
Dauerhafte volle Erwerbsminderung
Die zweite anspruchsberechtigte Gruppe sind Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voraussichtlich dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des Rentenversicherungsrechts sind. Maßgeblich ist hier die Definition des § 43 Abs. 2 SGB VI. Voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der dauerhafte Status ist regelmäßig durch die Rentenversicherung, aber auch durch medizinische Gutachten festzustellen. Selbst eine volle Erwerbsminderung, die nur befristet festgestellt ist (z. B. über einen Zeitraum von zwei Jahren), genügt den Anforderungen des SGB XII nicht – diese Personen bleiben im System SGB II, sofern weitere Voraussetzungen vorliegen.
Der Begriff „dauerhaft“ ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Es muss davon auszugehen sein, dass die volle Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit anhält. Eine Besserung des Gesundheitszustandes darf also nicht zu erwarten sein. Personen, die lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit beziehen, erfüllen diese Voraussetzung nicht. Bei ihnen wird von einer Besserungsmöglichkeit ausgegangen, weshalb sie in der Regel auf Leistungen des SGB II (Bürgergeld) verwiesen werden, sofern Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II noch in einem Umfang von unter drei Stunden, aber nicht auf Dauer, besteht oder wenn sie mit erwerbsfähigen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rententräger
Ob die gesundheitlichen Voraussetzungen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung vorliegen, entscheidet nicht das Grundsicherungsamt (der Träger der Sozialhilfe) selbst. Das Gesetz sieht in § 45 SGB XII ein verbindliches Feststellungsverfahren vor. Der Träger der Grundsicherung ist verpflichtet, den zuständigen Träger der Rentenversicherung um eine entsprechende Prüfung zu ersuchen, sofern nicht bereits eine Entscheidung der Rentenversicherung (etwa durch einen Rentenbescheid) vorliegt. Die Kosten für dieses Gutachten trägt der Träger der Grundsicherung. Die Feststellung des Rententrägers über das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ist für das Grundsicherungsamt bindend.
Grundsicherung ist unabhängig von einem Rentenanspruch
Ein häufiges Missverständnis besteht in der Annahme, die Grundsicherung sei an den Bezug einer Rente gekoppelt. Dies ist nicht der Fall. Die Grundsicherung ist eine bedarfsabhängige Sozialleistung, keine Versicherungsleistung. Es ist daher unerheblich, ob die antragstellende Person überhaupt einen Anspruch auf eine Rente wegen Alters oder Erwerbsminderung hat.
Es kann durchaus der Fall eintreten, dass eine Person zwar die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine dauerhafte volle Erwerbsminderung erfüllt, aber keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hat, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (z.B. die Mindestversicherungszeiten oder „Wartezeit“ in der
Rentenversicherung) nicht erfüllt sind. Liegt in einem solchen Fall Bedürftigkeit vor, besteht dennoch ein Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII. Die Prüfung der Antragsberechtigung trennt also strikt zwischen der gesundheitlichen Eignung und den versicherungsrechtlichen Ansprüchen.
Kein Anspruch bei Erwerbsfähigkeit
Die Grundsicherung nach dem SGB XII ist strikt subsidiär gegenüber den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bürgergeld). Wer als „erwerbsfähig“ im Sinne des § 8 SGB II gilt – also gesundheitlich in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten – ist von den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII ausgeschlossen. Diese Personen müssen ihre Ansprüche beim zuständigen Jobcenter geltend machen. Dies gilt selbst dann, wenn sie die Altersgrenze für die Regelaltersrente noch nicht erreicht haben und auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Die klare Trennung zwischen den Systemen SGB II (für Erwerbsfähige) und SGB XII (für Nicht-Erwerbsfähige) ist ein Grundpfeiler des Sozialleistungssystems.
In der Praxis kann es bei unklarer Erwerbsfähigkeit zu sogenannten Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Rentenversicherung, Jobcenter und Sozialhilfeträgern kommen. Bis zur abschließenden Feststellung wird in der Regel das SGB II vorläufig weitergezahlt (§ 44a Abs. 3 SGB II, § 7 Abs. 4 SGB II analog). Erst wenn die dauerhafte volle Erwerbsminderung förmlich festgestellt ist, wechselt die Zuständigkeit zur Grundsicherung nach SGB XII.
Weitere gesetzliche Ausschlussgründe
Neben der Erwerbsfähigkeit, die zum Verweis auf das SGB II führt, existieren weitere spezifische Ausschlussgründe.
Keinen Anspruch auf Grundsicherung haben Personen, die leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind. Deren Lebensunterhalt wird ausschließlich über das AsylbLG sichergestellt.
Ein weiterer Ausschlussgrund findet sich in § 41 Abs. 4 SGB XII. Demnach haben Personen keinen Anspruch, wenn sie ihre Bedürftigkeit innerhalb der letzten zehn Jahre vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Dies zielt auf Fälle des sogenannten „sozialwidrigen Verhaltens“ ab, beispielsweise wenn erhebliches Vermögen kurz vor der Antragsstellung ohne triftigen Grund verschenkt oder verbraucht wurde, um die Voraussetzungen für den Leistungsbezug künstlich zu schaffen. Die Prüfung eines solchen Sachverhalts obliegt dem Grundsicherungsamt und muss im Einzelfall sorgfältig dargelegt werden.
Personen, die sich nur vorübergehend – etwa zu Besuchs- oder Urlaubszwecken – in Deutschland aufhalten (§ 23 SGB XII analog) sind wie auch Menschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland grundsätzlich ausgeschlossen, wobei für bestimmte Personengruppen wie anerkannte Rückkehrer aus dem Ausland Ausnahmen gemäß § 24 SGB XII bestehen.
Zu beachten ist weiterhin der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2 SGB XII. Das bedeutet, dass vorrangig eigene Ansprüche (z.B. auf Unterhaltsleistungen oder andere Sozialleistungen) genutzt werden müssen, ehe Grundsicherungsleistungen beansprucht werden können.