Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Gehen
Arbeitnehmer während der
Arbeitszeit privaten Dingen nach, ist das ein Pflichtverstoß, der an sich geeignet ist, eine
verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen.
Bei der Bewertung von Art und Ausmaß des Fehlverhaltens muss es jedoch berücksichtigt werden, wenn es sich nicht um private Angelegenheiten im Interesse des Arbeitnehmers selbst gehandelt hat, sonden um um private Interessen, die der jeweils mitbeteiligte Kollege verfolgt hat. Konnte sich der Arbeitnehmer schlicht und einfach nicht gegen seinen Kollegen durchsetzen, so kann der Vorwurf dadurch so viel an Gewicht verlieren, dass es unangemessen ist, hierauf mit einer Kündigung zu reagieren.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten um den Bestand ihres
Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger ordentlicher Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers.
Die beklagte Hansestadt beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der Kläger ist im Bereich der Straßenmeisterei als Straßenwärter tätig. In dieser Stellung ist er im Stadtgebiet letztlich bereits seit 1983 tätig. Der ledige Kläger ist 1960 geboren. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitigen Kündigung hat der Kläger monatliche rund 2.800,00 Euro brutto verdient.
Der Kläger hat die Aufgabe, im Stadtgebiet auftretende kleinere Straßenschäden zu reparieren. Dafür steht ihm ein kleines Straßenfahrzeug (Multicar) mit speziellen Aufbauten zur Verfügung, das der Kläger führt. Er erledigt diese Arbeit alleine. Soweit solche Reparaturen witterungsbedingt nicht durchgeführt werden können (insbesondere in den Wintermonaten), wird der Kläger als Springer und zur Unterstützung gemeinsam mit anderen Beschäftigten bei anderen Aufgaben eingesetzt. Soweit hierbei betriebliche Fahrzeuge zum Einsatz kommen, hat der Kläger hier im Regelfall die Rolle des Beifahrers.
Der Kündigung sind zwei
abgemahnte Vorfälle vorausgegangen.
Am 2. Januar 2012 hatte der Kläger eine Abmahnung wegen eines Vorfalls im Dezember 2011 erhalten (Kopie hier Blatt 21 f, es wird Bezug genommen). Der Kläger war an jenem Tag Fahrer des Wagens und er und sein Beifahrer sollten eine Aufgabe im Osthafen erledigen. Auf Wunsch des Beifahrers ist der Kläger an jenem Tag zunächst zum Wohnsitz des Kollegen gefahren, damit dieser dort noch seinen vergessenen Rucksack holen könne. Erst danach – und nach einer längeren Pause an einer in der Nähe gelegenen Tankstelle – hat man sich zur Erledigung der übertragenen Arbeitsaufgabe in den Osthafen begeben.
Am 3. Dezember 2012 hatte der Kläger eine weitere Abmahnung wegen eines Vorfalls im November 2012 erhalten. Ursache dafür war, dass der Kläger gegen 11:20 Uhr auf dem Parkplatz des CAP-Marktes im Dienstfahrzeug sitzend gewartet hatte, bis sein Kollege, der Fahrer des Dienstfahrzeuges, seine Einkäufe getätigt und im Fahrzeug verstaut hatte.
Anlass der Kündigung war das Verhalten des Klägers am 3. März 2015. An diesem Tag hatte der Kläger nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Dienstplan von 07:00 Uhr bis 09:00 Uhr und von 09:15 Uhr bis 12:00 Uhr sowie von 12:30 Uhr bis 15:45 Uhr
Arbeitspflicht.
Um 09:51 Uhr stellte der Leiter der Straßenmeisterei während einer Autofahrt im Stadtgebiet fest, dass ihn das Dienstfahrzeug mit dem Kläger auf dem Beifahrersitz und dem Kollegen des Klägers am Lenkrad in Richtung Einkaufszentrum O. passierte. Der Leiter der Straßenmeisterei verfolgte das Fahrzeug. Dadurch stellte sich heraus, dass der Kläger gemeinsam mit seinem Kollegen vor dem Möbelmarkt R. parkten, den Möbelmarkt besuchten und die eingekauften Gegenstände auf das Auto aufluden. Anschließend begab sich das Auto zum Wohnsitz des Kollegen des Klägers. Dort brachte der Kläger die gekauften Gegenstände zusammen mit seinem Kollegen ins Haus, wo beide längere Zeit verweilten. Am 17. März 2015 wurde der Kläger von der Beklagten auf die Vorkommnisse am 3. März 2015 angesprochen, das Geschehen ist unstreitig.
Mit Schreiben vom 23. März 2015 hat die Beklagte den für den Kläger zuständigen Personalrat um Zustimmung zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gebeten. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung mit Beschluss vom 1. April 2015 zugestimmt. Mit Schreiben vom 24. April 2015, dem Kläger zugegangen am 30. April 2015, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger zum 31. Dezember 2015 gekündigt. Die hiergegen gerichtete
Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbunden hat, ist am 5. Mai 2015 beim Arbeitsgericht eingegangen.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vollständig obsiegt. Der Kläger wurde von der Beklagten auch nach Ablauf der Kündigungsfrist Ende 2015 weiter beschäftigt. Dazu haben die Parteien einen schriftlichen Vertrag über ein Prozessarbeitsverhältnis abgeschlossen. Der Kläger wird nunmehr ausschließlich als Alleinfahrer auf Fahrzeugen eingesetzt.
Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgemäß begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Abweisung der Klage unverändert fort.
Die Beklagte kritisiert das angegriffene Urteil mit Rechtsargumenten. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht das Vorliegen eines hinreichenden Grundes für die Kündigung verneint. Der Kläger sei zum wiederholten Male während der Arbeitszeit privaten Tätigkeiten nachgegangen. Dadurch sei die Grundlage des Vertrauens für die Zusammenarbeit entfallen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger und seine Kollegen sozusagen im Außendienst tätig seien. Da man sie dort nicht ständig kontrollieren könne, könne man nur mit Arbeitnehmern zusammenarbeiten, auf die man sich verlassen könne. Würde der neuerliche schwere Verstoß des Klägers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sanktionslos bleiben, hätte dies fatale Auswirkungen auf die Arbeitsmoral der Kollegen des Klägers.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts mit Rechtsargumenten.
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