Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.Der Verstoß des
Arbeitgebers gegen die Übermittlungspflicht gemäß
§ 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der im Rahmen einer Massenentlassung erklärten
Kündigung(en).
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Rahmen einer Massenentlassung erklärten
ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des seit 1981 bei der Schuldnerin beschäftigten Klägers.
Auf Antrag der Schuldnerin eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Eigenverwaltung und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Mit Wirkung zum 1. Juni 2020 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Infolge der am 17. Januar 2020 beschlossenen vollständigen Einstellung ihres Geschäftsbetriebs spätestens zum 30. April 2020 übermittelte die Schuldnerin dem Betriebsrat am gleichen Tag den Entwurf eines Interessenausgleichs, der die Kündigung sämtlicher 195 Mitarbeiter der Schuldnerin zum Gegenstand hatte. Ausweislich dessen Regelungen sollten mit den Interessenausgleichsverhandlungen die aufgrund der beabsichtigten Massenentlassung erforderlichen Konsultationen mit dem
Betriebsrat verbunden und durchgeführt werden. Entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG sowie Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG (im Folgenden MERL) übermittelte die Schuldnerin der zuständigen Agentur für Arbeit Osnabrück keine Abschrift der das Konsultationsverfahren einleitenden Mitteilung an den Betriebsrat.
Am 22. Januar 2020 einigten sich die Betriebsparteien auf einen
Interessenausgleich sowie einen
Sozialplan. Der Betriebsrat erklärte in seiner in Ziff. 5.3 des Interessenausgleichs enthaltenen abschließenden Stellungnahme, dass er keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. In der als Anlage dem Interessenausgleich beigefügten Namensliste waren alle Mitarbeiter der Schuldnerin - der Kläger unter der laufenden Nummer 121 - namentlich bezeichnet.
Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige am 23. Januar 2020 und Erhalt der Eingangsbestätigung vom 27. Januar 2020 kündigte die Schuldnerin die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter, ua. das des Klägers, mit am 28. Januar 2020 zugegangenem Schreiben vom gleichen Tag zum 30. April 2020. Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb unwirksam, weil es aufgrund der unterbliebenen Übermittlung einer Abschrift der das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat einleitenden Mitteilung an die Agentur für Arbeit an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige fehle. Diese Abschrift solle im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer sicherstellen, dass die Agentur für Arbeit so früh wie möglich Kenntnis von den bevorstehenden Entlassungen erhalte und sich auf diese vorbereiten könne. § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG sei individualschützend.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Schuldnerin vom 28. Januar 2020 nicht zum 30. April 2020 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hält die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen für sozial gerechtfertigt und auch im Übrigen für wirksam. Insbesondere führe der Verstoß gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, die lediglich als Vorabinformation der zuständigen Behörde diene, nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das vom Kläger angestrengte Revisionsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 27. Januar 2022 (Az:
6 AZR 155/21 (A)) ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden Gerichtshof) nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, welchem Zweck Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL diene. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. Juli 2023 (Az:
C-134/22) über das Ersuchen entschieden.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2023 hat der Senat aufgrund seiner Anfrage an den Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß
§ 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, ob dieser an seiner Rechtsprechung zur Sanktion für Fehler im Anzeigeverfahren des Massenentlassungsverfahrens festhalte, die in dem Verfahren - Az:
6 AZR 157/22 (B) - erfolgt ist, das vorliegende Verfahren erneut ausgesetzt. Nach Erlass des Beschlusses des Zweiten Senats vom 1. Februar 2024 (Az: 2 AS 22/23 (A)) hat der Senat die Parteien mit Verfügung vom 22. Februar 2024 darauf hingewiesen, dass der Aussetzungsgrund nunmehr entfallen sei und einen Fortsetzungstermin bestimmt. Die Parteien haben sich sodann mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Seine zulässige Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die noch von der Schuldnerin erklärte Kündigung vom 28. Januar 2020 wirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 279 Satz 1, § 113 InsO mit Ablauf des 30. April 2020 aufgelöst hat.
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