Rechtsfragen? Lösen unsere Rechtsanwälte für Sie.Bewertung: - bereits 388.288 Anfragen

Massenentlassung und Sozialauswahl wegen Betriebsstilllegung

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

Nicht jede Kündigung ist zulässig. ➠ Lassen Sie sich beraten.
Der Kläger war bei der Beklagten, welche Aluminiumgussteile herstellte und vertrieb, seit dem 01.02.2012 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte in ihrem einzigen Betrieb zuletzt knapp 600 Arbeitnehmer. Am 01.03.2022 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Sachwalter und der Gläubigerausschuss stimmten der Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022 zu.

Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs am 24.11.2022 durch Spruch der Einigungsstelle für gescheitert erklärt wurden, stellte die Beklagte am 28.11.2022 Anträge auf behördliche Zustimmungen zur betriebsbedingten Kündigung nach dem SGB IX (schwerbehinderte Menschen) und BEEG (Elternzeit). Den Beschäftigten wurde die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 sprach die Beklagte gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.

Alle Mitarbeitenden, auch der Kläger dieses Verfahrens, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage 53 Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber dreizehn Personen Kündigungen zum 31.03.2023 und gegenüber den übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.06.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.03.2023.

Die vom Kläger hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Dies folgt zwar nicht aus § 17 KSchG i.V.m. § 134 BGB wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellen keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist.

Die Kündigung war indes aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) rechtsunwirksam, wie es bereits das Arbeitsgericht Solingen zutreffend ausgeführt habe.

Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen.

Die Beklagte hatte hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hatte. So hatte sie diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen die Beklagte nur unvollständig vorgetragen hatte.

Es fehlte weitgehend an Vortrag dazu, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll.

Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl hatte die Beklagte auch in zweiter Instanz nicht widerlegt.

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz Zahlungsansprüche verfolgte, blieb seine Berufung ohne Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.


LAG Düsseldorf, 09.01.2024 - Az: 3 Sa 529/23

Quelle: PM des LAG Düsseldorf

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von der Wirtschaftswoche

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.235 Bewertungen) - Bereits 388.288 Beratungsanfragen

sehr schnelle und präzise Beantwortung meines Anliegens. Immer wieder gerne

Verifizierter Mandant

Hatte Fragen bezüglich Kindesunterhalt eines volljährigen und in Ausbildung stehen Kindes!
Diese Frage wurde vorbildlich und schnell ...

Marc Stimpfl, Boppard