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Nachgewährung von sechs Urlaubstagen wegen Quarantäneanordnung?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

Die Klägerin hatte kurz vor Urlaubsantritt Kontakt zu einer Person, die zu dem Zeit-punkt an Covid-19 erkrankt war und galt laut Einstufung des zuständigen Fachdienstes Gesundheit der Stadt N. als Kontaktperson der Kategorie 1. Am 21.12.2020 ordnete der Fachdienst Gesundheit fernmündlich eine häusliche Absonderung (Quarantäne) für den Zeitraum 21.12.2020 bis 30.12.2020 an. Mit Bescheid vom 30.12.2020 wurde diese Quarantäne-Anordnung bestätigt.

Mit Schreiben vom 04.02.2021 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Berufung auf § 56 IfSG die Gutschrift von sieben Urlaubstagen geltend. Wegen der Quarantäne-Anordnung sei eine Verrechnung des im Dezember 2020 genehmigten Urlaubs mit dem Jahresurlaub nicht statthaft.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Urlaubsanspruch der Klägerin im Umfang der mit der Klage geltend gemachten sechs Arbeitstage ist erfüllt und damit gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

Mit der Genehmigung und Gewährung des Urlaubs (und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts) hat der Arbeitgeber als Schuldner das nach § 7 Abs. 1 BUrlG zur Erfüllung Erforderliche getan (§ 243 Abs. 2 BGB).

Alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.

Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien - wie in §§ 9, 10 BUrlG - besondere Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub treffen, findet eine Umverteilung des Risikos zu Gunsten des Arbeitnehmers statt.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Urlaubserteilung durch den Arbeitgeber nach Treu und Glauben gesetzeskonform so zu verstehen (§ 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist, sofern dem nicht konkrete Anhaltspunkte entgegenstehen.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte durch die Genehmigung des Urlaubsantrages und tatsächliche Gewährung bzw. Arbeitsfreistellung den Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt.

Die Beklagte hat der Klägerin vorbehaltlos den von ihr für die Zeit vom 21.12. bis 31.12.2020 beantragten Erholungsurlaub gewährt. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist in der vorbehaltlosen Erteilung zugleich die konkludente Zusage der Zahlung des Urlaubsentgelts zu sehen. Damit ist der Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt und nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beklagte hat auch unstreitig das entsprechende Urlaubsentgelt tatsächlich gezahlt.

Ein Ausnahmesachverhalt, der die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs kraft tariflicher oder gesetzlicher Vorschrift zu Gunsten der Klägerin regelt, besteht nicht.

Der Erholungsurlaub der Klägerin in der Zeit vom 21.12. bis 31.12.2020 ist nicht nach § 11 Nr. 3.4 MTV mit der Folge bezahlter Freizeit unterbrochen worden. Die in § 11 Nr. 3.4 MTV in Bezug genommenen Fälle der Arbeitsverhinderung nach § 11 Nr. 3.1 MTV (Tod des Ehegatten, eines eigenen Kindes, der Eltern oder Schwiegereltern sowie Teilnahme an einer Beerdigung), die zu einer Unterbrechung des Erholungsurlaubs führen, liegen hier ersichtlich nicht vor.

Die Beklagte ist auch nicht nach § 9 BUrlG zur Nachgewährung des Urlaubs verpflichtet.

Gemäß § 9 BUrlG werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage einer Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers während seines Urlaubs auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Klägerin war im Urlaubszeitraum unstreitig nicht arbeitsunfähig erkrankt. Die durch Bescheid der Stadt N. angeordnete häusliche Absonderung (Quarantäne) bescheinigt der Klägerin gerade keine Arbeitsunfähigkeit, sondern beschränkt diese in ihrem Bewegungsradius und der Kontaktaufnahme zu anderen Personen. Diese Beschränkungen sind nicht gleichzusetzen mit Arbeitsunfähigkeit. Dies behauptet die Klägerin auch nicht.

Entgegen der Annahme der Klägerin ist § 9 BUrlG auf den vorstehenden Sachverhalt auch nicht analog anzuwenden.

Der Fall der Absonderungsanordnung ist unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht mit der Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs gleichzusetzen. Bei der Beantwortung dieser Frage ist vom Sinn und Zweck des § 9 BUrlG auszugehen. Bei Inkrafttreten des BUrlG 1963 hat der Gesetzgeber einen hergebrachten Grundsatz des Urlaubsrechts kodifiziert. Dieser Grundsatz geht dahin, dass eine eintretende Arbeitsunfähigkeit den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht mindern soll. Es handelt sich um einen Sonderfall als Ausnahme von den allgemeinen Regeln des Zivilrechts. Über andere Sachverhalte - insbesondere den hier bei der Klägerin bestehenden Ansteckungsverdacht - ist damit nichts gesagt.

Der Urlaubszweck selbst ist die Erholung. Diesem Ziel dienen die Vorschriften des BUrlG. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das BUrlG keine Vorgaben macht, wie der einzelne Arbeitnehmer seinen Urlaub zu verbringen hat. Es bleibt alleine seine Sache, wie er sich erholt. § 8 BUrlG verbietet nur eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit. Der Arbeitnehmer kann den gesamten Urlaub auch Zuhause verbringen und lesen, an der PC-Konsole spielen, schlicht vor dem Fernseher faulenzen oder das Wohnzimmer renovieren. In diesen Fällen wird er durch eine Absonderung überhaupt nicht in der Verwirklichung des Urlaubszwecks beeinträchtigt. Bei einer Analogie kommt es auf die „typische Vergleichbarkeit“ an und nicht auf den im Einzelfall festzustellenden Grad der Beeinträchtigung des Erholungszwecks. Die analoge Anwendung von § 9 BUrlG kann dementsprechend nicht davon abhängig gemacht werden, wie die Klägerin im konkreten Fall beabsichtigte, ihren Urlaub zu verbringen.

Hinzu kommt, dass nicht jede Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt und nicht jede Krankheit den Erholungszweck vereitelt. Nur dann, wenn ein Arzt infolge einer vorliegenden Krankheit zugleich die Arbeitsunfähigkeit attestiert, greift § 9 BUrlG. Aufgrund des Corona-Kontakts war die Klägerin vorliegend nicht gehindert, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Mithin ist allein die behördliche Anordnung der Absonderung nicht vergleichbar mit einer infolge einer Krankheit attestierten Arbeitsunfähigkeit.


LAG Schleswig-Holstein, 17.02.2022 - Az: 5 Sa 241/21

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