Art. 7 Abs. 2 VO (EG) 261/2004 regelt die Kürzung von
Ausgleichszahlungen, wenn der Fluggast sein Endziel trotz
Annullierung oder
Verspätung innerhalb bestimmter Zeitgrenzen erreicht. Nach unionsrechtlicher Auslegung ist diese Vorschrift jedoch nur auf Fälle anwendbar, in denen der Fluggast verspätet, also nach der planmäßigen Ankunftszeit, am Zielort eintrifft.
Wird ein Flug annulliert und dem Fluggast eine Ersatzbeförderung angeboten, die zu einer früheren Ankunft führt, ist eine Kürzung der Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 VO (EG) 261/2004 ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, 21.12.2021 - Az:
C-146/20, C-188/20 und C-270/20), wonach eine Vorverlegung des Fluges um mehr als eine Stunde dieselben Beeinträchtigungen verursacht wie eine Annullierung. Der EuGH stellte klar, dass Art. 7 Abs. 2 VO (EG) 261/2004 nicht greift, wenn der Fluggast infolge einer Vorverlegung oder Ersatzbeförderung früher als geplant ankommt.
Diese Auslegung beruht auf der Gleichstellung der Interessenlage: Für den Fluggast macht es keinen Unterschied, ob der ursprünglich gebuchte Flug vorverlegt oder annulliert und durch eine frühere Ersatzbeförderung ersetzt wurde. In beiden Fällen wird der planmäßige Reiseablauf gestört, sodass eine Kürzung der Entschädigung den Schutzzweck der Verordnung unterlaufen würde.
Entscheidend ist daher nicht, ob es sich formal um eine Vorverlegung oder eine Annullierung handelt, sondern ob der Fluggast sein Ziel früher als vorgesehen erreicht. In diesem Fall entfällt das Kürzungsrecht nach Art. 7 Abs. 2 VO (EG) 261/2004.
Da diese Frage in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird, wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof vom Gericht beabsichtigt.