Haben die Parteien eines Verbraucherkaufvertrages nach Art 3 der ROM I Verordnung eine Rechtswahl getroffen, indem sie türkisches Recht vereinbart haben, sind Art 6 Abs. 1 b und Abs. 2 der Rom I Verordnung anzuwenden.
Ein Unternehmer ist auch dann in der Lage, seine unternehmerische Tätigkeit auf den deutschen Staat und die vom deutschen Recht geschützten Verbraucher gemäß Art 6 Abs. 1 b Rom I Verordnung auszurichten, wenn er nur über das Erfahrungswissen verfügt, dass seine Zielgruppe sich aus einem derartigen Personenkreis zusammensetzt und daraufhin seinen Geschäftsbetrieb auf diese Zielgruppe hin ausrichtet.
Dies ist der Fall bei einer türkischen Produktions- und Vertriebsgesellschaft für Schmuckwaren, die bei der Gestaltung ihres Geschäftsbetriebes gerade das Erfahrungswissen zugrunde legt, dass Antalya ein von deutschen und deutschsprachigen Touristen häufig besuchtes Reiseziel ist und ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf deren touristisches Kaufverhalten ausrichtet.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten um die Bezahlung einer Rechnung.
Die Klägerin, eine Produktions- und Vertriebsgesellschaft für Schmuckwaren mit Sitz in Istanbul in der Türkei beansprucht von dem im Jahre 1934 geborenen Beklagten die Bezahlung einer Rechnung, nachdem dieser in einem ihrer Ladengeschäfte in Antalya am 24.4.2015 Schmuck für einen Kaufpreis von insgesamt 11.000 € erwarb, wobei er 2.200 € anzahlte. Im Übrigen vereinbarten die Parteien eine Ratenzahlung in 4 weiteren Teilbeträge in Höhe von 1.800 €, 2.000 €,2.000 €, 2.000 € und eine Schlusszahlung in Höhe von 1.000 € zu festgesetzten Fälligkeitsterminen. Der letzte Fälligkeitstermin war der 1.12.2016. Die Werthaltigkeit des Schmucks ist streitig.
Der Kaufvertrag mit der Nummer Y 20765 ist in englischer, deutscher und türkischer Sprache verfasst, erfasst neben dem Vertragsdatum und der Vertragsnummer auch den Namen des
Hotels und den Abreisetag des Beklagten, das Lieferdatum und enthält die von der Klägerin vorformulierte Klausel, dass türkisches Recht Anwendung finde.
Der Beklagte befand sich mit seiner bereits schwerbehinderten Ehefrau auf einer Reise, die er von Deutschland aus antrat.
Reiseveranstalter war die in der Schweiz ansässige …reisen AG.
Zum Kaufvertragsschluss kam es, nachdem dem Beklagten und seiner Ehefrau mit einer Reisegruppe, mit der sie in einem Reisebus unterwegs gewesen sind, zunächst der Besuch einer Schmuckwerkstatt angeboten worden ist und sie nach dem Besuch der Schmuckwerkstatt von dem anwesenden Personal in ein Ladenlokal der Klägerin eingeladen worden sind. Dort sind mit dem Beklagten und seiner Frau sodann Verkaufsverhandlungen nach Art eines „türkischen Bazars“ geführt worden. Dem Beklagten wurde nach seinen Angaben zunächst ein Ausgangspreis von 20.000 € offeriert, der im Verlauf immer weiter bis auf 11.000 abgesenkt wurde. Schließlich stimmte der Beklagte zu. Als Draufgabe wurden im Kaufvertrag weiter näher bezeichnete „Geschenke“ in Form von Silberkettchen und Anhänger in Form eines Auges gegeben.
Mit Schriftsatz vom 6.5.2015 erklärte der Beklagte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, zuletzt Widerruf des Vertrages und bot an die gekauften Gegenstände zurückzugeben.
Die Klägerin lehnte die Rücknahme ab und behauptet, sie selbst habe mit dem Reiseveranstalter keine Besuche in ihrem Geschäft organisiert. Wie der Reiseveranstalter Besuche in ihrem Geschäftslokal organisiere, sei ihr nicht bekannt. Der Beklagte sei jedenfalls nicht gezwungen gewesen, das Ladengeschäft zu betreten. Dies stehe jedem Kunden frei. Der Beklagte sei weder bedrängt noch sei sonst Verkaufsdruck ausgeübt worden. Das Verhandlungsprocedere entspreche der Verkehrssitte in der Türkei, wonach Preisangaben überwiegend nur als Verhandlungsgrundlagen anzusehen seien. Der erzielbare Preis für einen kunsthandwerklichen Gegenstand sei ohnehin nicht allein nach objektiven Kriterien zu bemessen, sondern werde von Design- Vertriebs- Fertigungskosten und touristischen Kaufverhalten mitbestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Klägerin Bezug genommen.
Der Kaufvertrag sei wirksam, die Anfechtungserklärung nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte könne auch keinen Verbraucherschutz nach deutschem Recht in Anspruch nehmen. Das lasse sich auch der Rom I Verordnung nicht entnehmen. Der Beklagte habe sich aus eigenem Antrieb in das Gebiet einer fremden Rechtsordnung begeben. In so einem Fall könne er nicht den Schutz der heimischen Rechtsordnung „mitnehmen“. Das gelte nur dann, wenn er aus dem Schutz der heimischen Rechtsordnung „herausgelockt“ worden sei. Außerdem sei der Geschäftsbetrieb der Klägerin, als Unternehmerin auch nicht auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet. Er müsse zumindest in seinem Wohnsitzstaat auf den Verkäufer aufmerksam gemacht worden sein. Nicht genüge es, wenn der Vertrag nur zufällig anlässlich eines Besuchs vor Ort zustande komme.
Nachdem der Beklagte die Rechnung nicht bezahlte und ein weiterer bereits außergerichtlich angebotener Preisnachlass von 3.000 € erfolglos blieb beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 1.800 € seit dem 2.8.2015, aus 2.000 € seit dem 2.12.2015 aus 2.000 € seit dem 2.4.2016, aus 2.000 € seit dem 2.9.2016 und aus 1.000 € seit dem 2.12.2016 zu bezahlen.
Der Beklagte wendet ihm Wesentlichen ein, türkisches Recht sei bereits nicht wirksam vereinbart worden, weil ein Verbrauchergeschäft vorliege. Der Beklagte sei einer Verkaufsveranstaltung zugeführt worden und habe praktisch keine Möglichkeit gehabt ihr zu entgehen. Ihm sei ein schlechtes Gewissen eingeredet worden, da er seiner Frau noch nie wertvollen Schmuck geschenkt habe, weshalb er dem Verkaufsdruck nicht mehr habe entrinnen können. Ihm sei ein Darlehen gewährt worden.
Tatsächlich habe er minderwertigen Schmuck erworben, der betreffend der Uhr und des Colliers jeweils zwischen 35 und 80 € wert sei, weshalb er arglistig getäuscht worden sei.
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