Die Beklagte kann sich hier nicht zu ihrer Entlastung auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des
Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung berufen.
Dem hier angegriffenen erstinstanzlichen Urteil vom 04.12.2020 ist darin beizupflichten, wenn es feststellt, dass Annullierungen und Verspätungen, die primär auf einer eigenständigen betrieblichen Entscheidung der Beklagten beruhen, nicht mehr auf außergewöhnliche Umstände i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO adäquat kausal zurückführbar sind. Jene eigenständige Entscheidung eines Luftfahrtunternehmens setzt eine selbstständige Ursache für die
Annullierung oder
Verspätung, die den notwendigen Kausalzusammenhang unterbricht.
Dies lässt sich auch nicht durch betriebswirtschaftliche Erwägungen des Luftfahrtunternehmens relativieren oder gar in das gegenteilige rechtliche Ergebnis verkehren.
Aus dem Grundsatz, dass die Entschädigung des Fluggastes die Regel und die Exkulpation des ausführenden Luftfahrtunternehmens die nur eng begrenzte Ausnahme sein sollen, sowie aus den weiteren Erwägungsgründen der Fluggastrechteverordnung, dort insbesondere die Nummern 1 bis 4, folgt nämlich, dass Luftfahrtunternehmen sich zur eigenen Entlastung gerade nicht mit Erfolg auf eigene Organisationsentscheidungen berufen können, mögen ihnen auch kalkulatorisch strenge, betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Überlegungen zugrunde liegen. Hierzu zählen etwa eng kalkulierte Umlaufpläne ihrer Flugzeuge, die keinen zeitlichen Puffer für die jederzeit möglichen Verzögerungen im Betriebsablauf vorsehen, das Nicht-Vorhalten von Reservemaschine selbst an ihren Flottenbasen oder eine so dünn gewobene Personaldecke, dass für den naheliegenden Fall von kurzfristigen Erkrankungen einzelner Besatzungsmitglieder kein Ersatz beschafft werden kann. Die Fluggastrechteverordnung zielt darauf ab, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen zwischen den gewinnorientierten Luftfahrtunternehmen, die sich zudem in einem Wettbewerb behaupten müssen, und den Fluggästen, die auf die Umstände der Durchführung des einzelnen Fluges wie auch auf die um diesen Flug herum angeordneten betriebliche Organisation keinerlei Einfluss haben, von Annullierungen und Verspätungen in aller Regel aber stark betroffen sind. Auf die Passagiere darf daher das Risiko des Eintritts einer nach der Fluggastrechteverordnung relevanten Verspätung oder Annullierung nicht verlagert werden, soweit sie durch eine weniger knappe Zeitplanung auch im weiteren organisatorischen Vorfeld des konkret betroffenen Fluges hätten verhindert oder relevant reduziert werden können.
So verhält es sich hier, wenn die Beklagte vorbringt, zugunsten eines reibungslosen Ablaufs der folgenden Umläufe der betroffenen Maschine im weiteren Verlauf des 28.07.2019 auf den hier streitgegenständlichen Flug verzichtet zu haben. Sie bringt damit zum Ausdruck, innerhalb ihres enggetakteten Zeitplanes keine ausreichende Zeitreserve für die notwendige Verlegung einer Maschine, die am Vorabend an einem nicht vorgesehenen Flughafen ihren Tagesdienst beenden musste, vorgesehen zu haben. Schon aus diesem Grund ist die Berufung zurückzuweisen.
Ebenfalls zuzustimmen ist dem Amtsgericht, wenn es der Beklagten vorhält, nicht alles zumutbare zur Vermeidung der Annullierung getan zu haben. Die Verteidigung der Beklagten leidet an erheblichen Lücken und Ungereimtheiten, die ebenfalls bereits für sich genommen die Zurückweisung der Berufung tragen:
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