Es kommt immer wieder vor: Nachdem ein Schnäppchen für eine
Pauschalreise oder einen
Flug gebucht wurde, kommt wenige Tage später eine Anfechtungserklärung mit der Post, gerne auch in Verbindung mit dem Angebot die
Reise zu einem Sonderpreis erneut zu buchen. Betroffene fragen sich dann verständlicherweise, ob dies überhaupt erlaubt ist. Es gilt doch, dass Verträge gehalten werden müssen. Doch das gilt leider nicht in jedem Fall.
Wie begründet sich eine Vertragsanfechtung?
Der Anbieter beruft sich auf unzutreffende Preisangaben in der Vermarktung, einen Eingabefehler oder einen Systemfehler, um sich von dem Vertrag zum Schnäppchenpreis zu lösen.
Auch wenn im Grundsatz tatsächlich gilt, dass geschlossene Verträge einzuhalten sind und sich kein Vertragspartner einseitig - also ohne Zustimmung des anderen - davon lösen kann, ermöglicht § 119 BGB die Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrtums.
§ 119 Absatz 1 BGB lautet: „Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falls nicht abgegeben haben würde.“
Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich einfach so mittels Anfechtung vom Vertrag befreit werden kann. Vielmehr muss der Erklärende die Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden werden musste - auch dann, wenn diese Erklärung nicht seinem wahren Willen entsprochen hat.
Wie muss die Anfechtung erfolgen?
Damit eine Anfechtung eine Chance haben kann, muss diese durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend gemacht werden und diesem zugehen. Zudem muss die Anfechtung unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrunds erfolgen - also unverzüglich, nachdem der Fehler aufgefallen ist. Länger als eine Woche nach Kenntnisnahme darf in der Regel nicht gewartet werden.
Der Anbieter ist als Anfechtender auch in der Beweislast für seinen Irrtum. Dies bedeutet konkret, dass der Reisende die Behauptung des Erklärungsirrtums mit Nichtwissen bestreiten kann. Es ist dann Sache des Anbieters, den Irrtum konkret und nachvollziehbar zu beweisen.
Welche Folgen hat eine erfolgreiche Anfechtung?
Damit die Anfechtung wirksam sein kann, ist es erforderlich, dass es sich nicht um einen Kalkulationsfehler, sondern letztlich um einen Eingabefehler handelt.
Für einen Kalkulationsfehler muss der Anbieter nämlich geradestehen. Dies ist die Verwirklichung seines unternehmerischen Risikos und kann nicht auf den Kunden abgewälzt werden. Auch die Verwendung falscher Daten wäre in diesem Zusammenhang kein zulässiger Anfechtungsgrund.
Eine Anfechtung wegen Irrtums ist dagegen auch dann möglich, wenn die Buchung infolge einer fehlerhaften Eingabe des Buchungscodes in den Computer durch das eingeschaltete
Reisebüro erfolgte und deshalb einen zu niedrigen Reisepreis auswies (AG Bad Homburg, 04.07.2001 - Az:
2 C 677/01).
Ähnlich ist dies zu beurteilen, wenn ein Systemfehler in der Software des Reisebüros zu einer falschen Preisangabe führt. Dies berechtigt den
Reiseveranstalter zur Anfechtung wegen Erklärungsirrtums, sofern das Reisebüro ständig Reiseverträge für den Veranstalter vermittelt, mithin als Handelsvertreter anzusehen ist.
Es muss also letztendlich ein entsprechender Ausnahmefall vorliegen und dieser im Streitfall auch zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Dies muss nachvollziehbar und plausibel erfolgen.
Wurde der
Reisevertrag wirksam gemäß §§ 119,121 BGB wegen eines Erklärungsirrtums angefochten, so ist der Anbieter nicht verpflichtet, die Reise, wie vor der Anfechtungserklärung vereinbart, zu erbringen. Er ist dann auch nicht verpflichtet, die Mehrkosten durch eine erneute Buchung oder die Differenz zwischen irrtümlichem und korrektem Preis zu erstatten. Denn ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft ist gemäß § 142 BGB als von Anfang nichtig anzusehen.
Dies gilt entsprechend auch für einen zum Schnäppchenpreis gebuchten Flug.
Vertragsdurchsetzung kann rechtsmissbräuchlich sein!
Der Vertragspartner, der bereits bei Vertragsschluss erkannt hatte oder erkennen musste, dass die Erklärung des anderen auf einem Irrtum in der Berechnung beruht und diesem die Durchführung des Vertrages unzumutbar ist, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er dennoch auf der Durchführung des Vertrages besteht beziehungsweise Rechte wegen Nichterfüllung aus diesem herleiten will. Ein solches Verhalten verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB (vgl. OLG München, 15.11.2002 – Az: 19 W 2631/02; LG Düsseldorf, 23.02.2007 - Az:
22 S 307/06).
Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn bei der Buchung erkennbar ist, dass es sich bei der Preisangabe um einen Fehler handeln muss, weil es auf der Hand liegt, dass der angegebene Preis für die gewünschte Leistung offensichtlich viel zu gering sein muss.
Gibt es durchsetzbare Schadensersatzsprüche?
Trotz einer wirksamen Anfechtung kann der Vertragspartner einen ihm entstandenen Vertrauensschaden geltend machen.
Der Anfechtende ist verpflichtet, seinem Vertragspartner den Schaden zu ersetzen, der infolge des Vertrauens in die Gültigkeit der Erklärung entstanden ist.
Dies betrifft beispielsweise entstandene Aufwendungen im Zusammenhang mit der gebuchten Reise bzw. dem gebuchten Flug und dem berechtigten Vertrauen in dessen Durchführung.
Ein geltend gemachter Schaden in Gestalt entstandener Mehrkosten für eine Neubuchung, stellt dagegen einen Erfüllungsschaden dar, der auch nach § 122 BGB, der lediglich den Vertrauensschaden ersetzt, nicht ersatzfähig ist, da der Schaden nicht im Vertrauen auf eine gültige Buchung entstanden ist, sondern in Kenntnis der Anfechtung aufgrund einer Neubuchung (AG Frankfurt/Main, 28.02.2019 - Az:
30 C 1714/18 (71)).
Die Schadenersatzpflicht hinsichtlich des Vertrauensschadens entfällt dann, wenn der Vertragspartner des Anfechtenden den Grund für die Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte.
War die Anfechtung dagegen unwirksam, können nicht nur entstandene Mehrkosten geltend gemacht werden, wenn die Reise anderweitig gebucht werden musste. Wegen einer nicht durchgeführten Reise kann vom Reiseveranstalter auch eine Entschädigung wegen
nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangt werden.
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus
§ 651n Abs. 2 BGB richtet sich nach einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliches Kriterium kann dabei jedenfalls der tatsächlich vereinbarte Reisepreis sein, da dieser regelmäßig zeigt, wie viel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Reisenden wert ist. Jedoch sind auch sonstige Umstände zu berücksichtigen (AG München, 14.04.2023 - Az:
113 C 13080/22).
Wie sollte man vorgehen, wenn man eine Vertragsanfechtung erhält?
In aller Regel sollte man sich nicht direkt auf die Anfechtung einlassen. Eine genauere Überprüfung ist regelmäßig erforderlich, da Anfechtungen oftmals am Zeitmoment aber auch an der fehlenden Nachweisbarkeit eines Eingabefehlers scheitern. Erst nachdem eine detaillierte Begründung durch den Anbieter vorliegt, sollte man entscheiden, ob man gegen die Anfechtung vorgehen will oder nicht. Mit pauschalen Verweisen braucht sich ein Kunde nicht abspeisen lassen.